So ganz abzuschätzen war es nicht, aber am Ende hat sich die Entscheidung als sehr richtig herausgestellt, als Lotte mit Mehr davon in Zeiten der Corona-Pandemie eine ziemlich gut gelaunte Nummer herausbrachte. Es folgte der Rückzug aufs Land, um mit den Countryside Sessions ein paar ihrer Stücke in einem neuen Gewand einzuspielen. Wir haben mal mit Lotte telefoniert, um ein bisschen über die Single, die neu aufgenommenen Stücke, die verschobene Tour, die weiteren Pläne und mehr zu sprechen.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Ich würde gerne direkt mit Mehr davon einsteigen, da ich gerade gestern gesehen hab, dass die Million Streams geknackt wurde. Wie fühlt sich das an?
Das ist für mich total besonders. Es gibt zwar schon drei vier Stücke, die über eine Million Streams haben, aber das ist für mich immer wirklich unglaublich. Ich hatte bei dem Song eine gewisse Sorge, so eine „happy Nummer“ in Corona-Zeiten rauszubringen. Das weiß man am Anfang nicht, aber es hat sich als richtig herausgestellt, weil wir alle genau diese Leichtigkeit gerade suchen und wollen. Das fühlt sich jetzt an wie Ostern und Weihnachten auf einmal. (lacht)
Du hast die nächste Frage jetzt etwas vorweggenommen. Wie kam es zu dem Stück? Warum dachtest Du, ist das genau das richtige Stück für diese Zeit?
Mehr davon soll Mut machen, sich selbst immer wieder neu herauszufordern, neu zu entdecken. Was sind meine Träume? Wo will ich hin im Leben? Wie viel erträume ich mir, trau mich aber nicht oder bin einfach zu faul. Was sind meine Träume und was sind nur die Träume der Menschen, die mich umgeben? Ich will am Ende meines Lebens nicht dastehen und mir „Was-wäre-wenn“-Fragen stellen. Ich will lieber einen Umweg zu viel als einen Umweg zu wenig gegangen sein. Gerade jetzt in der Corona-Zeit, im Lockdown, wo sehr viele Menschen zu Hause bleiben mussten, hatte ich das Gefühl, dass zumindest in meinem Umfeld die Leute angefangen haben, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen. Weil sie eben plötzlich viel mehr mit sich selbst konfrontiert waren, sich mit selbst beschäftigen mussten. Viele haben gesagt „ich will vielleicht doch was anderes studieren, weil ich merke, dass das gar nicht mein Traum ist, sondern vielleicht der von meinen Eltern“ oder so. Leute schlagen neue Wege ein, werden mutiger und merken, dass das Leben zu kurz ist, um es zu „verleben“.
Gewissermaßen hattest Du noch Glück und konntest vorher Deine Tour zu Ende spielen. Wie hast Du die Tour empfunden?
Ich habe diese Tour geliebt. Die Tour zum Glück war das, die ich im Februar gespielt habe. Es war echt schön, das zweite Album „Glück“ auf die Bühne zu bringen. Und ich habe gemerkt, wie sehr mein Publikum in den letzten Monaten gewachsen ist. Bei der Tour zuvor waren jeweils 500 bis 700 Menschen und jetzt haben wir zum Beispiel in Berlin im ausverkauften Huxleys vor 1.600 Leuten gespielt. Das war meine größte eigene Tour bisher und zu sehen, wie all diese Leute die Songs auswendig können, das war toll. Erst zum Schluss kam dann das Thema Corona auf, sodass mir dann doch auch mal geraten wurde „hey Lotte, geh vielleicht nicht immer ins Publikum“ – normalerweise liebe ich das nämlich.
Was ich mich auf der Tour gefragt hatte: Gibt es für Dich so etwas wie ein typisches „Lotte-Publikum“? Ich war in München und fand das Publikum wirklich sehr gut gemischt.
Ist es! Sehr gemischt! Ich kann das gar nicht so richtig beschreiben. Ich habe junges Publikum, viele Kids, die seit den Songs Auf beiden Beinen und Pauken zu meinen Konzerten kommen. Viele von den Mädels tragen noch meine Frisur von damals, was ich total schön finde. Die sind so 12/13 oder noch jünger teilweise. Dann sind da aber auch Erwachsene, Paare, und Jugendliche. Das ist komplett gemischt.
