Aktuell auf Tour, mit der Vorab-Single auf Platz 1 der Deutschen Alternative Charts und mit Bastard ein neues Album, das bereit steht – ganz eindeutig: Bei Stahlmann geht es derzeit rund. Im Rahmen ihrer Show in München haben wir vor ihrem Auftritt die Gelegenheit genutzt, mit Sänger Mart ein ausführliches Gespräch zu führen. Dabei ging es um die Tour, Single und Album, das Genre Neue Deutsche Härte, warum Stahlmann eigentlich „NNNDH“ machen und vieles mehr.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Ihr seid jetzt ja schon ein paar Tage auf Tour. Wie war es bisher?
Tour ist immer super! Wir haben in Osnabrück angefangen und haben jetzt die ersten Shows durch und es war bisher super. Es gibt nichts zu motzen – das war ein super Klima, wir haben richtig gut gefeiert, das war alles cool.
Heute seid Ihr nun in München. Wie ist es für Euch, wieder hier zu sein?
München ist für uns schon ein bisschen Heimat. Wir haben hier immer richtig coole Konzerte gehabt und nehmen uns für München auch ein bisschen mehr Zeit, weil sich das hier immer etwas raus zieht. Oft fahren wir schon abends weiter, aber in München bleiben wir immer. Gerade im Backstage kann man immer noch super feiern. Das wird ein volles Haus und München ist immer toll.
Die letzten Male habt Ihr im Werk gespielt, jetzt ist es die etwas kleinere Halle. Ist das schlimm für Euch?
Eigentlich gar nicht. Es war von vornherein klar, als wir die Tour geplant hatten. Betontod waren schon im Werk geplant und die haben einfach vom Vorverkauf her schon einiges gehabt, bevor wir überhaupt angefangen hatten. Da war klar: Entweder nehmen wir eine andere Location für die Show oder wir spielen halt in der Halle. Und wir dachten: Wenn schon München, dann auch Backstage. Dann gehen wir halt in die Halle. Das war auch die ganz normale Entscheidung. Drüben ist es etwas komfortabler, dafür hast Du hier ein bisschen mehr das Hexenkessel-Feeling.
Kein Graben zum Beispiel…
Du bist näher an den Leuten. Klar, es passen etwas weniger Leute rein, aber das passt schon. Und wir haben uns gedacht: Okay, die Platte ist ja noch nicht da, dann ist das auch okay für uns. Das war von vornherein eine Absprache und keine Abstufung.
Hintergrund der Frage war, dass Ihr vor ein paar Jahren mal hier ursprünglich für die Halle geplant wart und dann ins Werk hochverlegt wurdet.
Das stimmt, ja. Da war es andersrum. Da waren wir relativ früh überverkauft und haben dann rüber ins Werk gewechselt. Das war diesmal nicht möglich. Aber wenn Du oft irgendwo gespielt hast, ist es ein bisschen wie zuhause. Man kennt die Leute, es ist einfach schön. Dann macht man auch nicht so viele Gedanken, wie viele Tickets denn nun verkauft wurden.
Du hast es gerade schon erwähnt: Das Album ist noch nicht draußen. Nun kam als Vorbote die Doppelsingle Bastard/Nichts spricht wahre Liebe frei. Warum fiel die Wahl auf diese Stücke als Vorboten?
Wir wollten tatsächlich mal was anderes machen. Wir dachten: Jeder rechnet damit, dass ein NDH-Brett kommt. Da war auch schon relativ schnell klar, dass wir als erstes Stück und erstes Video was anderes machen. Auch, weil nach sechs Jahren eben mal was anderes passieren sollte. Bastard war wiederum der Track, wo wir dachten, es ist der Track zum Album, da fiel die Wahl schnell drauf. Es gibt sicher viele Stücke auf der Platte, die das Potenzial für die Single hätten, aber die Plattenfirma war dann auch im Studio und wir waren uns da auch ziemlich schnell einig.
Deswegen fiel dann auch die Wahl, den Clip zu machen, auf das ruhigere Stück?
Genau. Es erwartet halt jeder von Stahlmann, dass die NDH-Nummer kommt. Das wollten wir diesmal anders machen. Gerade weil man anhand der Single immer schon eingeordnet wird. Am Anfang haben wir sehr viel Wert auf die tanzbare Geschichte und auf Club-Nummern gelegt. Dann hast Du sehr sehr schnell den Vergleich zu Rammstein und ähnlichen Bands. Diesmal hab ich gesagt: Okay, ich möchte eine Single und ein Video haben, was genau das nicht tut. Es war ja auch vorher so, dass es auch andere Stücke auf den Alben gab. Das ist wichtig. Nicht, weil es mich stört, weil jemand sagt „es klingt wie“, sondern einfach für mich, um nach den ganzen Jahren zu zeigen, dass es auch anders geht.
