VNV NATION – Oberhausen, Turbinenhalle (31.03.2023)

Fotos: VNV NATION
VNV Nation, © Michael Gamon
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Der Frühling steht ganz im Zeichen von VNV Nation. Neben ihrer aktuellen “Electric Sun” Tour steht ihr gleichnamiges Album ebenfalls in den Startlöchern, um am 28.04.2023 in unseren heimischen Wohnzimmern zu erklingen. Neben dem bereits im Februar veröffentlichten Vorboten Before The Rain durften wir uns auf weitere neue Stücke freuen, die in Ronans imposant ausgestattetem Studio entstanden sind. Am heutigen Abend stand die Oberhausener Turbinenhalle auf dem Tourplan. Bei lauwarmem Nieselregen bewegten wir uns gemeinsam mit 2.900 Fans in die industriell geprägte Location. Überraschenderweise blieb der “Fotograben” an diesem Abend ganz spontan leer, und für die Fotografen galt es somit, sich auf der entfernten Empore zwischen den glücklicherweise sehr verständnisvollen Zuschauern zu platzieren.

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Special Guest der Konzertreihe sind die Traitrs. Hierfür haben die Musiker einen beachtlichen Weg auf sich genommen, kommen die beiden Freunde Shawn Trucker und Sean-Patrick Nolen doch aus dem weit entfernten Toronto. Ihre dunklen Klänge lassen sich am ehesten dem Post Punk bzw. Dark Wave zuordnen. Bereits wenige Minuten vor 20 Uhr verdunkelte sich die mächtige Bühne und lediglich zwei Spotlights richteten sich auf die beiden Kanadier. Sänger Shawn hat sich mit einem schwarzen Sakko und einer langen schwarzen Kette in Schale geschmissen und Sean-Patrick trug einen lässigen, langen Cardigan hinter seinen Synthesizern. Bereits nach wenigen Klängen ihres Openers Oh Ballerina waren die zwei in ihrem Element. Shawn schnellte mehrfach mit seiner Gitarre in die Knie, um dann mit einem Sprung aus dem Lichtkegel zu springen, während der Sound ungewöhnliche Bewegungen in Sean-Patrick auslöste. Die Töne schienen in ihn einzudringen und die Kontrolle über seinen Körper zu übernehmen. Dabei waren seine Moves oftmals ruckartig. Zwischendurch legte er seinen Kopf schief und setzte dazu einen leicht irren Blick auf. Mouth Poisons war mit seinen Effekten deutlich von  Shoegaze-Gitarrensound geprägt.

Mit geschlossenen Augen und sichtlich leidend bot Shawn Still From Her Sores dar. Es war sichtbar als auch spürbar, dass er einfach fühlte, was er sang. Beide Musiker waren völlig in ihrer Welt. Leider war die Bühne durch den tiefen Fotograben selbst in den vorderen Reihen recht weit vom Publikum entfernt. Dies erschwerte durchaus eine mögliche Interaktion. So war zwar eine seichte Bewegung in der Menge erkennbar, Applaus gab es natürlich auch – übermütige Jubelstürme blieben aber aus. Dies könnte in einer kleineren Location mit mehr Nähe zur Band durchaus anders sein. Die vorhandene Passion zur Musik würde da vermutlich Funken sprühen, die wie ein Lauffeuer um sich greift. The Lovely Wounded brillierte mit traumhaft schönem, sowie eindringlichem Synthiesound. Nun ergriff Shawn auch kurz das Wort: “Dankeschön. First of all, I want to say thank you. We’re from Canada.”

Thin Flesh begann mit treibendem Sound, ehe sich melancholische Stimmung ausbreitete und einen vereinnahmte. Der smarte Fronter verausgabte sich nebenbei bemerkt die ganze Show über an seinem Instrument. Immer wieder entschwand er seinem Lichtkegel und tobte sich ausladend aus. “I wanna thank everybody. We’re Traitrs.” Völlig in sich versunken und verträumt tanzte Sean-Patrick hinter seinen Keys zu dem finalen Titel The Way Through A Bird’s Love, einem bewegenden Song, den Shawn mit seiner emotionalen Stimme untermalte. You guys are fucking awesome. It was a long way to get here. See you next time, cheers.” Damit endete das knapp 40-minütige Set der extravaganten Kanadier. In den nächsten Monaten ist das Duo noch mehrfach in Deutschland zu sehen. So spielen die Traitrs unter anderem am 11.05.2023 im Oberhausener Kulttempel. Diese Chance sollte man durchaus beim Schopfe packen und sich die beiden (noch)mal in gemütlicher Clubatmosphäre ansehen.

