Etwa ein Jahr nachdem Hexvessel mit All Tree einen smaragdgrünen Traumfänger über uns gehängt haben, haben die Finnen auch schon ein neues Album zusammengesponnen. Kindred heißt es, ist die fünfte Veröffentlichung der Hippies, die uns Natur-Mystizismus mit seiner okkulten, psychedelischen und progrockigen Färbung zurückgebracht haben. Einen guten Riecher, dass die Zeit dafür gekommen war, beweist die Band um den ruhelosen Geist und schamanischen Töne-Weber Matt Kvohst McNerney bereits seit Dawnbearer (2011). Das Debüt brachte man seinerzeit bei Svart Records heraus. Dorthin kehrt man nun mit Kindred zurück und es ist beinahe so, als ob sich bei der Band ein Kreis zu schließen scheint.
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Kindred ist deutlich dunkler, zaudernder und schwerer zugänglich, als noch seine beiden Vorgängerwerke. Es schickt uns ebenso wenig auf einen psychedelischen abgedrehten Rock-Trip im Inneren einer aufgeheizten Lavalampe wie When We Are Dead (2016). Noch nimmt es uns an die Hand und führt uns auf die sonnendurchflutete Waldlichtung für einen (auch) psychedlischen Sit-in und eine Reise durch die farbenschweren Fabelwelten wie bei All Tree. Kindred ist vertrackter. Es erschließt sich einem nicht sofort. Und wenn solche Floskeln ins Spiel kommen, ist man schnell beim Prog. So, wie Hexvessel sich dem Ganzen nähern, wird bereits beim Opener Billion Year Old Being deutlich. Hier gegen wir beinahe 50 Jahre zurück und schauen uns die eine oder andere Wurzel des Prog-Rocks zumindest einmal deutlich an, bevor wir weiter beobachten, wie die Band sie andachtsvoll in ihre folkige Hexvesseligkeit bettet. Es kommen einem Ikonen wie Jethro Tull oder Led Zeppelin in den Sinn, aber auch alte Black Sabbath. Man spürt den Geist, der in den Kompositionen wie ein erdiges Mantra wandert.
Stimmungen und Atmosphären sind das zentrale Thema auf Kindred. Sie liegen zum Teil im Schatten, sind schwer zu entschlüsseln und widerstreitend. Sie lassen uns im Unsicheren und sie entziehen sich dem Rationalen. Das Psychedelische greift in experimentelle Elemente. Beides wird zum Instrumentarium für den spukhaften und mystischen Wald. Beispielhaft hierfür stehen die beiden Instrumental-Stücke Sic Luceat Lux und Family. Während Ersteres experimentell, aufwühlend und dadurch beinahe beklemmend einen der Höhepunkte des Albums (Phaedra) einläutet, lässt das Zweite diesen warm, heimelig und vertraulich ausklingen.
Beinahe avantgardistische Töne schlagen Hexvessel mit Bog Bodies an und formen den Song mit Jazz-Besen und Saxophon zum Soundtrack für einen Suspense-Streifen der späten 60er Jahre. Vorher hat es mit Fire Of The Mind, ein Coil-Cover, tatsächlich der einzige, lupenreine Folk-Song mit Akustik-Gitarre und Lagerfeuer-Atmosphäre auf die Platte geschafft.
Stärkster Song auf Kindred ist jedoch Phaedra. Hört sich McNerney bei ersten Versen nicht ein wenig wie Tony Wakeford an, wenn er spannungsgeladen und moritatenhaft inmitten der bedrohlichen Szenerie den Erzähler mimt? Trompeten und rituelle Trommeln zeichnen uns ein zwingendes und entschlossenes Bild eines Menschen, der sich den dunklen und gefährlichen Seiten der Natur stellt. Der Wald, gleichgültig nährend und grausam, mit seinen diesseitigen und jenseitigen Bedrohungen und der Mensch, sein Antagonist und sein Jünger. Es ist High Noon. Großartig!
Auf Kindred zeigen Hexvessel eine neue Facette in ihrem Konzept. Sie schleichen sich mit psychologischem, mystischem und musikalischem Feingefühl hinterrücks an die bewussten und unbewussten Ängste, die uns mit der Natur verbinden, heran. Entschlüsseln und sich ihnen stellen, das müssen wir selber. Aber wozu geht man denn sonst auf einen Trip?
Kindred ist am 17. April in unterschiedlichen Formaten bei Svart Records erschienen.
Anspieltipps: Billion Year Old Being, Fire Of The Mind, Phaedra
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Tracklist HEXVESSEL – Kindred:
01. Billion Year Old Being
02. Demian
03. Fire Of The Mind
04. Bog Bodies
05. Sic Luceat Lux
06. Phaedra
07. Family
08. Kindred Moon
09. Magical & Damned
10 Joy of Sacrifice
Weblinks HEXVESSEL:
Official: https://www.hexvessel.com
Facebook: https://www.facebook.com/hexvessel
Bandcamp: https://hexvessel.bandcamp.com