EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN – Bochum, Schauspielhaus (20.11.2018)

Fotos: EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN
Einstürzende Neubauten ©Marcus Nathofer
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Unvollständigkeit und gleichzeitig Wortfetischismus schießen mir durch den Kopf, als ich darüber nachsinne, wie ich eine Rezi zur Greatest-Hits-Tour der Einstürzenden Neubauten beginne. Die EN, die Avantgarde-Ikonen der deutschsprachigen Musikkunst, benennen eine Ansammlung ihrer besten Lieder Greatest Hits. Das sackt jetzt erstmal. So etwas hieß auch schon einmal Strategies against Architecture. Gut, auch englisch, aber… Greatest Hits? Irgendwie profan, da kann man nur hoffen, dass sich diese Vereinfachung nicht auch im Auftritt widerspiegelt.

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The Garden, Haus der Lüge und Nagorny Karabach sind die ersten drei dargebotenen Stücke. Leise, Laut, Leise, danach steht dann auch der Klang. Unvollständigkeit schießt mir erneut durch den Kopf… Haus der Lüge. Was ist mit dem Epilog? Obsolet? Weil mittlerweile aktuell? “… gleich Eintagsfliegen, nur noch auf und ab und ab und auf bespielen, um später dann zurückzukehren, ganz aufgedunsen, längst vergessen, nur noch kleine Kreise ziehen? Wir könnten, aber …” Doch das ist nicht ganz richtig so. Klar sind die Herren Bargeld, Unruh, Hacke sowie die später dazu gestoßenen Arbeit, Moser und noch später Gebhard nicht mehr die Jüngsten und so entwickelt man wohl zwangsläufig eine Vorliebe für die etwas gesetzteren und ruhigeren Stücke, und eine wirkliche Lustlosigkeit kann man Niemandem unterstellen, allerhöchstens eine gewisse Müdigkeit. Blixa wirkt zunächst ein wenig unterkühlt und distanziert, wobei diese Distanziertheit wohl auch nur auffällt, wenn man schon mehrere Neubauten-Konzerte gesehen hat.

Langsam kommt Stimmung auf

Vielleicht ist es auch ein bisschen der Lokalität geschuldet. Das Bochumer Schauspielhaus, voll bestuhlt, ist halt etwas anderes als eine Konzerthalle. Dasselbige kann auch vom Publikum sagen, in dem mit Sicherheit auch einige Abonnenten sitzen. Nichtsdestotrotz herrscht eine gute Stimmung und die Band bekommt nach jedem Lied großen Applaus. Der Main-Part des Konzertes wird zusammengesetzt aus den Stücken Dead Friends, Unvollständigkeit, Youme&Meyou, Die Befindlichkeit des Landes, Sonnenbarke, Von wegen, Sabrina und Susej. In der Zwischenzeit ist auch die Kommunikation zwischen Band und geneigtem Zuhörer besser geworden. Blixa erklärt ein paar Kleinigkeiten, wie zum Beispiel den Einfluss neuer EU-Richtlinien in Bezug auf Standardrohrlängen und der damit einhergehenden Veränderung der Tonhöhe eben dieser, oder das Zustandekommen eines Samples, indem man eine alte Aufnahme, die der junge Blixa im Matsch eines Hamburger Flutkellers liegend und gleichzeitig gitarrespielend aufnahm, in einen Teil des Liedes Susej verwandelt. Sehr unterhaltsam!

Das Stück How Did I Die? von der aktuellen LP Lament ist das letzte vor dem Ende des Hauptteils und bildet für mich den Höhepunkt des Konzertes, weil man hier mit einem riesigen Schritt in die Vergangenheit in der Gegenwart der Schaffensphase der Neubauten angelangt ist, und mir dieses Stück aus dem Konzeptalbum zum Beginn des Ersten Weltkriegs hier erstmals dargeboten wird. Sehr beeindruckend.

Nach einer circa fünfminütigen Erholungspause, in der der Applaus nicht abebbt, kehrt die Band auf die Bühne zurück und beginnt die Zugaben mit einer Ruhephase a lá Silence Is Sexy und einer etwas grün riechenden Zigarette. Es folgen Let’s Do It A Dada, Ein leichtes leises Säuseln und als letztes Total Eclipse Of The Sun. Zwischen den Liedern kommt es zu einigen Musikwunsch-Außerungen seitens des Publikums, wobei sich herausstellt, dass Herr Unruh auch die entlegensten Musikfragmente wie Nag Nag Nag noch kennt und Herr Bargeld mit dem Satz “Also das Letzte kenn ich jetzt nicht” passen muss … Unvollständigkeit schießt am Ende des Konzertes wieder durch den Kopf. Es fehlen für mich einige Greatest Hits wie: Die Interimsliebenden, Feurio, Yü-Gung, ZNS, Good Morning Everybody, Redukt, Selbstportrait mit Kater, Zampano, MoDiMiDoFrSaSo und Querulanten. Aber vielleicht sind das ja auch eher Strategies Against Architecture

Alles in Allem hat das Publikum an diesem Abend ein gekonnt in Szene gesetztes Konzert (das Schattenspiel auf der rückwärtigen Leinwand habe ich so auch noch bei keiner anderen Band gesehen) einer schon lang gedienten Ausnahmeband gesehen und goutiert.

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