Spät übt sich…? Diese Abwandlung des bekannten „früh übt sich…“ kann man auf Mary Gauthier und ihre Musik beziehen, gewissermaßen aber auch auf den, der diese gerade hört und in Worte zu fassen versucht. Tatsächlich begann Mary Gauthier ihre musikalische Karriere erst mit Mitte 30 – was aber auch bereits eine Weile her ist, wurde sie doch dieses Jahr 60. Man hätte also auch schon vor diesem Album mal was von der Dame hören können, im Gegensatz zum Schreiber dieser Zeilen… Wie kommt’s? Liegt es vielleicht am immer noch verbreiteten Klischee des alten Herrn mit Banjo und Cowboy-Hut, das über dem Genre schwebt? Man weiß es nicht. Aber man weiß: Man tut dem Genre damit ordentlich Unrecht. Wie auch Dark Enough To See the Stars zeigt.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Neben gekonntem Songwriting ist es auch mit Tiefgang verbunden, was Mary Gauthier auf dem neuen Album präsentiert. Sicher ist, dass Mary Gauthier ein bewegtes Leben hatte – schwierige Kindheit, Alkohol Drogen… Ein bisschen Autobiographie fließt da oft mit in die Stücke. Das macht auch vor dem neuen Album keinen Halt, das unter anderem den Verlust von Freunden thematisiert, wie Nancy Griffith und David Olney. Schon im eröffnenden Fall Apart World kann man von Liebe, Verlust und Schmerz hören, verpackt in ein dabei an sich harmonisch klingendes Stück mit Vibrato-Gitarre, Melodieläufen und dem Gefühl, dass auch noch so etwas wie Optimismus vorhanden ist.
Aber da ist eben auch die Traurigkeit, wie im Titelstück. Mit ruhigem Fingerpicking begonnen, vertont Gauthier das Gefühl des Verlassenseins, das mit ruhig treibenden Harmonien in Moll erklingt, ohne dabei gänzlich in die Depression zu fallen, es klingt irgendwie etwas Versöhnliches mit, wenn sie davon singt, dass es dunkel genug ist, um die Sterne zu sehen. Und überhaupt ist das Lebenswerte trotz allem präsent, wie man bspw. bei der Liebeserklärung an Amsterdam im gleichnamigen Stück zeigt. Mit Piano-Akkorden eröffnet besingt sie das, was die Stadt ausmacht, erzählt von Fahrrädern und Tulpen und wie es sich einfach richtig anfühlt: „feeling alright in Amsterdam tonight“ heißt es da – und klingt sehr überzeugend.
Das Album endet dann in Till I See You Again mit der Hoffnung, sich noch einmal wiederzusehen. Erneut Fingerpicking, eine ruhige Ausstrahlung des Stücks und eine versöhnliche Grundhaltung, dazu Streicher – ein guter Ausklang eines guten Albums. Insgesamt ist es ein eher ruhiges Album geworden, das aber in seiner Ruhe auch etwas sehr Einnehmendes an sich hat. Und ja, auch das ist Country. Hat man die genannten Klischees im Hinterkopf, muss einem das erst einmal einer dazusagen, denn für Freunde ruhiger folkiger Arrangements und Singer-Songwriter-Klänge ist Dark Enough To See the Stars ebenfalls ein guter Tipp, um einmal reinzuhören.
Tracklist MARY GAUTHIER – Dark Enough To See The Stars:
01. Fall Apart World
02. Amsterdam
03. Thank God for You
04. How Could You be Gone
05. Where Are You Now
06. Dark Enough to See the Stars
07. The Meadow
08. Truckers and Troubadours
09. About Time
10. Till I See You Again
Weblinks MARY GAUTHIER:
Homepage: www.marygauthier.com
Facebook: www.facebook.com/marygauthiersongs
Twitter: www.twitter.com/marygauthier_