Interview: SCHATTENMANN

Fotos: M’ERA LUNA 2018 – Bands Sonntag (12.08.2018)
Schattenmann © Sandro Griesbach
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Pyroshow um 11 Uhr morgens? Im Hause Schattenmann gar kein Problem. Überhaupt hatte sich beim diesjährigen Sonntag des M’era Luna Festivals bereits zu früher Stunde ein beachtliches Publikum versammelt, um den NDH-Klängen von Schattenmann zu lauschen und deren gelungene Bühnenshow zu begutachten. Wir haben die Gelegenheit ergriffen, uns nach der Show am Nachmittag einmal mit Frank Herzig, dem Sänger und Mastermind der Band zusammenzusetzen und über den Auftritt, das aktuelle Album und seine Themen, kommende Shows und vieles mehr zu sprechen.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Der Auftritt liegt jetzt schon ein paar Stunden zurück. Wie hast Du ihn empfunden?
Es war einfach nur der Wahnsinn. Die Stimmung, die Leute, die Energie und das um elf Uhr morgens. Unfassbar. Wir haben nicht mit einer derartig guten Stimmung und derart positiven Reaktionen gerechnet.

Welchen Stellenwert hat dieser Auftritt für Euch? Ihr habt Euch ja erst vor ca. zwei Jahren überhaupt gegründet und das ist hier eines der größten Festivals der Szene.
Das Festival an sich war für uns – schon als die Buchung kam – der Ritterschlag. Ein lang gehegter Traum der Band ging dadurch in Erfüllung. Dementsprechend hoch ist auch für uns der Stellenwert des Konzerts und des M’era Lunas generell. Ein ganz tolles Erlebnis und ein ganz tolles Festival. Ich hatte ja die große Ehre, mit Stahlmann schon mal hier gewesen zu sein und jetzt mit Schattenmann ist das noch einmal mehr besonders.

Du warst mit Stahlmann hier, jetzt bist Du selber der Frontmann. Wie hat sich der Unterschied angefühlt?
Es hat beides einen ähnlichen Charakter. Man steht erst einmal auf dieser Bühne, was an sich schon toll ist. Tatsächlich is es aber so: Wenn man als Sänger mit den Leuten agiert und auch verbal seine Message in den Songs rüber bringt, ist das noch einmal etwas ganz anderes. Ich empfinde das als etwas nackter vorm Publikum, etwas intimer. Man hat kein Instrument, hinter dem man sich verstecken kann. Das ist schon eine tolle Erfahrung. Ich möchte das Sänger-Dasein nicht missen.

Ihr hattet ja auch noch eine Autogrammstunde hinterher. Hast Du da auch direkt Feedback zur Show bekommen? Ich habe nur die lange Schlange selbst nach einer halben Stunde noch gesehen…
Ja, ich war auch total baff. Die Leute waren total aus dem Häuschen und begeistert. Es kam total positiver Zuspruch, weil Schattenmann ja auch ein Thema ist. Wir haben in den Clubs durch unsere UV-Show und die besondere Lichtshow unser Markenzeichen, da haben sich viele gefragt: „Was passiert denn jetzt bei Tageslicht? Was passiert um 11 Uhr morgens auf dem M’era Luna? Gibt es eine andere Show? Gibt es eine ähnliche Show? Gibt es die gleiche Show? Funktioniert die dann auch?“ Ich glaube, wir konnten ziemlich viele Leute positiv überraschen mit dem, was wir uns einfallen lassen haben. Es sorgte generell für gute Resonanzen.

Wie bereitet man so eine Show vor? Es sind nur 20 Minuten, es ist 11 Uhr morgens, Du weiß nicht: Wer ist wegen Dir da? Wer ist nur neugierig?
Wir haben uns überlegt: Worauf haben wir Bock? Welche Songs wollen wir gerne spielen? Was glauben wir, was gut in 20 Minuten passt? Man möchte natürlich auch in 20 Minuten eine große Bandbreite präsentieren. Das stellt einen als Künstler vor eine immense Herausforderung, zu sagen: „Wir haben zwölf Titel auf dem Debüt, welche spielen wir jetzt davon in diesen knappen 20 Minuten?“ Das war nicht einfach. Als die Setlist stand, haben wir uns Gedanken um die Show gemacht und haben die mit dem Team durchgesprochen. Tatsächlich kannst Du so eine Show nur trocken üben. Du kannst nirgendwo Flammen, Funken und Explosionen zünden, das funktioniert nicht. Da war die Crew wirklich top, es hat super funktioniert und es lief bis auf ein paar Kleinigkeiten alles so, wie wir es abgesprochen hatten.

