Für einen Festival-Auftritt von Kalifornien rüberfliegen? Ein ganz schöner Aufwand, könnte man sagen. Das dachte sich vermutlich auch Daniel Graves, der mit seiner Aesthetic Perfection daher nicht nur beim Amphi Festival in Köln spielte, sondern um die Show beim Festival herum auch noch eine kleine Tour mit drei weiteren Shows aufbaute. Die Haltestellen dabei: München, Berlin, Dresden. Im Gegensatz zur großen Festival-Bühne standen hierbei kleinere Clubs auf dem Programm. Wir machten uns auf, den Tourauftakt in München anzuschauen, bei dem die Band im recht kleinen Backstage Club eine ansehnlich große Menge sehr gut unterhalten konnte.
Als Opener um 21 Uhr aber erst einmal Controlled Collapse, die den Weg aus Polen angetreten haben, um Aesthetic Perfection auf ihrer Tour zu begleiten. Eine gute Wahl, wie sich schnell zeigte. Auch Controlled Collapse bedienen Elektro der härteren Sorte, mal druckvoller, mal getragener, aber immer ohne Kompromisse. Unterschied zu Aesthetic Perfection war hier vor allem die Besetzung, denn es war ein komplettes Live-LineUp zu sehen inkl. Gitarre. Der Gesang war dabei zwischen Melodie und Aggression anzusiedeln, was ebenfalls gut zum Hauptact passte. Insgesamt waren es gute 40 Minuten, die Controlled Collapse spielte, hier und da wirkte es lediglich etwas gleichförmig. Dennoch ein gelungener Auftritt und ein mehr als würdiges Aufwärmprogramm für das, was noch kommen sollte.
Setlist CONTROLLED COLLAPSE @ München, Backstage Club (19.07.2016):
01. Create The Change
02. Dzien Sadu
03. Choice
04. Unhappy
05. Change The World
06. Scream And Shout
07. Liar
08. Lust
09. Pain
Ein wenig Umbau, kurze Verschnaufspause, ein kühles Getränk geholt und schon war es um 22 Uhr soweit, dass Aesthetic Perfection die Bühne betraten. Hier ging es mit A Nice Place To Visit auch direkt in die Vollen und man merkte, dass sowohl die Band sich auf das Publikum als auch das Publikum auf die Band gefreut hat. Der harte Elektro irgendwo im Großbereich EBM und Aggrotech kombiniert mit seiner ganz eigenen Note konnte begeistern und der Backstage Club war in Bewegung, wie man auch beim folgenden Schadenfreude beobachten konnte. Es dauerte nicht lange, bis auch LAX folgte, das derzeit in den Deutschen Alternative Charts für Furore sorgt und die Pole Position erklimmen konnte. Den Reaktionen in München nach zu urteilen hätte man es vorhersehen können.
Überhaupt merkte man, dass es der Band inzwischen durch und durch gelungen ist, in der hiesigen dunkelelektronischen Szene Fuß zu fassen. Eine Nummer wie Antibody mit seiner Mischung aus Aggression und Eingängigkeit konnte genauso begeistern wie der inzwischen Beinah-Klassiker The Ones, der mit seinem mittleren Tempo eher zu den ruhigeren Stücken der Band gehört. Mitunter wirkt es fast skurril, wenn die Menge Textzeilen wie „The worst great depression is my life“ aus The Great Depression feiert, aber man sieht eindrucksvoll, wie sehr Aesthetic Perfection inzwischen hierzulande Fuß gefasst haben.
Man wird es längst herausgelesen haben: Der Auftritt der Mannen um Daniel Graves in München war ein voller Erfolg. Eine Show, der man keine Vorwürfe machen kann. Hier hat alles gepasst. Einziger Kritikpunkt wäre wohl: Man hätte gerne länger spielen können. Nach Spit it Out an zwölfter Stelle folgte zum Abschluss als Piano-Ballade Devotion (ursprünglich als Necessary Response veröffentlicht, später als Aesthetic Perfection auf Blood Spills Not Far From The Wound erneut erschienen). Dafür aber hatte man eine Show ohne Schwachstellen, die wenige Wünsche offen ließ. Der offenste Wunsch dabei war vermutlich der, die Band baldigst wiedersehen zu dürfen.
Setlist AESTHETIC PERFECTION @ München, Backstage Club (19.07.2016):
01. A Nice Place to Visit
02. Schadenfreude
03. Inhuman
04. LAX
05. Antibody
06. Big Bad Wolf
07. Vapor
08. The Ones
09. Never Enough
10. The New Black
11. The Great Depression
12. Spit it Out
13. Devotion