SOUTHSIDE FESTIVAL 2018 – Sonntag (24.06.2018)

Fotos: SOUTHSIDE FESTIVAL 2018 (So., 24.06.2018 ab 18:00 Uhr)
The Prodigy, © Markus Hillgärtner
Geschätzte Lesezeit: 6 Minute(n)

Schrieb ich letztes Jahr noch, dass man nach zwei Tagen Festival selbst bei geringem Alkoholkonsum und ausgewogener Ernährung nicht mehr der Fitteste sei, so muss ich dies dieses Jahr revidieren: Ein gemütliches Bett in einem Hotel mögen viele zwar als frevlerisch ansehen, allerdings erholt man sich darin ganz gut und hat so allerlei Energie den dritten und somit letzten Festivaltag zu beginnen. Natürlich schläft man im Hotel nicht nur besser als im Zelt, sondern in der Regel auch länger, da es keinen Zeltnachbarn gibt, der einen mit wunderbarer Anne- Kaffeekanne-Musik  morgens um 06:00 Uhr freundlich wecken kann. Wir betraten also gegen 12:00 Uhr, fast pünktlich zum ersten Act des Tages, das Festivalgelände und durften am Parkplatz zunächst feststellen, dass erschreckend viele Menschen bereits ihre Zelte abgerissen und im Auto verstaut, vereinzelt sogar schon komplett eingepackt und sich auf den Heimweg gemacht hatten. Man könnte nun monieren, dass es früher so etwas nicht gegeben hätte, doch seien wir ehrlich: Der dritte Festivaltag war zwar vom Line-Up her sehr gut, jedoch auch nicht mehr jedermanns Geschmack.

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Die Eröffnung der Red Stage, der musikalisch härtesten Bühne des Tages, übernahm mit Creeper eine noch eher junge Band aus den USA. Dementsprechend frisch und ohne Erwartung gingen wir an den Auftritt der Jungs heran und waren überrascht, wie lebendig der Sound der Emo-Generation doch weiterlebt. Nicht nur optisch sondern auch musikalisch erinnerten die sechs Musiker an Bands wie My Chemical Romance ode AFI und treten damit sicher in naher Zukunft ein würdiges Erbe für ein eigentlich eher totgeglaubtes Genre an. Mit dem letzten Ton hasten wir schnell zur White Stage rüber, um Kat Frankie zu sehen, welche als Ersatz für Amy Shark kurz vor knapp einsprang und mit ihrer Band komplett in rot gekleidet das Zelt für sich einnimmt. Die sympathische Australierin, welche unter anderem schon mit Olli Schulz tourte, entwickelt sich langsam vom Geheimtipp weg, sodass man schnell sein sollte, wenn man sie noch in so angenehm kleinen Kreisen sehen möchte. Ein Konzert von ihr ist definitiv etwas Freizeit wert, da man es sicher glücklich und entspannt verlassen wird.