Wie hast Du das dann Mitte März empfunden, als wirklich der Lockdown kam und erstmal gar nichts mehr ging?
Das war für mich erst einmal wie mit 180 gegen die Wand zu fahren. 2020 wäre mein Live-Jahr gewesen. Wir haben Gott sei Dank noch die Tour im Februar gespielt. Aber eigentlich wären danach Festivals und eine weitere Tour im November gekommen. Jetzt fällt das plötzlich alles weg. Das war erst einmal komisch, vor allem, weil ich jetzt das erste Mal seit drei Jahren – quasi gezwungenermaßen – Pause gemacht habe. Ich bin seit dem ersten Album vom einen Abendteuer zum nächsten gerannt und irgendwann rennt man ja auch ein Stück weit vor sich selbst weg, wenn man sich immer mit neuen Jobs und neuen Sachen den Terminplan zuballert. Aber mit Corona waren da auf einmal keine Termine mehr. Drei, vier Wochen einfach Stille.
Das konfrontiert einen mit einem selbst.
Ich habe dann angefangen, andere Sachen zu machen, habe dieses Jahr für mich umgeplant. Anstatt live zu spielen mache ich jetzt neue Musik. Wir sind gerade auf dem Land und schreiben für mein nächstes Album. Das mache ich mit einer ganz neuen Ruhe und Gelassenheit – auch schön.
Ich habe mir den Clip zu den Countryside Sessions bei Amazon Music angeschaut. Wie kam es zu der Idee, das zu machen?
Amazon wollte schon länger so eine Aktion mit mir machen, was mich total gefreut hat. Es gab zuerst ganz viele Möglichkeiten, wo man hinfahren kann, um diese Session aufzunehmen. Am Ende hab ich mich dann aber für eine wunderschöne Scheune auf dem Land entschieden. Der Grund dafür: Musik fängt für mich immer im Stillen an, im ganz Privaten. Sie ist für mich autobiographische, eine Verarbeitung dessen, was ich erlebe. Wenn Songs entstehen, geschieht das erstmal leise und klein, deshalb wollte ich nicht in der lauten Großstadt oder an den belebtesten Plätzen mit Neonlicht etwas machen, sondern auf dem Land in der Ruhe und Stille, wo ich ja auch aufgewachsen bin.
Ich bin selbst überrascht, wie schön und natürlich die Countryside Session geworden ist. Auch das Making Of. Das zeigt uns alle total befreit und ungeschminkt.
Würdest Du denn sagen, dass das Land besonders für Dich ist? Ich habe auf Deinem Facebook-Profil gesehen, dass Du das Leben in der Großstadt hin und wieder hinterfragst.
Ich finde das Leben in der Großstadt schon genau richtig für mich gerade. Ich bin inzwischen in Berlin, vorher war ich in Hamburg. Ich mag den vielen Input und die Nähe zu den Freunden, die ich in der Stadt hab. Aber ich merke trotzdem auch immer wieder, dass es mich manchmal überfordert. Ich bin eh schon eher ein sensibler Mensch und diese ganzen Eindrücke, die in der Großstadt auf einen einprasseln, kann man ja gar nicht filtern. Ich merke das, wenn ich wie jetzt auf dem Land bin und die Vögel zwitschern, es riecht besser, ich kann laufen gehen und da ist vielleicht dann noch ein See ums Eck, das macht mich selbst viel ruhiger und glücklicher. Dauerhaft wird das der Ort sein, wo ich hingehöre.
In den Countryside Sessions hast Du fünf Stücke neu aufgenommen. Wie würdest Du selbst die Ergebnisse der Sessions beschreiben? Was hat das mit den Stücken gemacht?
