Es ist doch immer wieder gut, dass Teller einen Rand haben. Wie wäre es denn sonst schließlich möglich, über diesen Rand hinauszugucken? Ein Gedanke, der mir schnell beim Hören von Nils Wülkers Decade Live kam. Als einer, der wirklich vieles aus den unterschiedlichsten Richtungen hört, ist dabei dennoch der Jazz eine der Richtungen, die bis eher selten vorkommen. Und da war er nun in der Post, dieser Nils Wülker. Beziehungsweise sein zehntes Album mit dem passenden Namen Decade. Übrigens ein Live-Album, das erste des Künstlers, also ein Jubiläums-Album in Form einer Live-Werkschau. Aufgenommen in Essen, Nordhausen und Köln präsentiert Nils Wülker hier seine Vision von Jazz, die sich in einer entspannt-groovenden Spielweise äußert und die weit mehr ist als ein Live-Album um des Live-Albums Willen.
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Markenzeichen des Künstlers ist schon immer seine Trompete, die sich auch direkt im eröffnenden Conquering the Useless virtuos zeigt. Dynamische Bass-Patterns, Piano-Klänge, aber vor allem eben auch sehr gekonnte Trompeten-Läufe münden in einer entspannten und gleichermaßen bannenden Atmosphäre – dem Spezialgebiet Wülkers, wie sich auch im Fortlauf der Veröffentlichung zeigt. Aber auch andere Solisten dürfen hier gerne mal ihr Können zeigen, was auch das Gitarrensolo von Arne Jansen schon direkt im Opener zeigt. Auch im folgenden Stück You Cannot Imagine zeigt sich das Ganze alles sehr dynamisch. Pulsierende Keyboard-Klänge lassen sich mitunter fragen, ob man wirklich im Jazz ist. Natürlich ist man das, aber es ist eben auch abwechslungsreich, was in den bisherigen 13 Jahren der Karriere des Künstlers entstanden ist.
Auch wenn die künstlerische Entwicklung viele Facetten hervorbrachte – reduzierter Akustik-Sound hin zu greifbaren Stücken und auf dem Album On (2017) gar eingespielte HipHop-Beats – ist das Live-Erlebnis Nils Wülker doch eine sehr kohärente Angelegenheit. Das ist die große Stärke der Live-Scheibe: Sie vermittelt Abwechslungsreichtum, ohne auf einen roten Faden zu verzichten. Da passen dann zum Beispiel auch Ausflüge in Rock-nahe Gefilde gut hinein, wie es Five Arches gut zeigt. Eine nach vorne gehende Komposition, die statt Gesangslinie die virtuose Trompeten-Spur des Künstlers besitzt. Aber auch bei den überwiegend instrumentalen Klängen gibt es Stücke mit Gesang. Beispielsweise Season, eine melancholische Komposition mit viel Moll, dessen Gefühl durch Sänger Rob Summerfield gut untermauert wird.
Es sind viele Eindrücke, die einem auf diesem Live-Album begegnen. Einer Live-Aufnahme, die die Bezeichnung „Album“ dabei auch wirklich verdient hat. Mit fast 80 Minuten wurde hierbei auch die mögliche Spieldauer einer CD sehr gut ausgenutzt. Insgesamt kann man sich gut in den Klängen fallen lassen. Aber natürlich muss man, wie eigentlich immer, eine gewisse Ader für die Klänge haben. Für Genre-Puristen in ihrer Lieblingsmusik ist das sicher schwierig. Aber wer gerne mal den eingangs erwähnten Blick über den Tellerrand wagt, könnte hier wunderbare Klänge für sich entdecken!
Tracklist NILS WÜLKER – Decade Live:
01. Conquering the Useless
02. You Cannot Imagine
03. Wanderlust
04. Grow
05. Pull Of The Unknown Intro
06. Pull Of The Unknown
07. Dawn
08. Today’s Gravity
09. Safely Falling
10. Five Arches
11. Season
12. Circles
13. Prism
14. Stripped
Weblinks NILS WÜLKER:
Homepage: www.nilswülker.com
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