Setlist TRAITRS – Oberhausen, Turbinenhalle (31.03.2023)

01. Oh Ballerina
02. Mouth Poisons
03. Still From Her Sores
04. Magdalene
05. The Lovely Wounded
06. The Suffering Of Spiders
07. Thin Flesh
08. The Way Through A Bird’s Love

Weblinks TRAITRS:

Facebook: www.facebook.com/traitrs
Instagram: www.instagram.com/traitrsofficial

In der knackig kurzen Umbaupause stieg die Vorfreude bei den Fans deutlich an. Um mich herum waren einige Wiederholungstäter, die bereits bei einigen Konzerten der aktuellen Tour dabei waren. Als das Licht erlosch und sich die ersten Klänge der aktuellen Single Before The Rain in der Halle ausbreiteten, setzte kräftiger Applaus ein. Auf den Leinwänden erschienen weiße Buchstaben „VNV Nation – Electric Sun Tour 2023“. Ronan Harris meldete sich zu Wort: „Seid ihr bereit, Oberhausen?“ Eine beeindruckende Lichtshow nahm ihren Lauf. Auf die opulenten Stellwände wurden in kräftigen Farben diverse grafische Elemente projiziert. Dazu tauchten unzählige Strahler die Bühne in ein behagliches Licht. Mit sanfter Stimme sang Ronan „A moment staged for us, until we turn to dust” und strahlte seine Fans an. Er gab kleine Handzeichen, winkte bekannten Gesichtern im Publikum zu und ließ seinen Blick auf die beachtlich gefüllte Empore wandern. An den E-Drums fiel sogleich ein neues Gesicht auf: Jan Schnoor hatte nun die Aufgabe des Drummers inne. Hinter den Keys waren weiterhin André Winter und David Gerlach aktiv.

In flüssigem deutsch plauderte der gebürtige Ire drauflos „Ich habe so gute Laune. Wir haben heute ein volles Programm für euch, neu, sowie alt, alles. Aber heute geht es um Party, ums Tanzen, Mitsingen. Seid ihr dabei? Jetzt kommt meine nervige Ansprache. I don’t care, if you don’t like it. Die Leute hinter dir haben keine Karten gekauft, um auf deinen scheiß iPhone Bildschirm zu schauen. Ich meine das nicht böse, ganz ehrlich. Hab bitte ein bisschen Respekt vor den Zuschauern hinter dir. Halte die Kamera einfach vor deine eigenen Augen. Wir passen aufeinander auf.” Mit Primary war die riesige Tanzfläche eröffnet. Ronan hielt sich an diesem Abend zumeist am Bühnenrand auf und war stimmlich in bester Verfassung. „Keep it going.“ Seine Ermunterung zu The Farthest Star wurde erhört, die Menge blieb in Bewegung. Seitdem das letzte Album Noire erschienen ist, läuft der Clubhit When Is The Future regelmäßig auf den Szeneparties. Allzu gerne stürmt man hierzu auf die Tanzfläche. Live wechselte sich der Fronter nun munter stimmlich mit den Fans ab. Retaliate und Chrome heizten die Stimmung weiter an. Liebe Leute, tut ihr mir einen Gefallen? Schreit ihr nochmal?“ Selbst David konnte hinter seinen Keys nicht mehr stillstehen und setzte sich vergnügt in Bewegung.