Interview: SCHATTENMANN
Schattenmann © Sandro Griesbach

Was waren das für Kleinigkeiten?
Zum Beispiel, dass ich den Schalter von der Kettensäge erst einmal nicht gefunden habe und ein paar Sekunden zu spät war. Aber ich glaube, das hat keiner gemerkt.

Nee, generell waren die Augen überhaupt erst einmal auf die Kettensäge groß.
So kleine Timing-Geschichten passieren dan schon noch, aber das hat man immer. Die perfekte Show gibt’s ja nicht. Das wäre ja auch schade, dann wäre der ganze Live-Charakter dahin.

Ich glaube, der einzige Vorteil der frühen Show war zumindest, dass Ihr alle Zeit der Welt für den Soundcheck hattet.
Nein, tatsächlich nicht. Ganz im Gegenteil. Der Headliner baut ja immer schon vorher auf und wir hatten wie jede andere Band anderthalb Stunden vor dem Konzert die Möglichkeit, unser Material aufzubauen. Bis um 09:40 Uhr durften wir auf die Bühne schieben, um 10:00 Uhr wurde das Infield eröffnet. Da hatten wir schon das Glück, dass wir einen Song mal kurz so zwei Minuten anspielen durften. Das ist der einzige Vorteil, aber ansonsten ist das gleiches Recht für alle, da müssen alle durch. Da muss man einfach flitzen.

Ihr seid aktuell ja auch nach wie vor unterwegs, um das Album zu promoten. Ich hoffe, Du  bist noch nicht müde, darüber zu sprechen…
Nein, um Gottes Willen. Das ist ja noch jung. Es ist ja gerade einmal fünf Monate alt.

Es hat den Titel Licht an. Würdest Du sagen, dass das ein programmatischer Titel ist, weil es eben das Debüt ist?
Ja, tatsächlich. Es kommt so ein bisschen natürlich auch vom Song Licht an, der stellvertretend für unsere UV-Show ist. Das Licht geht an, das Licht geht aus und unsere eigentliche UV-Zeichnung in dem Schattenmann-typischen Neongrün wird sichtbar. Da ist dieser Titel natürlich dafür prädestiniert, Schattenmann darzustellen. Einmal bei Tag, bei Licht an, und einmal im Verborgenen, im Dunkeln, bei Licht aus. Und auch, um zu sagen: Das ist der Titelsong des Albums, den gab es ja auch als Video und als Single. Wir fanden das Thema „Schattenmann ist da! Spot on, Licht an, hier sind wir, das ist unser Debüt“ auch sehr pragmatisch und passend.

Ich habe mir das Album vor dem Interview natürlich auch angehört. Ich finde, es sind sehr viele verschiedene Thematiken, die darauf angesprochen werden. Wo nimmt Du die Themen her? Was inspiriert Dich dazu?
Das ist immer ganz unterschiedlicher Natur. Es sind, wenn man es global sieht, Dinge, die uns bewegen, die auch mich bewegen. Seien es zwischenmenschliche Beziehungen, wovon zum Beispiel AMOK handelt oder Brennendes Eis, das von verlorener Liebe oder alter Jugendliebe handelt… Was dann vielleicht auch wieder aufflammt, Sehnsüchte, die man gerne stillt. Die Reise, persönlich endlich anzukommen, wovon Gekentert handelt – die Person zu finden, an der man dann auch kentern kann. Also ganz viele Alltagsdinge. Auch in Generation Sex, das ist eine absolut kritische Nummer, auch eine sehr provokative Nummer. Das sind Themen, die aus dem Alltag kommen.

Du hast das Provokative jetzt schon erwähnt. Du meintest, K wäre eher auf einer zwischenmenschlichen Ebene. Ich selbst musste an den Amoklauf in München vor anderthalb Jahren denken…
Nein, um Gottes Willen. So ist AMOK nicht gemeint. AMOK ist eigentlich ein Hilferuf. Der Refrain handelt ja davon: „Ich laufe AMOK! Halt mich auf, halt mich fest, wenn es in mir explodiert.“ Also bevor es eskaliert, das ist der Tenor des Refrains. Es geht um das innere Sich-Aufheizen, Sich-Aufregen, das innere Amok-Laufen. Davon handelt es, dass jeder Freunde und Menschen in seinem Leben braucht, die einen auffangen, wenn man in einer verqueren oder für sich selbst desaströsen Lage ist. Es ist ein Hilferuf. Die Thematik geht genau in die andere Richtung.