Du hast es gerade gesagt: Das Album wird auch ein bisschen an der Vorab-Single gemessen. Inwieweit würdest Du denn sagen, ist das Stück repräsentativ für das Album?
Eine Ballade ist natürlich nicht repräsentativ für die schnellen Stücke, das ist klar. Bastard hingegen ist schon die typische Stahlmann-Nummer. Ich glaub, das ist eine ganz gute Mischung. Wir haben tatsächlich viele Sachen ausprobiert und anders gemacht, um auch ein bisschen frischen Wind zu haben und vielfältiger und ein bisschen individueller zu werden bei einigen Sachen. Deswegen ist es auch cool, wenn man zwei Songs hat wie Bastard und Nichts spricht wahre Liebe frei, die ein Spektrum darstellen. Von schnell und den Roots bis hin zu einer Ballade, die nun was ganz anderes ist. Und alles dazwischen ist praktisch wirklich auf der Platte.
Ihr habt auch einen Clip dazu gedreht. Was für eine Geschichte, was für eine Idee steckt hinter dem Clip?
Es war die Idee, dass diese Leere und das ganze Gefühl, das in dieser Geschichte steckt, dargestellt werden. Wir waren in Schweden. Wir sind da rüber geflogen, weil wir die Möglichkeit hatten, die Natur und die Weite festzuhalten. Wir wollten die Weite, viel von oben filmen, Leere darstellen und das dabei gar nicht so sehr Story-mäßig darstellen. Du hast die Leere und die Weite von den Seen, bist aber trotzdem alleine im Wald, drehst Dich um und hinter Dir ist das Mädel immer noch da. Es ist einfach sehr gut eingefangen.
Zu Bastard wiederum hatte ich in einer News von Dir eine Aussage gelesen, dass es darum geht, dass am Ende seines Lebens jeder vor Gott steht und für seine Taten gerade stehen muss…
Genau das glaube ich. Wobei ich Gott halt nicht als Gott oder Person oder als bestimmte Religion auffasse, sondern auf alles beziehe. Ob nun Gott in der Flasche Apfelsaft oder in der Blume hier ist… Das kann jeder glauben, wie er will. Ich glaube aber, dass am Ende der ganzen Geschichte eine Macht steht, die genau weiß, was Du tust und was für Scheiße Du baust, was für Leichen Du im Keller hast. Im Endeffekt wird am Ende die Rechnung gemacht, das ist mein fester Glaube.
Jetzt mal ganz platt gefragt: Bastard heißt auch das Album. Was für ein Bastard ist das?
Bastard hat für mich eine klare Bedeutung, auch in dem Zusammenhang mit dem Song. Natürlich ist ein Bastard auch etwas, das frech, gemein und ein bisschen fies ist. Ein kleines bisschen böse – und das ist Album auf alle Fälle.
Das Album wird jetzt mitten in der Tour erscheinen. War das so geplant?
Nein, das war natürlich nicht so geplant. Wir wollten vor der Tour fertig sein. Aber es gab da Probleme, unter anderem ein paar technische Probleme im Studio. Da haben wir uns überlegt: Was machen wir? Wir haben dann gesagt: Die Konzerte sind alle toll besucht, die Leute würden sauer sein, wenn wir die Shows absagen, dann ist das halt so und wir beißen in den sauren Apfel und veröffentlichen das Album während der Tour. Wir reden ja auch bloß von ein paar Wochen. Für eine Band ist es natürlich immer schön, wenn das Album vorher da ist. Aber so haben die Leute dafür die Möglichkeit, die Stücke relativ früh zu hören und trotzdem eine tolle Show zu haben. Und wir natürlich eine Menge Spaß!
Ändert sich denn dadurch die Setlist im Laufe der Tour?
Klar, die wird sich schon ein bisschen ändern. Wir haben aber auch diesmal schon ein bisschen umgestellt und ein paar alte Songs reingenommen, von ganz am Anfang. Wir haben da gut durchgemischt, haben natürlich die Singles im Gepäck und werden im Laufe der Tour, wenn die neuen Sachen da sind, auch das ein oder andere Stück tauschen. Das ist nicht so, dass die Setlist in Stein gemeißelt ist. Das lassen wir ganz entspannt auf uns zukommen. Da gibt es keinen Masterplan, was wann wo wie gespielt wird. Ich mach da immer so eine kleine Facebook-Umfrage und gucke, worauf die Leute Bock haben, frage die Jungs, worauf die Bock haben – und so wird das zusammengestellt.