Ich find‘s schön, dass wir die Countryside Sessions genau jetzt machen konnten, nachdem ich das Album Glück rausgebracht habe. Glück ist etwas elektronischer und spielt mit weniger organischen Elementen, als das erste Album. Gerade deshalb ist es schön, dass wir jetzt die Chance hatten, auch diese Songs so organisch hinzustellen – noch viel krasser, als wir es je zuvor gemacht haben. Wir haben das alles in einem Raum aufgenommen, hatten eine Pedalsteal-Gitarre dabei, zwei zusätzliche Sänger. Ich liebe die Songs in diesem neuen Gewand.
Kannst Du Dir vorstellen, das Thema Countryside Sessions auch noch weiter auszuweiten? Vielleicht mit mehr Stücken oder vielleicht auch einem besonderen Live-Set?
Ich denke, dass die Versionen auf jeden Fall auch noch öfter gespielt werden, weil sie wirklich sehr schön sind. Vielleicht in einem Akustik-Set, wenn wir irgendwann wieder auf Tour gehen können.
Wir haben schon über das Thema Live-Spielen gesprochen, Du hast die an sich angesetzten Daten im Herbst und Winter angesprochen. Auf der Facebook-Seite standen die Daten noch drin. [Anm.: Stand 28. Juli 2020] Ist denn bisher geplant, dass die Tour stattfindet?
Die Mehr-Davon-Tour mussten wir nun auf Mai 2021 legen, da es dieses Jahr aufgrund von Corona einfach nicht möglich ist. Ich vermisse die Bühne, ich will so schnell wie möglich wieder rauf!
Es wäre ja auch noch das Heimspiel in Ravensburg dabei. Was bedeutet Dir diese „Tradition“?
Ich liebe meine Heimatstadt. Ich bin da aufgewachsen, hab seit ich denken kann in derselben Straße gewohnt, hab da meine Familie, meine Freunde… Dieses Heimatkonzert ist so anders als alle anderen Konzerte. Wenn ich da auf die Bühne komme, sehe ich, wie meine komplette Kindheit und Jugend dort stehen. Da steht meine Musiklehrerin, da sitzt meine Oma. Das hat gar nichts mit dem ganzen verrückten Unterwegssein und diesem Touren und den großen Bühnen zu tun, sondern ich darf das, was ich in dem letzten Jahr gemacht hab, am Ende das Jahres noch meiner Familie, meiner Heimat vorspielen. Das ist mit der emotionalste Moment des ganzen Jahres.
Wäre das für Dich auch gesetzt als Jahresabschluss oder würdest Du das auch an einem anderen Termin nachholen?
Dieses Jahr, werden wir das Konzert wegen Corona ja leider nicht spielen können und holen es nun ausnahmsweise im Mai 2021 nach. Es wäre schon schön, wenn die Tradition um dieses Konzert bestehen bleibt, aber jetzt ist ja eh gerade alles im Ausnahmezustand.
Was ich zudem noch gesehen hatte, war, dass für das kommende Jahr schon die Show von Dir und LEA zusammen geplant ist. Was verbindet Euch beide? Ist das nur die Musikrichtung oder mehr?
LEA und ich haben uns vor drei Jahren kennengelernt und ich mag sie total. Wir beide schreiben autobiographisch über das, was uns im Leben bewegt. Ich bin Fan von ihrer Musik und sie ist auch privat richtig cool. Ansonsten hatten wir live noch nicht so viele Berührungspunkte, weil wir relativ wenig Festivals zusammen hatten, aber deshalb wird es jetzt auch Zeit, dass das passiert.
Zum Schluss würde ich noch gerne wissen: Wie sind die weiteren Pläne bei Dir? Kannst Du schon was sagen, wann es weiter geht in Sachen Veröffentlichungen?
Ich schreibe gerade neue Songs und das macht unglaublich viel Spaß. Ursprünglich dachte ich ja, dass ich dieses Jahr nur live spielen würde. Aber wie die Situation eben ist, sitze ich jetzt im Studio statt auf der Bühne.
Wenn dann irgendwann genug neue Songs da sind, wird aber erstmal produziert und so weiter. So ein Prozess kann dann gerne mal ein Jahr oder sogar länger dauern. Und der geht bei mir gerade erst los.
Jetzt mach ich erst einmal neue Musik, gute Musik, und lass mir Zeit dafür. Und ein Song kam ja auch jetzt gerade erst raus: MEHR DAVON.
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