Ein neuer Tag, ein neues Line-Up, und wirkte die musikalische Orientierung des ersten Tages noch etwas verträumt, so war am zweiten Tag definitiv mehr Abwechslung geboten. Bereits um 13:00 betrat mit The Glorious Sons ein persönliches Highlight die White Stage, welche mit einer modernen Interpretation klassischen Rocks gut zu überzeugen wussten. Während Acts wie BKRN, Pale Waves, Gavin James oder Marmozets ein zunehmend größer werdendes Publikum zu bewältigen hatten, wartete mit Juse Ju das nächste Highlight gegen 14:45 im Zelt der Red Stage. Ähnlich bunt wie der Werdegang des Rappers war die Bühnenshow und es war ein unfassbares Erlebnis, wie sehr eine einzelne Person ein Publikum begeistern konnte, wo er doch den meisten vermutlich gar kein Begriff war. Die erste wirklich harte Entscheidung des Tages bildete sich dann gegen 16:00 ab: Chvrches auf der Blue Stage oder Fjørt auf der Red Stage? Zum Glück sind die Laufwege des Festivals gut organisiert und nichts ist zu weit weg, also wird sich kurz das Pflichtprogramm Chvrches angeschaut um danach etwas mehr dem eigenen Musikgeschmack nachzukommen. Fjørt also auf der Red Stage, eine etwas unbekannte Band aus Aachen, die irgendwo zwischen Post-Hardcore und Black Metal einzusortieren ist. Obschon doch eher das sehr harte Eisen des Festivals, überzeugt das Trio ein für das Musikgenre erstaunlich heterogenes, junges Publikum. Es machte Spaß zu sehen, wie offen die Festivalgänger für Musik abseits von standardisierten Normen und Klischees sind und einmal mehr konnte man merken, wie angenehm das Klima unter den Festivalbesuchern doch ist. Für diejenigen, welche die etwas normengerechtere Rockdröhnung suchten legten derweil die Donots gegen 16:30 ihr Eisen ins Feuer der Green Stage um einem wohlgewollten und mittlerweile auch nicht mehr so nüchternen Publikum ordentlich einzuheizen. Es fiel schwer die Füße still zu halten bei so viel Energie, und so durften sogar die fotografierenden Pressevertreter einmal zur Bewegungspause die Bühne betreten.
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Auch wenn das restliche Angebot garantiert sowhl angenehm anzusehen, als auch zu hören war, so wurde im Anschluss bis 18:00 vor der Green Stage gecamped, um Feine Sahne Fischfilet aus nächster Nähe zu erleben. Auch wenn die Stimme des Sängers deutlich unter seinem Hurricane-Auftritt des Vortages litt, wussten die Punker das Publikum problemlos zu animieren. Manche mögen den Frontsänger für ein Bierspuckendes Walross halten, viele können von ihm allerdings lernen, sich selbst nicht immer ganz so ernst zu nehmen. Entsprechend amüsant war die Show vor einer gigantischen Poritze als Backdrop zu erleben. Hart auf hart ging es weiter, denn die Österreicher von Wanda enterten bereits um 19:00 die Blue Stage, von wo aus sie mit ihrem wohl größten Hit Bologna beginnend eine erstklassige Show ablieferten. Die Menschen vor der Bühne feierten sie frenetisch und konnten fast jedes Lied wortgetreu mitsingen. Dennoch zog es den Schreiber dieser Zeilen gegen 19:30 erneut vor die Green Stage, wo man so authentisch wie sonst selten echtes kalifornisches Punk-Feeling erleben durfte. The Offspring begannen pünktlich ihre Show und obschon als Band gut gealtert war die Setlist auf den Punkt abgestimmt und jeder Song zündete. Man merkte den Jungs die Freude an auf der Bühne stehen zu dürfen und sich einem Publikum erneut präsentieren zu können, wenngleich die letzte Veröffentlichung schon sechs Jahre alt ist. Schade, wenn eine Band sich so auf ihren Lorbeeren ausruht, aber herrlich, wenn eine Band sich nicht unbedingt neu erfinden und beweisen muss, sondern den Fans gibt, was sie wollen. Mit Chefket, London Grammar, Ganz und den Broilers folgen einige hochklassige Acts, sodass es genügend Alternativen gab, sich die Zeit bis 22:00 zu vertreiben. Dann nämlich betrat mit Samy Deluxe einer der Dienstältesten noch aktiven deutschen Rapper die Bühne der prall gefüllten Red Stage. Auch 2018 kickt der Hamburger Junge noch derbe wie seit 20 Jahren und jede Phrase sitzt. Das bemerkt auch schnell das Publikum, welches seine Melange aus perfekter Rap-Technik und klaren Botschaften bereitwillig abfeiert.
Nach einem so prall gefüllten Tag steht mit Billy Talent als Headliner der Green Stage eine kanadische Band auf dem Programm, die gefühlt ihre große Phase schon einige Jahre hinter sich hat und gerade international nicht mehr die Bedeutung zu haben scheint. Dennoch ist es eine Band, die viel zu sagen hat und gerade in Deutschland gut zieht, was man an dem prall gefüllten Bühnengraben, die bis dato größte Menschenmenge des Tages, bemerkt. Das Quartett aus Kanada überzeugt mit einer sehr gemischten Setlist, welche Songs aller Alben und Schaffensperioden der Band umfasst und so kannte eigentlich jeder im Publikum zumindest irgendein Lied und konnte mitsingen. Besonders herzergreifend wird der Auftritt als Schlagzeuger Aaron Slowoniuk, welcher seit 2016 durch Jordan Hastings vertreten wird, die Bühne betritt und trotz seiner MS-Erkrankung mehrere Songs am Drumset zum Besten geben kann. Man kann nur den Hut ziehen vor dem Zusammenhalt und der freundschaftlichen Gefüge, welche innerhalb dieser Band herrschen. So manch andere Band hätte ihre Musiker schon längst fallen gelassen und sich aufs Geld machen konzentriert, doch gerade während dieser wenigen Stücke merkt man den Grund, warum diese Band zurecht noch so erfolgreich ist: Es sind einfach 4 Jungs, welche ihren Traum leben und das machen, was sie wollen, ohne sich gegenseitig als austauschbar oder unsympathisch zu präsentieren.
Als letzter Act des Tages betritt Marteria gegen 00:45 Blue Stage. Der gebürtige Rostocker hat in seinem Leben schon einiges erlebt: Profifußball, Model-Dasein, Platz 1 der deutschen Plattencharts und nun auch das Southside-Festival 2018. Als einziger größerer Act, quasi außer Konkurrenz, war quasi jeder, der nicht bereits zum Feiern ins Zelt gegangen war, vor der Bühne und lauschte den Worten des Rappers, welche eine furiose Show mit allem inklusive abfeierte. Allem inklusive hieß natürlich insbesondere auch Stücke seines Nebenprojektes Marsimoto, allerdings auch die Aufforderung ans Publikum, sich um 2:00 nachts von störenden T-Shirts zu trennen oder in Regenbogenfarben leuchtende Alpakaköpfe auf Großleinwänden. Nach so einem Tag heißt es dann gerne Gute Nacht, auf einen ebenso wunderbaren letzten Festivaltag.