Interview: SCHATTENMANN
Schattenmann © Sandro Griesbach

Es wurde natürlich ein reißerischer Titel gewählt zu einem Thema, auf das die Menschen sensibilisiert sind.
Richtig. Aber das ist ja auch das Schöne an dem Titel, dass ich denke: Du machst die Menschen wach. Ich glaube, dass es viele Menschen gibt, die eben keinen zum Reden haben, die eine starke Schulter bräuchten. Davon handelt dieser Titel. Vielleicht wären viele Dinge dann auch gar nicht so weit gekommen, wie sie gekommen sind. Das weiß man nie. Ich verurteile das natürlich zutiefst, das geht  gar nicht. Keine Frage, dass ich mich von sowas grundsätzlich distanziere. Deswegen aber auch der Song, weil ich der Meinung bin: Leute, hört Euch doch mal alle ein bisschen zu. Seid füreinander da, seid nett, dann kann man vieles von vornherein auch deeskalieren.

Du hast auch schon Generation Sex erwähnt. Warum war es Dir wichtig, so einen Titel zu machen?
Ich glaube, wir verrohen in der Gesellschaft ein Stückchen. Wenn man zurückguckt in Zeiten, in denen ich auch groß geworden bin, was es da an Möglichkeiten gab… Heutzutage ist alles sofort greifbar, klickbar, wir haben einen wahnsinnigen Informations- und Datenfluss in der gesamten Gesellschaft. Ich glaube, dadurch stumpfen wir ein bisschen ab. Generation Sex hat einen sehr provokanten Text, der das Abstumpfen und Verrohen der Gesellschaft darlegt. Und ich glaube auch, dass dadurch, dass beispielsweise Pornographie für alle leicht zu greifen ist, auch für junge Heranwachsende, die ihre Erfahrungen machen – denen wird etwas vorgelebt, was sie gar nicht mehr selber erfahren und erspüren können. Der Song soll ein bisschen wachrütteln.

Meinst Du schon, dass sich das in den letzten Jahren gewandelt hat? Ich denke manchmal, dass die Menschen früher auch versaut drauf waren, nur dass es halt heute jeder auf Facebook postet…
Ja, das meine ich damit. Das ist natürlich auch richtig, aber dieses Abgestumpfte merkt man finde ich schon. Ich finde, auch gerade der Umgang mit Sexualität und dem Ganzen… Durch meinen Job als Gitarrenlehrer, den ich neben der Tätigkeit mit Schattenmann noch zwei Tage die Woche ausübe, kriege ich das mit. Ich bin ja unmittelbar an der Teenager-Generation dran und sage es ganz salopp: Wenn die Kids sich unterhalten und man ein bisschen an deren Leben teilhat… Die erzählen mal was, kommen auch mal zum Konzert – man hat Kontakt, das ist als Musiklehrer ein ganz cooles Verhältnis und nicht so ein typisches Schulverhältnis. Da hat man auch das Gefühl, dass die Kids durch diese Greifbarkeit und die Medien unter einem gewissen Leistungsdruck stehen. Immer verfügbar, immer erreichbar, alles muss schnell gehen, alles muss der Superlativ sein. Ich habe noch mehr Likes auf meinem Foto, ich bin noch besser, ich will das Größte, das Schönste, das Tollste, das Schnellste. Das ist eine Endlos-Spirale. Im Endeffekt übersetzt Generation Sex genau das. Eben auch in dieser abschreckenden, provokanten, auch überzogenen Sprache.

Das ist denke ich ein Thema, das sich auch auf andere Lebensbereiche beziehen lässt.
Sicher, absolut.

Interview: SCHATTENMANN
Schattenmann © Sandro Griesbach

Ich sehe es selbst, wenn ich S-Bahn fahre und dann eine Vierergruppe einsteigt, bei der alle nur auf ihr Smartphone starren.
Ganz genau!