Als krasses Kontrastprogramm wird es gegen 13:30 Uhr richtig voll vor der Blue Stage, sodass für die pünktlich die Bühne betretenden SXTN sogar der Einlass zum vorderen Bühnengraben abgesperrt werden muss. Definitiv ein Phänomen, dass um 13:30 Uhr so viele Menschen vor der Bühne sind wie zu manchem Headliner nicht. Die beiden Mädels fühlen sich sehr geehrt, wissen aber auch gut mit einer Mischung aus “Harte Jungs”- und “Süße Mädels”-Image zu kokettieren und vermischen diese beiden, eigentlich eher gegensätzlichen Punkte, zu einer wahrhaft einmaligen, und zumindest für den Schreiber dieser Zeilen, bisher ungesehenen Performance. Schon schade, dass um 14:00 Uhr mit Frank Carter & the Rattlesnakes ein weiteres persönliches Highlight des Festivals die Green Stage betritt, denn SXTN hätte man sich gut zu Ende geben können. Dennoch bereut man vor der großen Nachbarbühne keine Sekunde, dass man verfrüht gegangen ist, denn obschon die Menschenmenge wie erwartet deutlich kleiner als bei den Mädels ausfällt, macht sich schnell eine wohlige Stimmung breit. Es gibt auf den Brettern dieser Welt wirklich nur sehr wenige Menschen, die so sympathisch und unkompliziert ein komplettes Publikum dirigieren können wie Frank Carter, welcher im kitschigen Mantel die Bühne betritt, nur um kurz darauf mit etwas Anlauf ins Publikum zu springen und die Mitte des vorderen Wellenbrechers zu seiner neuen Bühne für den Rest der Show auszurufen. Was man den Jungs auch nicht anmerkt ist, dass sie auf dem Weg zum Festival einen Unfall mit ihrem Tourbus hatten, welcher im Graben lag und von niemand anderen als Benjamin Clementine und seiner Crew wieder auf die Straße gebracht wurde. Wenn es doch nur mehr Menschen gäbe, denen Hilfsbereitschaft vor das eigene Ego geht.

Während um 14:45 Uhr mit Prinz Pi das volle HipHop-Programm auf der Blue Stage fortgeführt wird, machen sich im Zelt der Red Stage Stick to Your Guns bereit endlich die Bühne zu betreten. Das Hardcore-Quintett aus Orange County, Kalifornien, liefert definitiv ab und spielt eine grandiose Show, und wäre sie nicht die erste Show nach Frank Carter gewesen, wäre sie sicherlich noch härter und eindrucksvoller gewesen. Aber so wirkte sie leider nur sehr zufriedenstellend. Nichtsdestotrotz hat sich der Auftritt gelohnt und wir freuen uns schon aufs nächste Mal. Nach so viel Energie war auf jeden Fall eine kleine Pause nötig, sodass wir leider sogar die Emil Bulls um 16:15 Uhr ausließen, welche sich aber nach Erzählungen von Bekannten sehr gelohnt haben sollen. Schade, nächstes Mal dann aber definitiv. Auch Benjamin Clementine, welcher eigentlich nach der Aktion mit Frank Carter ein absoluter Must-See gewesen wäre, wurde leider ausgelassen, um sich endlich einmal Madsen live zu geben.

Klar, man merkt schnell, dass es bessere Bands in allen Belangen gibt. Mehr Show, mehr Können, bessere Stimmen, bessere Spieltechnik, meckern kann man immer. Worauf es aber am Ende ankommt ist es, dass es Spaß macht das Konzert zu besuchen, und den bekommt man bei den Wendländern definitiv. Man merkt, wie gerne sie auf der Bühne stehen und es wurde nicht nur kein Hit ausgelassen, auch politisch stehen Madsen auf einer so klaren Linie, wie man es sich von manch anderer Prominenz wünschen würde. Im Anschluss ging es schnell rüber an zur Red Stage um sich zumindest noch ein bisschen underØATH zu gönnen, welche trotz wunderbarer Show und großer Spielfreude leider gefühlt weniger Publikum vorfanden, als die Guns noch einige Stunden zuvor.

Allerdings war es auch schwer, zunächst in Konkurrenz zu Dendemann auf der Blue Stage und dann auch noch zu The Kooks auf der Green Stage zu spielen, welche beide viel Publikum zogen und man für den Schreiber zum Glück, für den Hörer eher als “leider ähnlich” abhandeln kann: Es waren grandiose Shows, ohne viel Überraschungen, dennoch überzeugten sie und als Fan der Musik kam man definitiv auf seine Kosten. Im Zelt der Red Stage folgte dann um 19:00 Uhr mit Thrice ein kleiner Geheimtipp: Obschon in Hardcore-Kreisen sehr bekannt, ist die Band im Massengeschmack nicht so weit verbreitet, wie sie eigentlich sein könnte. Dementsprechend überzeugend war auch der Auftritt, der einmal mehr leider verführt verlassen werden musste, um die Beginner, welche ab 19:15 uhr auf der Blue Stage spielten, endlich einmal live zu sehen.