Also eher dynamisch…
Genau. Auf jeden Fall. Wenn Du merkst, Du hast einen Song wie Teufel bei der letzten Tour nicht gespielt und die Leute sagen, das wäre cool, den mal wieder zu hören, und wenn das nicht nur einer, sondern viele sagen, dann passt das. Aber Du kannst halt beim fünften Album auch nicht mehr jeden Song spielen. Dementsprechend tauschen wir immer mal durch und ändern mal hier und mal da, wie gerade Lust und Laune ist.
Kommen wir wieder etwas näher zum neuen Album. Wie würdest Du denn die Neuerungen und Änderungen gegenüber dem Vorgänger beschreiben?
Wir haben versucht, unsere Roots nicht zu verlieren, das finde ich für eine Band immer ganz wichtig. Ich finde es aber auch wichtig, sich weiterzuentwickeln. Das neue Album ist auf jeden Fall Text-lastiger als alle Vorgänger. Es ist ein bisschen von der NDH-Phrase weg. Was nun nicht heißt, dass das so geplant war. Aber es ist so passiert. Dazu kommt, dass man jetzt ganz andere Einflüsse hat, als man vor drei oder vier Jahren hatte. Es verändert sich die Weltanschauung ein bisschen, es verändert sich ein jeder persönlich ein bisschen. Das fließt da alles mit ein. Es wird ein wenig individueller sein, es wird eine andere Zusammenstellung und eine andere Gewichtung haben, musikalisch wie auch textlich. Ich bin schon sehr gespannt, wie das ankommt.
Du hast es jetzt hin und wieder mal erwähnt, dass Du etwas aus dem Rahmen NDH raus wolltest…
Nein, ich will da nicht raus. Versteh das nicht falsch. Ich bin ein großer NDH-Fan. Ich mache nicht NDH, weil das jetzt gerade wieder angesagt ist. Für mich ging das alles los, als das mit Krupps übergeschlagen ist und die ersten Bands kamen, die das auf Deutsch gemacht haben. Da ging für mich NDH los und seitdem bin ich da voll dabei. Für mich sind das die Roots. Ich bin absoluter NDH-Fan und da will ich auch gar nicht raus. Wichtig ist, sich immer ein Stück weiterzuentwickeln und die verschiedenen Einflüsse, die man heute hat, da mit einfließen zu lassen. Als wir mit Stahlmann angefangen hatten, NDH zu machen, hat sich keine Sau für NDH interessiert. Da gab es Rammstein, die zu dem Zeitpunkt aber gar nicht aktiv waren, weil sie gerade eine Pause gemacht hatten, es gab noch Megaherz, die aber auch gerade nicht viel gemacht hatten zu dem Zeitpunkt… Da hatten wir angefangen, wieder NDH zu machen. Aber ich glaube, dass dieser Begriff „NDH“, wie es ihn früher mal gab, eigentlich nicht mehr so existent ist, dass man ihn einfach adaptieren könnte. Wir haben jetzt viele neue Bands, die sehen, dass das funktioniert und deshalb in die Kerbe schlagen. Immer, wenn sich so ein Trend breit macht und man sieht, dass NDH bei Eisbrecher, bei Stahlmann, bei Megaherz, funktioniert, dann kommen dementsprechend auch neue Bands. Da entsteht eine neue Szene und eine neue Dynamik. Ich glaube, dass diese Neue Deutsche Härte, die es damals gab, eine andere Zeit war. Das war für mich auch eine andere Zeit. Das sind meine Roots, das war auch geil und es ist die Musik, die ich jeden Tag höre. Ich glaube aber, dass es die Zukunft ist, wenn jeder da sein eigenes Ding spinnt und es für sich weiterentwickelt. Man muss das Lebensgefühl verkörpern, man muss wissen, worum es geht. Man muss für sich sein Ding machen. Genau darum geht’s. Diesen Weg, den man da beschreitet, den beschreitet man nicht von heute auf morgen, dass man sagt „ich mache jetzt kein NDH mehr“. NDH ist für mich auch ein guter Begriff, der die 90er Jahre in der Musik beschreibt. Ich glaube, dass da auch gerade eine neue Szene im Aufbruch ist, mit Rockbands, die einfach harte Mucke machen, die auch richtig geil ist, wobei aber jeder trotzdem sein Ding macht.
