SLOWDIVE / PALE BLUE EYES – Köln, Live Music Hall (18.01.2024)

Fotos: SLOWDIVE
SLOWDIVE, ©Marcus Nathofer
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Gutes Timing: 24 Stunden vor dem Konzert von Slowdive tauchten gewaltige Schneefälle das Rheinland in tiefes Weiß. Zahlreiche Zugausfälle, Unfälle und Autobahnsperrungen waren die Folge, eine Anfahrt zum Konzert wäre so kompliziert bis unmöglich geworden. Am Tag selber war es dann aber einfach nur noch kalt und trocken. Durch die weiße Pracht stapfend ging es in die Live Music Hall, um den stets wärmenden Klängen der Shoegaze-Pioniere Slowdive zu lauschen.

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Zunächst aber gaben sich die Fans in der auf Monate ausverkauften Location etwas tanzbarere Sounds. Pale Blue Eyes, wohl benannt nach dem Song von The Velvet Underground, sind insbesondere in Deutschland noch ein sehr unbeschriebenes Blatt. This House, das aktuelle, im September 2023 erschienene Album, heimste bei den allermeisten Musikmagazinen positive Kritiken ein. Zurecht, wie sich im Live-Setting zeigte. Mitreißend und melodiös war die Mischung aus krautig-psychedelisch-verträumten Sounds und zackigem New-Wave-Indie-Pop, der stellenweise an Maxïmo Park und Konsorten der “Class of ’05” erinnerte. Stücke wie Spaces, Takes Me Over oder das etwas ältere TV Flicker vom 2022er-Album Souvenirs hinterließen einen wirklich guten Eindruck. Entsprechend honorierte das Publikum den 30-minütigen Auftritten des Ehepaares Board (Matthew singt und spielt Gitarre, Lucy trommelt) und ihrer zwei Mitstreiter mit lautem, überaus verdientem Applaus.

Kurz nach 21 Uhr hieß es: Bühne frei für Slowdive! Sechs Jahre nach ihrem letzten Gig in der Domstadt, damals noch im Gloria-Theater, buchte Veranstalter Schoneberg diesmal die doppelt so große Live Music Hall. Und auch hier hieß es lange im Voraus: ausverkauft! Irgendwie scheint sich der Shoegaze-Sound, der in seiner Hochphase Anfang der 90er von vielen Kritikern und Hörern belächelt, wenn nicht gar verspottet wurde, in die Playlisten vieler Heranwachsender geschlichen zu haben. Locker ein Drittel der Anwesenden dürfte das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, nicht wenige davon im klassischen Großstadt-Hipster-Outfit gekleidet und frisiert – was haben alle plötzlich nur wieder mit Vokuhilas?.

Mit Everything Is Alive meldeten sich Slowdive 2023 zurück – und wie. Rachel Goswell, Neil Halstead & Co. spielten auf ihrer fünften vollwertigen LP einmal mehr alle Stärken aus. Sphärische Synthies, verhallte Gitarrenmelodien, sachter, passend gesetzter Gesang bildeten die gewohnt wohlige Atmosphäre. Und natürlich sollte dies auch live nicht anders sein. In der Live Music Hall wirkten die Hintergrundvideos naturgemäß nicht ganz so beeindruckend wie 48 Stunden zuvor im Amsterdamer Paradiso (hier lohnt ein Blick auf Slowdives Social-Media-Accounts, siehe unten), waren aber dennoch absolut stimmig und zum jeweiligen Song passend. So purzelten beispielsweise Silhouetten von Tabletten bei Sugar For The Pill über die Leinwand. Etwas arg viel Strobo sorgte zum Ende von Catch The Breeze jedoch für schmerzende Augen – der einzige Moment im Laufe des Konzerts, wo die Fans aus ihrer Trance regelrecht rausgerissen wurden.

Gut 90 Minuten gaben Slowdive einen guten Querschnitt aus ihrer Bandgeschichte zum Besten, neben jeweils fünf Stücken der aktuellen LP und des Klassikers Souvlaki standen auch einzelne Stücke anderer Veröffentlichungen auf der Setlist. Doch egal, ob alt oder neu, die Reaktionen waren immer in etwa gleich euphorisch. Goswell, deren Mikrofonständer mit einem weißen Federkleid drapiert war, und Halstead bedankten sich jeweils artig nach jedem Song, hielten sich mit Zwischenansagen aber nahezu komplett zurück. Irgendwie auch sinnvoll, bei einem Sound, in dessen Sog mal als Publikumsgast ohnehin einfach nur hineinfallen möchte. Was ebenfalls auffiel: Störende Zwischenrufe, wie sie bei Konzerten gerne mal nerven, waren zumindest in der vorderen Hälfte des Venues komplett Fehlanzeige – Lob an die Fans!

Musikalisch wie atmosphärisch blieben so kaum bis keine Wünsche offen. Auf das Syd-Barrett-Cover Golden Hair wollen Slowdive scheinbar auch nicht mehr verzichten – gute Entscheidung! Hier konnte sich gegen Ende glücklich schätzen, wer Ohrenstöpsel trug. Noise-Ausbrüche sind bei Slowdive rarer gesät als bei anderen Shoegaze-Bands, so ganz ohne “Fußpedal-Gewitter” klappt es aber auch bei den Briten nicht. Das genaue Gegenteil folgte im Anschluss, als Halstead das reduzierte Dagger im gewohnt eindringlich-brummeligen Timbre vortrug. Vor dem abschließenden 40 Days ließ er sich sogar zu einer kleinen Dankesrede hinreißen, in der er äußerte, wie viel es ihm bedeutet, dass heute so viele Menschen einen kalten Donnerstagabend mit seiner Band verbringen wollen. Dieses Gefühl könnte er öfter haben, wenn er und die Band nur wollten. Denn nach diesem Abend mit glasklarem Sound, heimeligen Melodien und wunderschönen Songs dürften die allermeisten Anwesenden nach weiteren Slowdive-Gigs in Deutschland dürsten. Sechs Jahre wird es jedenfalls nicht nochmal dauern, zumindest ein Festivalauftritt beim diesjährigen Mannheimer Maifeld Derby steht bereits im Kalender.

Setlist SLOWDIVE – Köln, Live Music Hall (18.01.2024)

01. Shanty
02. Star Roving
03. Catch The Breeze
04. Crazy For You
05. Souvlaki Space Station
06. Chained To A Cloud
07. Kisses
08. Avalyn
09. Skin In The Game
10. Sugar For The Pill
11. Alison
12. When The Sun Hits
13. Golden Hair
14. Dagger (Z)
15. The Slab (Z)
16. 40 Days (Z)

Weblinks SLOWDIVE

Homepage: www.slowdiveofficial.com
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Weblinks PALE BLUE EYES

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