AMPHI FESTIVAL 2016 TAG 1 – KÖLN, TANZBRUNNEN (23.07.2016)

Fotos: AMPHI FESTIVAL 2016 – Bands (23.07.2016 ab 16:30 Uhr)
Tarja, © Markus Hillgärtner
Geschätzte Lesezeit: 4 Minute(n)
Weitere Berichte im Festivalbereich: AMPHI Festival

Das Dutzend ist voll – und wieder zuhause! Durchaus unerwartet zog das Amphi Festival nach nur einem Jahr in Kölns größter Multifunktionshalle zurück an den Tanzbrunnen. Da die altehrwürdige wie damals viel kritisierte Sauna namens Staatenhaus nicht mehr bespielbar war, wurden einige Künstler auf die konzerterprobte MS RheinEnergie verfrachtet. Das Schiff, welches direkt am Gelände anlegte, fungierte somit neben der Mainstage und dem Theater als dritte Bühne namens Orbit Stage – mit dem besonderen Flair am Oberdeck inklusive tollem Rhein-Panorama. Hier durften vor allem die Künstler ran, die stilistisch stark vom sonstigen „Schwarze-Szene-Festival-Einheitsbrei“ abweichen.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

So richtig ging die Post aber wie gewohnt direkt am Brunnen ab. Nach deftigen elektronischen Klängen von X-RX und Solitary Experiments kamen die Freunde Neuer Deutscher Härte in den Genuss zweier bekannter Namen. Nach den wie gewohnt soliden Megaherz sorgte dann die Rammstein-Coverband Stahlzeit für die ersten lauteren Mitsingchöre des Tages. Auch showtechnisch passte sich das Sextett dem weltbekannten Vorbild an, bei Mein Teil landete Keyboarder Thilo Weber stilecht im mit Flammen beschossenen Kochtopf. Schade nur, dass Stahlzeit, die sonst unter dem Namen Maerzfeld auch eigene Songs spielen und veröffentlichen, fast nur auf Nummer sicher gingen und lediglich die größten Hits der Rammstein-Historie darboten.

Setlist MEGAHERZ @ Amphi Festival 2016
01. Zombieland
02. Fanatisch
03. Glorreiche Zeiten
04. Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
05. Miststück
06. Jagdzeit
07. Einsam
08. Heuchler
09. Für immer
10. Himmelsstürmer

Setlist STAHLZEIT @ Amphi Festival 2016
01. Bück dich
02. Du riechst so gut
03. Asche zu Asche
04. Mein Teil
05. Sonne
06. Waidmann’s Heil
07. Feuer frei!
08. Du hast
09. Ich will
10. Engel

Die erste schlechte Nachricht des Tages betraf dann die zweite Bühne im Theater, da One I Cinema ihren Auftritt aus Krankheitsgründen kurzfristig absagen mussten. Während also draußen schon kräftig musiziert und mitgesungen wurde, begann das Indoor-Programm somit erst gegen kurz vor 13 Uhr mit Angels & Agony. Komplett konträr zum Future-Pop-Sound der beiden Niederländer gestaltete sich im Anschluss der Auftritt von Dirk Ivens mit seinem Projekt Dive. Und bereits zu den unterkühlten wie klassischen Belgian-Electro-Industrial-Sounds merkte man, dass das Theater dem Staatenhaus in Sachen Wärmepotenzial in nichts nachsteht. Ivens selbst zog es dann auch vor, die zweite Hälfte seines gewohnt energetischen 45 Minuten-Sets mit nacktem Oberkörper zu spielen. Parallel dazu brachten die Bloodsucking Zombies From OuterSpace den Horror in den Punk und setzten damit alte Amphi-Traditionen fort. Schließlich spielt seit Jahren immer genau eine Band dieses Genres in Deutz auf. Deutlich ruhiger wurde es auf der MS RheinEnergie im Anschluss, als Laura Carbone ihren entspannt-träumerischen Auftritt eröffnete und beim Publikum ebenso mit einer intensiven Performance punkten konnte wie die nachfolgenden Lebanon Hanover, die das Schiff in düstere Sphären versetzten, allerdings leider bei hereinscheinendem Tageslicht. Der vielbeachtete Auftritt wusste zu gefallen, man darf aber hoffen, dass sie zukünftig in eher dunkleren Locations auftreten werden, da eine solche die Wirkung sicher noch weiter unterstützt hätte.

Vergleichsweise früh auf die Bühne ging es dann für den vielleicht größten Aufsteiger der letzten Jahre in Goth-Deutschland. Denn ebenfalls bereits in den Nachmittagsstunden begannen Mono Inc. auf der Mainstage ihr Set und spielten sich bei gewohnt großem Fan-Zuspruch durch ihr umfangreiches Hitprogramm. Arabia, Symphony Of Pain, Gothic Queen, Voices Of Doom – allesamt eine sichere Bank.

Ein seltener Gast auf deutschen Festivals ist hingegen Tarja Turunen. Die frühere Nightwish-Vokalistin legte den Fokus vor allem auf ihre eigenen Stücke und weniger auf Coversongs. Herausragend dabei: Die Version von Muses The 2nd Law-Opener Supremacy, bei der Tarjas hoher Sopran fast schon bedenklich nah an die berühmt-berüchtigte Kopfstimme von Matthew Bellamy herankam.