Die Hamburger überzeugten und der Name war vielleicht dereinst etwas ironisch, mittlerweile aber definitiv zynisch, so professionell und perfektionistisch fiel ihre Show aus. Einmal mehr schlug für uns leider der Fluch des Sonntages zu, denn Biffy Clyro, welche um 20:00 Uhr die Green Stage unsicher machten, durfte auf keinen Fall verpasst werden. Eine Band, welche eine rasante und definitiv positive Entwicklung seit 2009 durchmachte, wo sie noch als Vorband von Muse durch Europa tourte um etwas bekannter zu werden. Es ist erschreckend, wie lange diese Band doch schon existiert und wie viel Schweiß in ihre Auftritte floss, doch das Resultat was an diesem Tag auf der Bühne stand zahlte sich definitiv aus. Ein großer Dank geht hier an das schottische Trio, welches würdig das Ende des Festivals so langsam einläutete.

Im direkten Anschluss begaben wir uns dann einmal mehr ins Zelt der Red Stage, um zumindest noch den Rest der Show von Pennywise zu erleben. Hätte man es nicht besser gewusst, man würde denken, dass der Headliner auf der Bühne stand. Das Zelt war bis zum Anschlag gefüllt und erwartungsgemäß war die Klimax des Konzertes die Bro Hymn, welche zugleich den Abschluss des Konzertes bedeutete. Eine Band muss wissen, dass sie etwas erreicht hat, wenn ein so großes Publikum noch minutenlang die Hook ihres bekanntesten Songs singt, während bereits lange der Bühnenabbau begonnen hat. Wenngleich Justice auf der Blue Stage garantiert eine netter Zeitvertreib im Anschluss gewesen wäre, so war es Zeit für eine kleinen Pause, bevor man sich für den Headliner der Red Stage ein letztes mal im Zelt einfand: Boysetsfire.

Man könnte sich in Lobeshymnen für den Sonntag verlieren, denn einmal mehr lieferte eine altgediente und erfolgreiche Band das ab, was man von ihr erwartet: Eine geile Show mit lauter Musik, viel Action und Publikumsbewegung. Dass dennoch erste Ermüdungserscheinungen bei den Festivalbesuchern zu beobachten waren, zeigte sich spätestens nach dem Konzert, als wir zum Abschluss des Abends noch zum finalen Headliner The Prodigy rüber zur Green Stage gingen. Die Lightshow der Briten war phänomenal und zumindest für dieses Festival einmalig. Der Sound stimmte und die beiden MCs der Truppe wurden auch nicht müde, ihre “Fighter” im “Pit” zu animieren sich auf jeden Fall zu bewegen. Man kann der Band auch absolut nichts vorwerfen. Die Show war klasse, die Musik stimmte und es war ein hervorragender Auftritt. Dennoch war leider nicht mehr so viel Publikum vorhanden wie möglich. Als wir uns dann nach dem Konzert selbst auf den Heimweg machten zeigte sich auch warum: Ein nicht unwesentlicher Teil der Festivalteilnehmer war über den Lauf des Tages tatsächlich noch zusätzlich abgereist, sodass vielleicht noch die Hälfte der Zelte, wenn überhaupt, standen.

Was bleibt also als Fazit vom Southside 2018 hängen, gerade wo dieser Bericht einige Tage später als für uns üblich, online geht? Es war ein wunderbares, top durchorganisiertes Festival mit einer einmalig durchmischten und sehr guten Musikauswahl. Schade, dass einige Preise im Vergleich zu 2017 doch gefühlt unverhältnismäßig stark hochgingen. Aber wenn dies der einzige Wermutstropfen ist, so muss man sagen: Danke für 2018 und man freut sich schon auf 2019!

 

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