Sehr entspannt in Erwartung eines Programms, das deutlich entzerrter sein sollte als das vom Vortrag, starten wir am Ostersonntag in den zweiten Festivaltag auf der Art Stage im Triptychon mit dem zweiten Set von Spectrale. Wir nutzen die Zeit, um uns zu den inzwischen vertraut gewordenen Klängen der Franzosen die angrenzende Art Exhibition mal genauer anzusehen. Das ganzheitliche Konzept der Veranstalter des Culthe Fests ist es seit einigen Jahren, neben der Musik, verschiedene andere Kunstrichtungen auf einem Festival in freundschaftlich familiärer Atmosphäre unter ein Dach zu bekommen. Die ausstellenden bildenden Künstler – Jeff Grimal, Irrwisch und Carmen Alba – sind ihrerseits eng mit der Musikszene verbunden und/oder durch diese in ihrer Arbeit beeinflusst. Die ausgestellten Werke, unter denen ich Cover-Artworks und von H.P. Lovecraft inspirierte Bilder wiedererkenne, können im Original vor Ort sogar erworben werden. Wer das allerdings nicht erschwingen kann, darf auch mit den zahlreichen Kunstdrucken und Bildbänden Vorlieb nehmen.
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Wir bleiben gleich an Ort und Stelle, denn Sangre De Muerdago beginnen ihr Set mit einem heimeligen Räucherritual. Die Band nennt die Wälder von Galizien ihr zu Hause, ist aber auch tief mit den Auenlandschaften von Leipzig verwurzelt und hat im letzten Jahr ein märchenhaft entrücktes Album mit Namen Noite vorgelegt. Sangre De Muerdago, das muss man schon sagen, wirken wie sie da mit verträumt verinnerlicht geschlossenen Augen sitzen und von wahrhafter Liebe, Begegnungen mit besonderen Menschen an sonnendurchfluteten Orten voller süßer Gerüche singen, wie von einem anderen Stern. Wundervoll ist es trotzdem.
Weiter geht es mit Sun Worship und der größten Überraschung des gesamten Culthe Fests, denn die Berliner Band hatte es sich offenbar vorgenommen, alle vor der Bühne Versammelten unisono wegzublasen. Durch verschiedene, mir nicht weiter bekannte Widrigkeiten wurde die Besetzung von Sun Worship unlängst halbiert, so dass sich die Instrumentierung auf eine Gitarre und das Schlagwerk beschränkt und die beiden verbliebenen Mitglieder auf den ersten Blick wirklich verloren auf der Bühne wirken. Die nächste Stunde zeigen uns die beiden, dass ihr so typischer Sound auch perfekt funktioniert, auch wenn man nur zu zweit ist. Man muss nur eben bereit sein, sich völlig zu verausgaben. Musikalisch drücken Sun Worship auf Punkte, an denen alteingesessene Black Metal Hasen seit Jahren Gefahr laufen, den Anschluss zu verpassen. Diffizile Melodien in rasendem Chaos, beinahe zwanghaft präzise Drums zwischen zweistimmigem organischem Gebrüll. Scheinbar unvereinbar Gegensätzliches verschmilzt zu purer, pointierter Innovation, lässt mich mit offenem Mund stehen und sehnsüchtig auf neues Material warten. Was soll denn da heute noch kommen?
Ja und so passiert, was passieren muss: Der sich anschließende Auftritt von Vanum, einer von mir doch sehr geschätzten Black Metal Band, die gerade Under The Banner Of Death unterwegs ist, muss sich diesen Eindrücken unterordnen. Die Dichte des Programms und die schiere Fülle dieser Eindrücke mögen den Funken des Verständnisses bergen, der mir dies nun zu verzeihen weiß. Hoffe ich. Anders als noch tags zuvor spielen die letzten vier Bands ausschließlich auf der Black Stage. Die Pausen zwischen den Auftritten werden etwas länger und durch die Soundchecks der Bands gefüllt. Trotzdem schleicht sich bereits jetzt eine leichte Verzögerung ein und so lässt es sich teilweise nicht vermeiden, dass sich erwartungsvoll wartende Metalheads bereits beim Check vor der Bühne versammeln und vereinzelt Unmutsbekundungen zu hören sind.
Das Culthe Fest nähert sich seinen letzten angekündigten Höhepunkten.
Einer von ihnen sind Ultha, die mich mit ihrem im letzten Jahr erschienen Album The Inextricable Wandering endgültig von sich überzeugt hatten. Die fünfköpfige Black Metal Band aus Köln hüllt sich in beinahe komplette Finsternis und undurchdringlichen Nebel und können im Schlaglicht des hektischen Stroboskops nur als Schemen wahrgenommen werden. Die Band hält sich mit ambient- und trancelastigen Stücken am Keyboard weitestgehend zurück und dosiert sie atmosphärisch innerhalb der harten Bretter.
Das Unaussprechliche Culthe Fest 2019 endet mit einem Mahlstrom unaussprechlich kosmischen Grauens, einem Feuerwerk amorphen Schreckens und dem finsterem Ritual zur Anrufung der großen Alten, auf das hier scheinbar jeder gewartet hat. Nach einem nervenzerfetzend langen Bühnenumbau, von dem die Installation der Drums beinahe eine dreiviertel Stunde beansprucht, wird Sulphur Aeon von der hungrigen Menge in Empfang genommen. Die Bonner Black-Death Metal Band schenkte uns gewissermaßen zu Weihnachten mit The Scythe Of Cosmic Chaos ein Album, das es wörtlich auf alle Best-Of Listen aller Metall Redaktionen in den Jahresrückblicken geschafft hat. Ich habe selten ein Album gehört, das soviel dichte Energie, ausgefeiltes und einfallsreiches Songwriting, ohne einen einzigen Moment der Länge aufbieten konnte. Dieses jüngste, dritte Album von Sulphur Aeon weist eine klare Richtung, in welche die Band unterwegs ist, und die zeigt nach oben. Klar, dass ich wahnsinnig gespannt auf diesen Auftritt bin. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Denn an Präsenz und Zusammenspiel kann dem Quintetts im gesamten Line-Up wohl niemand etwas vormachen. Die Songs, allesamt epische Hymnen dämonischer Ehrerbietung, gewinnen auf der Bühne noch an Wirkung. In den ersten fünf Reihen brennt die Sputnik-Halle und bis nach hinten werden zumindest zustimmenden die Fäuste gehoben.
Großartig war es. Ein großartiges Festival mit einem interessanten, lohnenswerten, handverlesenen und exklusiven Line-Up und einem Rahmenprogramm, das alles noch einmal abgerundet hat. Hinzu kam eine entspannte, familiäre Atmosphäre, bei der man aber trotzdem niemals den Eindruck hatte, irgendwas sei unprofessionell oder unorganisiert. Besser kann man es sich eigentlich nicht wünschen und eigentlich ist es auch schon fast zu schön um wahr zu sein. Deswegen kommen wir auch gern im nächsten Jahr wieder!
Die “personellen Überschneidungen zwischen Vanum und Sun Worship” gibt es nicht. Lars von SW spielt auch bei Ultha Gitarre, nicht bei Vanum.
Danke für den Hinweis. Wir werden das überarbeiten.