Irgendwie seltsam, wenn man sich Anfang Mai noch gezwungen fühlt, auf dem Weg zum Konzert eine dick gefütterte Winterjacke zu tragen, oder? Dachte auch Eisbrecher-Frontmann Alexander Wesselsky, der das Publikum gegen Ende eines mitreißenden Gigs mit den Worten „Anscheinend haben wir das Eis mitgebracht – aber jetzt darf es damit auch gerne mal vorbei sein“ verabschiedete. Zugegeben: Die Außentemperatur von etwa fünf Grad passte natürlich perfekt zu einer Band, die nicht nur Eisbrecher heißt, sondern auch ständig von gefrorenem Wasser singt, sich bei einem dieser Songs vom Bühnendach mit Kunstschnee beträufeln lässt und Eisbären-Plüschis ins Live-Publikum wirft.
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Vorab sollten Faelder eben diesem mit „Rock’n’Roll“ einheizen – so kündigte Wesselsky die Vorband, die sich u.a. aus Mitgliedern von Unheilig und In Extremo zusammensetzt, persönlich an. Anscheinend hat der Eisbrecher-Sänger da etwas falsch verstanden: Wer Midtempo-Grufti-Schlager mit 08/15-Texten inklusive „Reim dich oder ich fress dich“-Duktus vorträgt, hat mit Rock’n’Roll in etwa so viel zu tun wie – Achtung, Kracher-Vergleich! – Unheilig nach 2010 mit der Gothic-Szene. Blöd dazu, dass Sänger Kai Niemann dem Grafen weder in Sachen Charisma noch Bühnenpräsenz noch „Töne-Treff-Sicherheit“ auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Doch wie die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, gibt es für solche Musik durchaus einen gar nicht mal so kleinen Markt – das erklärt auch den durchaus wahrnehmbaren Applaus, den Faelder nach rund 35 Minuten einheimsten.
Eine halbe Stunde später setzten Eisbrecher dann den Startschuss zur letzten Show ihrer nur fünf Konzerte kurzen Ewiges Eis-Tour. In Anlehnung an das im vergangenen Oktober veröffentlichte Best-of-Album spielten Wesselsky, Noel Pix, Jürgen Plangger, Rupert Keplinger und Achim Färber einen bunten Querschnitt aus 15 Jahren Bandgeschichte und brachten dabei den ein oder anderen lange vermissten Song zurück ins Set. So zum Beispiel der Opener Zwischen uns, bei dem die weiblichen Gesangsparts durch Roboter-Vocals ersetzt wurden – daran musste man sich erstmal gewöhnen.
Spätestens beim ewig nicht mehr gespielten Phosphor gab es dann auch „richtigen Rock’n’Roll“ auf die Ohren, die Gitarren sägten bei stellenweise etwas dumpfen Klang in der Turbinenhalle mächtig in den Gehörgang. Zwischendurch nahm sich Wesselsky wie gewohnt immer mal ein paar Minuten Zeit für Scherze, kleinere Seitenhiebe auf berühmte (bayerische) Politiker und eine Erklärung, warum die Band so gerne in Oberhausen zu Gast ist. Das post-industrielle Flair der Turbinenhalle hat es den Herren aus den südlichsten Gefilden des Landes offenbar angetan.
Kein echtes Best-of-Set
Die Songauswahl mag bei dem einen oder anderen Gast für Verwunderung gesorgt haben. Vom aktuellen Longplayer Sturmfahrt schaffte es lediglich die erste Single Was ist hier los? ins Set, auch manch früherer Kracher wie Schwarze Witwe oder Vergissmeinnicht blieb außen vor. So konzentrierte sich das Quintett zu einem überraschend großen Teil auf Stücke, die es nicht zu Single-Ehren brachten. Was der Stimmung aber keinen Abbruch tat. Noel Pix und Achim Färber holten sich nach einem rund vierminütigen Drums vs. Machine-Interlude ihren verdienten Sonderapplaus ab – und bei Miststück grölten sowieso wieder fast alle im Takt mit.
Zum Ende gab es wie gewohnt eine Ballade. Nach Schlachtbank, Ohne Dich und In einem Boot auf den letzten zwei Konzertreisen war es diesmal Herzdieb vergönnt, das Konzert und damit auch die Tournee zu beschließen. Ein insgesamt rundum überzeugender Auftritt vor rund 2300 Zuschauern in der fast ausverkauften Turbinenhalle mit sehr stimmiger und atmosphärischer Lichtshow, der zeigte, warum Eisbrecher nach 15 Jahren im Geschäft zu den beliebtesten deutschen Dunkel-Rock-Bands gehören. In diesem Sinne: Auf Kalt und bis bald!
Setlist EISBRECHER @ Oberhausen, Turbinenhalle (05.05.2019)
01. Zwischen uns
02. Willkommen im Nichts
03. Phosphor
04. Antikörper
05. Fehler machen Leute
06. Augen unter Null
07. Amok
08. Eiszeit
09. Leider
10. So oder so
11. Prototyp
12. Himmel, Arsch und Zwirn
13. Herz aus Eis
14. 1000 Narben
15. This is Deutsch
16. Verrückt (Z)
17. Was ist hier los? (Z)
18. Miststück (Z)
19. Herzdieb (Z)
Tipp: Ein ausführliches Interview mit Sänger Alexander Wesselsky lest Ihr hier!
Weblinks EISBRECHER
Homepage: eis-brecher.com/
Facebook: www.facebook.com/eisbrecher/