„Wow, wow, wow, wow! Aber wir haben noch mehr. Noch etwas Neues?“ Aber klar. Artificial löste beachtlichen Jubel aus. Ronan selbst tanzte befreit und ausgelassen zu seinem musikalischen Neuling. Dieser kam mit ordentlich Wumms, aber auch einer sagenhaft schönen Melodie daher. „Gefällt’s?“ Seine Frage war rhetorischer Natur, sprachen die begeisterten Gesichter doch Bände. Nachdem der Kracher Control die Partystimmung weiter heraufbeschwor und diese Mister Harris ein euphorisches „Fuck yeah!“ entlockte, wurde es mit einem wahren Schmuckstück aus dem Jahr 2000 melancholisch: Further. At the end of days, at the end of time. When the sun burns out will any of this matter? Who will be there to remember who we were? Who will be there to know that any of this had meaning for us?” Voller Gefühl sang Ronan seine Zeilen und das Publikum tat es ihm ebenso nach. Der Gemütswechsel hallte noch sichtlich nach. „Danke sehr. Uuuuh, dramatische Pause? Spannung. This is ,Homeward’.“ Verträumte Melodien setzten ein und diese ganz besondere Spannung in der Halle blieb erhalten.

„This is ,God Of All’, fuck, I love this song!” Enthusiastisch wurde auch dieser Song gefeiert. “Ihr seid großartig, ganz ehrlich!” Ein weiteres neues Werk bekamen wir mit Invictus dargeboten – einem Midtempo Song, bei dem Ronan eine Faust emporstreckte und einen Moment lang in dieser Position verweilte. Es bereitete ihm sichtlich Freude, uns endlich seine neuen Stücke präsentieren zu dürfen. EBM-lastig wurde es folgend mit Immersed. „Liebe Leute, macht eine Tanzfläche. Hände runter! Ihr habt etwas zu tun.“ Soweit es der spärliche Platz um einen herum zuließ, bewegte man sich zu den fordernden, dunklen Beats. „Jetzt brauchen wir eine große Tanzfläche! Runde zwei!” Dazu stieß Ronan einen heftigen Urschrei aus, der auch dem letzten Tanzmuffel Beine machte. Alle Arme schnellten beim Refrain des Titels Resolution in die Höhe, sowohl Ronan, als auch David zeigten sich sichtlich beeindruckt von diesem Anblick. Erneut stimmten die Fans engagiert mit ein. „Your spirit can’t be broken.” Diese Zeile repräsentierte den Stellenwert, den VNV stets hatten und vermutlich immer haben werden. „Was für eine schöne Stimme habt ihr? Seid ihr happy?“ Dies sollte auch weiterhin so bleiben, denn mit Prophet lernten wir gar noch einen nagelneuen Song kennen. Und dieser hatte es ebenfalls in sich. So kam dieses Stück eingängig und perfekt tanzbar daher. Schon verschwanden VNV Nation kurzerhand von der Bühne.

Aber selbstredend wurden noch lautstark Zugaben eingefordert. Nun wurde Ronan ganz ernst. Man merkte sofort, dass ihn dieses Thema sehr bewegte. Zu dem nächsten Song, den er einst für sich selbst geschrieben habe, hielt er eine inbrünstige Rede: “It has to do with being 15, 16 or 18. The thing is, when I wrote this song, I never anticipated, that I would get so many messages from young people, who were afraid to talk to anybody, who said that they wanted to kill themselves. Then we talked it through and somehow, they found a way to get through it and live further. We have all been there. We have all known the dark thoughts and all I say is this. I don’t give a fuck, what you think of any generation. This generation is a media invention who break people apart. They are an illusion. I want you to understand, that every teenager out there is going through the same shit, that you went through. So please, reach out and tell them you understand, because everyone has a right to get through this years and see the rest of their lives and change this fucking world for a better place. That’s all I want. Everyone in this room understands, what this next song is about. Let’s sing it.” Es folgte Illusion. Bedächtig und berührt setzte der 2.900 stimmige Chor mit ein. Dieser entfachte seine Wirkung. So deutete uns Ronan mit einer Geste seine soeben entstandene Gänsehaut an.