Ein anderer Titel auf dem Album ist Krieger des Lichts. Wer sind diese Krieger des Lichts? Was machen Sie?
Krieger des Lichts sind Leute, die mit reinem Gewissen und gutem Herzen füreinander einstehen. Krieger des Lichts sind Menschen eines ganz besonderen Schlages. Wir krönen auch live immer einen Krieger des Lichts, indem wir einen aus dem Publikum rausholen, der dann auf der Bühne zum Krieger des Lichts geschlagen wird. Natürlich: Schattenmann, Krieger des Lichts… Das passt super. Meine Überzeugung und die Intention dabei, das zu schreiben, war: „Hey Leute, es ist manchmal nicht einfach, aber steht doch füreinander ein. Ihr seid die Krieger des Lichts. Hört drauf, was Euer Herz Euch sagt und handelt auch nach dem. Seid fair, steht füreinander ein, kämpft für Eure Ideale.“

Auch Gekentert ist mir aufgefallen. Erstmal das Stück an sich, aber auch, dass es zweimal auf dem Album zu finden ist. Einmal die normale Version, dazu die Akustik-Version. Warum war es Dir wichtig, diese zweite Version mit auf dem Album zu haben?
Die zweite Version entstand als erstes visuelles und akustisches Lebenszeichen von Schattenmann. Da gibt es auch ein schönes Self-made-akustik-Video dazu, das wir Weihnachten 2016 rausgebracht haben. Es war Weihnachten, wir haben uns überlegt, was zu machen und wollten der Zeit angemessen etwas Akustisches machen. Dann kam mir Gekentert in den Sinn. Ich fand das Arrangement schön und dachte mir, warum wir das Ding nicht auf mit aufs Album nehmen. Ursprünglich war das nur für das Video gedacht, aber der Song hat so eine unglaubliche Kraft, die sich auch in der langsamen Version geil anfühlt. Er hat zwei wunderschöne Seiten, deswegen gibt es ihn auch auf zwei Art und Weisen auf dem Album.

Das Album ist jetzt schon einige Monate draußen. Wie hast Du die Resonanzen darauf empfunden?
Musik ist Kunst und über Kunst lässt sich bekanntlich streiten. Du hast Leute, die finden es total toll, Du hast Leute, die finden es okay und Du hast Leute, die sagen „okay, ist nicht meins“. Das muss aber auch so sein, denn nur dadurch wird unsere Welt bunt. Das finde ich schön. Viele verschiedene Geschmäcker ergeben am Ende eine schöne bunte Welt. Ich bin mit den Reaktionen durchweg… Ich möchte nicht sagen zufrieden, das klingt irgendwie doof… Ich bin überrascht über soviel positiven Zuspruch. Lass es mich so formulieren. Und was mich jedes Mal wieder begeistert und wirklich auch berührt ist, wenn Leute (die ich teilweise vorher noch nie irgendwo gesehen habe) die Songs mitsingen, weil ich damit was in den Menschen bewegt habe, dass sie sich damit identifizieren und wenn die Leute kommen und sagen, dass sie den Song toll finden. Oder, wie es kürzlich war, wenn jemand sagt, dass man ihm mit einem Song echt geholfen hat, der sagt „ey, mir ging es echt scheiße, ich hab die Nummer gehört und mir ging es gleich ein Stückchen besser.“ So etwas bewegt mich. Das sind die Reaktionen, die mich sehr stolz machen, die uns als Band unfassbar glücklich machen und für die sich dann dieser ganze Aufwand lohnt, weil es immer noch darum geht, Musik zu machen und den Leuten Freude zu bereiten.

Ist mir heute auch aufgefallen, dass da sehr textsichere Leute mit dabei waren.
Absolut. Und ich war wieder überrascht!

Das war es fast mit meinen Fragen. Wir haben über das Album geredet, über das Festival… Wie geht es denn weiter? Was sind die Pläne für die nahe und ferne Zukunft?
Wir sind schon wieder fleißig dabei, Songs zu schreiben. Wir sind dabei, Ideen zu sammeln und für das nächste Album zu musizieren. Jetzt steht auch noch live die Tour als Support für Feuerschwanz an. In Oberhausen haben wir am 27.10. unsere zweite Headliner-Show im Kulttempel. Nächstes Jahr wird es dann noch einmal richtig sportlich und ernst für uns: Wir gehen Mitte Februar bis Ende März auf Headliner-Tour in allen größeren Städten. Und ja, wir gucken mal, was dabei rumkommt. Ich würde mich auf jeden Fall freuen, wenn Ihr da draußen alle vorbeikommt!

Weblinks SCHATTENMANN:

Homepage: www.schattenmann.net
Facebook: www.facebook.com/schattenmannband
Twitter: www.twitter.com/_schattenmann_

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