Setlist TARJA @ Amphi Festival 2016
01. Intro
02. No Bitter End
03. Never Enough
04. Demons In You
05. Calling From The Wild
06. Supremacy (Muse Cover)
07. Nightwish Medley
08. Innocence
09. Victim Of Ritual
10. Die Alive
11. Until My Last Breath
Einlassstopps sorgen für Enttäuschung und Wut

Wenige Meter weiter war die Stimmung aber mittlerweile als eher niedergeschlagen bis wütend zu bewerten. Und damit ist nicht der aggressive Gig von Pontus Stahlberg und Stefan „The Perfect Body“ Nilsson alias Spetsnaz gemeint, die Oldschool-EBM-Institution aus dem schwedischen Örebro produzierte den wohl größten Pit des gesamten Festivals. Aber: Im Theater kam es kurz vor dem Auftritt von Aesthetic Perfection zum ersten Einlassstopp. Eine Situation, die zu befürchten war, fasst das Venue doch deutlich weniger Zuseher als das Staatenhaus. Und wirklich entspannen sollte sich die Lage bis zum Headliner Front Line Assembly kaum. Manche verließen die immer länger werdende Schlange irgendwann wutentbrannt und hinterließen nicht unbedingt freundliche Kommentare auf der Facebook-Seite des Festivals, andere warteten bei schwül-warmen Temperaturen teilweise bis zu einer Stunde, um die beiden größten Electro-Acts des Tages aus Bochum und Vancouver sehen zu können. Eins vorweg: Wer so lange ausharrte, wurde belohnt.

Setlist SPETSNAZ @ Amphi Festival 2016
01. Nothing but black
02. Onwards
03. Degenerate ones
04. Allegiance
05. Freefall
06. Faustpakt
07. Kindred
08. ManGod
09. Apathy
10. Reign of Wolves
11. That perfect body

Auf der MS RheinEnergie blieb es derweil düster, denn Whispers In The Shadow feuerten die Atmosphäre mit ihrem Endzeit-Wave-Rock weiter an. Und auch Der Fluch gaben natürlich wieder alles um ihren Fans das Fürchten und Tanzen zu lehren. Mit einer energiegeladenen Show bereiteten sie das Parkett bestens für den Schiffs-Tagesheadliner Nosferatu vor, bevor das Schiff nach einem überzeugenden Goth-Rock-Auftritt weiterzog.

Sascha Mario Klein und Henning Verlage, besser bekannt als Neuroticfish, sorgten hingegen bis in die hinteren Reihen des proppevollen Theaters für beste Stimmung. Wake Me Up, Is It Dead, Suffocating Right, Agony – alte wie neue Songs der Future-Popper wurden lautstark mitgesungen und abgefeiert. Auch Front Line Assembly setzten im Anschluss voll auf Synthesizer und Drums, die gitarrenlastigen Stücke der Millenium-Ära schafften es allerdings nicht ins Set. Dafür aber die kein bisschen angestaubten Klassiker Resist, Mental Distortion, Neologic Spasm und natürlich auch viele Songs der letzten LP Echogenetic. Ein lauter, aber auch verdammt starker Abschluss im Theater!

Setlist FRONT LINE ASSEMBLY @ Amphi Festival 2016
01. Neologic Spasm
02. Killing Grounds
03. Blood
04. Resist
05. Plasticity
06. Deadened
07. Exhale
08. Mental Distortion
09. Ghosts
10. Mindphaser

Auf der Mainstage konnte man zum Tagesabschluss dann noch zwei echte Amphi-Urgesteine begrüßen und so fanden sich viele Zuschauer an der Open-Air-Stage ein um bei ausreichender Sicht auf das Bühnengeschehen Peter Heppner und Blutengel zu begrüßen. Sowohl Kultorgan Peter Heppner, der mit seiner Band neben persönlichen Solosongs auch insgesamt vier Wolfsheim-Titel im Programm hatte, als auch Chris Pohls Vorzeige-Projekt Blutengel in der Headliner-Position trafen mal wieder den Nerv der breiteren Masse, ließen diese abwechselnd schwelgen und tanzen und beim Auftritt der Berliner gab es passend zum großen Finale natürlich auch wieder einiges fürs Auge.

Setlist PETER HEPPNER @ Amphi Festival 2016
01. I Won’t Give Up
02. Alleinesein
03. Meine Welt
04. Vielleicht?
05. Being Me
06. Once In A Wolfsheim
07. Künstliche Welten
08. God Smoked
09. The Sparrows And The Nightingales
10. Leben… I Feel You
11. Wir sind wir
12. Kein Zurück
13. Das geht vorbei

Wer noch Lust auf ein Event der besonderen Art hatte, konnte dann selbst noch ein wenig Musik machen. Das im letzten Jahr aufgrund der Witterung abgesagte „Songwriting Interaktiv“ mit Welle:Erdball-Sänger Honey und Sängerin Lady Lila sorgte auf der MS RheinEnergie für mächtig Spaß bei Künstlern und Zuschauern. Das nachvollziehbarerweise noch etwas unfertig klingende Stück mit dem Namen Stirb mir nicht weg wurde dann am Sonntagmittag an Ort und Stelle „uraufgeführt“. Wem dann immer noch nicht die Füße qualmten, konnte bis 4 Uhr in der Früh auf der Aftershow-Party abzappeln.

Fotos Front Line Assembly: Daniela Vorndran
Fotos Whispers In The Shadow: Michael Gamon
Alle anderen Fotos: Markus Hillgärtner

More from Patrick Friedland

COMBICHRIST / WEDNESDAY 13 / NIGHT CLUB – Oberhausen, Kulttempel (03.08.2018)

Was macht der geneigte Musikfan, wenn er draußen den härtesten Sommer seit...
Read More