Also ist Bastard für Dich durch und durch NDH?
Kein 90er NDH. Im Endeffekt heißt das ja nur: deutsche, harte Rockmusik. Ja, auf jeden Fall ist es deutsche, harte Rockmusik. Aber es ist nicht die typische NDH-Bezeichnung. Ich finde, auch Eisbrecher macht keine typische Neue Deutsche Härte mehr. Es ist auch individueller, es ist auch ein ganz anderer Aufbau, eine ganz andere Struktur. Natürlich fällt es darunter, aber wenn ich von NDH von heute rede, ist es einfach harte Rockmusik mit deutschen Texten. Das ist halt nicht mehr Neue Deutsche Härte, sondern Neue Neue Neue Deutsche Härte.
Sozusagen NNNDH…
(lacht) Genau, das ist schön. NNNDH.
Wie schon gesagt, das neue Album steht in den Startlöchern, Ich habe mal geschaut: Das letzte Album CO2 ist auf Platz 22 gechartet. Baut sich dadurch bei Euch ein Druck oder eine Erwartungshaltung auf?
Das ist mir ehrlich gesagt vollkommen scheißegal. Für mich ist es wichtig, dass ich Songs schreibe, die ich cool finde. Natürlich hast Du immer so ein bisschen die Industrie und eine Erwartungshaltung, aber man darf nicht den Fehler machen, sich vor einen Karren spannen zu lassen. Egal, aus welcher Sparte man kommt, egal was man macht, der Künstler muss damit zufrieden sein. Er ist nachher derjenige, der damit vorne steht und sagt „das ist geil“. Das ist dann authentisch! Wenn Du etwas machst, um erfolgreich zu sein, dann merkt man das. Dann gehst Du ganz anders vor das Publikum. Du musst das ja auch präsentieren. Das heißt, Du gehst raus und sagst: „Das bin ich, das sind meine Songs, das ist mein Herzblut.“ Und wenn Du da nicht hundertprozentig hinter stehst, dann funktioniert das nicht. Es sei denn, Du bist ein richtig guter Schauspieler. Aber das hat dann tatsächlich mit Neuer Deutscher Härte gar nichts mehr zu tun. Es muss einfach authentisch sein – das ist das, worauf ich am meisten Wert lege. Wenn ich einen Song habe, muss ich ihn geil finden. Es muss das sein, was ich sagen möchte, was mir wirklich auf die Eier geht in dem Moment oder das, was ich wirklich darstellen will. Dann ist es für mich cool!
Also würdest Du sagen, die größte Erwartung ist eigentlich die an Dich selbst?
Klar, die Erwartungshaltung bestimme ich selber. Ich habe da auch einen sehr hohen Anspruch an mich. Wenn andere Leute sagen, dass es geil ist, bin ich noch längst nicht dieser Meinung. Ansonsten kann man es nicht beeinflussen. Was heute angesagt ist, ist morgen wieder im Keller – und andersrum genauso. Da muss man sich echt von frei machen.
Wir haben jetzt über das Album und die Tour gesprochen. Zum Schluss würde ich gerne wissen: Habt Ihr schon Pläne, wie es dann weitergeht, wenn die Tour vorbei ist?
Wenn die Tour durch ist, ist auch das Album draußen, dann startet die Festivalsaison. Da ist alles dabei: Wacken, Amphi, WGT, das ganze Programm. Danach sind wir schon bei der Herbsttour. Dann liegt auf jeden Fall das Auge auf dem neuen Sündenklang-Album, was unsere zweite Geschichte ist. Da ist jetzt auch eine neue Plattenfirma dabei und es nimmt etwas größere Dimensionen an. Das muss auch noch betourt werden. Du kannst Dir vorstellen, dass das mit zwei Bands, die ganz gut funktionieren, gerade Unterkante Oberlippe ist. Wir sind gerade dabei, das zeitlich zu regeln. Die Jungs sind bei Sündenklang ja auch mit dabei. Und Frank, unser Gitarrist, hat auch noch seine eigene Geschichte, wo er singt. AblaZ ist auch noch hier und da unterwegs und spielt einige Shows. Dementsprechend kannst Du Dir vorstellen, dass es manchmal ganz schön eng wird. Stahlmann wird Priorität haben, das ist klar, aber neue Sündenklang-Album kommt auch noch.
Es wird nicht langweilig…
Überhaupt nicht.
Weblinks STAHLMANN:
Homepage: www.stahlmann.tv
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