Für die alten Fans: This is ,Solitary‘. Dieser Song wird seit 25 Jahren gesungen. Dieses Lied ist mein Antrieb! Es ist mir scheißegal, ob ihr es kennt oder nicht. Bewegt euch!“ Gedanklich driftete ich kurz in das Jahr 2000 ab, in dem ich VNV Nation erstmals live sah. Für einen Augenblick stand ich am späten Nachmittag im Hangar der M’era Luna Festivals und zeigte mich beeindruckt von dieser genialen Band. Glücklicherweise hat sich diese Faszination wacker gehalten. Nach einem weiteren Klassiker (Darkangel) entschwanden die Musiker erneut der Bühne. Schluss war aber dennoch nicht. Oberhausen machte nochmal Krach und ein letztes Mal kehrten VNV Nation an diesem Abend für uns zurück. “Habt ihr noch Lust und Kraft? Aber nur, weil ihr das wollt. Lasst mich die Band vorstellen. Seit 2004 arbeite ich bei jeder Produktion mit André Winter. Ist ‘n geiler Typ, ne? If you‘re a musician, watch this guy! He is one of the best drummers, I’ve ever worked with. Absolutely fucking amazing. This is Jan Henrik Schnoor. Er ist wirklich wie ein fucking Metronom. This is David. Wir arbeiten auch ganz oft zusammen. Weißt du, warum?“ David stimmte Illusion in einer lässigen Jazzversion an „und jetzt rückwärts.“ Lachend ging es weiter.

Zu Nova ermunterte uns Ronan, unsere Handytaschenlampen anzuschalten. „Wir bauen ein Lichtermeer.“ Leidenschaftlich und mit ganz viel Herz sang er seinen Hit für uns. Gerührt fügte er hinzu „Ich hab euch ganz doll lieb!“ Finale mit All Our Sins. Die Halle klatschte, während die Bühne in Dunkelheit getaucht wurde. Einzig ein Lichtstrahl hinter Ronan erleuchtete. Jan Henrik trommelte auf große, akustische Toms ein – Dramatik pur! Und wie immer, lief mir bei diesem Meisterwerk ein Schauer über den Rücken. Als die letzten Töne ausklangen, war es an der Zeit, Abschied zu nehmen. „Wo wir stehen, sehen wir, dass ihr bis zum Ende der Halle tanzt. Was für ein Kompliment. Vielen Dank von mir, von André, von Jan Henrik, von David, mein Name ist Ronan.“ Zum Schluss ließ er es sich nicht nehmen, eine Lanze für Vorbands zu brechen. Er bat uns darum, uns stets die Support Acts anzusehen und vor allem deren Merch zu kaufen. Sie haben es verdient, unterstützt zu werden. Zudem bedankte er sich für die Teilhabe der Traitrs. Diese waren auch am Merchstand zugegen und standen für persönliche Signaturen und coole Selfies zur Verfügung.

An diesem Abend haben uns die Lightshow und das fantastische Konzert mit der fein auserlesenen Setlist unser Gemüt aber auch unser Herz erwärmt. Anfang Mai stehen noch vereinzelte Nachholkonzerte  von VNV Nation samt der Traitrs an. Wer diese Tour noch nicht besucht hat und noch zögert… vereinzelte Resttickets sind noch zu haben. Nutzt gerne diese Gelegenheit. Zu dem Zeitpunkt haben wir uns auch längst mit dem Electric Sun Album vertraut gemacht. Wäre das nicht auch ein wunderbarer Anreiz, als Wiederholungstänzer vor Ort zu sein?

Setlist VNV NATION – Oberhausen, Turbinenhalle (31.03.2023)

01. Before The Rain
02. Sentinel
03. Primary
04. The Farthest Star
05. When Is The Future?
06. Retaliate
07. Chrome
08. Artifice
09. Control
10. Further
11. Homeward
12. God Of All
13. Invictus
14. Immersed
15. Resolution
16. Prophet
17. Illusion (Z)
18. Solitary (Z)
19. Darkangel (Z)
20. Nova (ZZ)
21. Beloved (ZZ)
22. All Our Sins (ZZ)

Weblinks VNV NATION:

Homepage: www.vnvnation.com/
Facebook: www.facebook.com/VNVNation
Instagram: www.instagram.com/vnvnationofficial

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