Es war ja fast schon ein bisschen ungewohnt, am Freitagnachmittag über den Zeltplatz des M’era Luna Festivals zu flanieren, um Freunde zu treffen. Ungewohnt, denn: Weder fühlte man sich einer Gluthitze ausgesetzt noch stand man im tiefen Wasser. Nein, eine angenehme Temperatur und sonniges Wetter luden dazu ein, Freunde zu treffen, den Mittelaltermarkt zu erkunden, die neu installierte Geisterbahn zu begutachten und später bei Lesungen und im Disko-Hangar sozusagen das „Warm-up“ des Festivals zu begehen, bevor es galt, sich an Tag 1 in die Vollen zu stürzen.
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So begann der Samstag dann leicht windig, aber angenehm und es galt, sich schon bald in Richtung Festivalgelände zu begeben, denn schon früh gab es viel zu sehen. Beispielsweise Whispering Sons als Opener der Hangar-Bühne. Mit Alone eröffneten sie ein 25-minütiges Set dunklen Post Punks, das mit einer gewissen Kühle schon zu früher Stunde eine angenehme Faszination ausstrahlte. Stücke wie White Noise boten einen treibenden Charakter, der Gesang von Fenne Kuppens passte perfekt zu den Klängen und man merkte der Band an, dass es ihr überhaupt nichts ausmachte, zu so früher Stunde bereits auf der Bühne zu stehen. Als die Show mit Waste atmosphärisch beendet wurde, hatte man einen wirklich guten Einstand ins Festival genossen.
02. Performance
03. White Noise
04. Hollow
05. Wall
06. Waste
Für Freunde der düsteren Gitarrenklänge war in der Folge auch auf der Hauptbühne gesorgt: die Merciful Nuns spielten zur besten Mittagszeit auf. Zu den Klängen ihres ausgedehnten Intros kamen sie nach und nach unter Applaus auf die Bühne und animierten direkt bei Neo Alpha Genesis zum Mitklatschen. Eine gewisse Nähe zu den „musikalischen Urvätern“ des Gothic Rock war nicht zu leugnen, aber gerade das war es auch, was gefiel und den Sound prägte. Das sollte aber eher als Inspiration zu verstehen sein, denn bei Stücken wie Blue Lodge erkannte man gut die Eigenständigkeit im Sound der Band. Es waren kurzweilige und abwechslungsreiche 40 Minuten mit druckvollen und atmosphärischen Momenten wie in Allseeing Eye, bevor Blackbody/Ultraviolet das Set beendeten. Wer es komplett sehen möchte: Die Band hält es unter diesem Link bereit.
02. Cremation
03. Blue Lodge
04. Body Of Light
05. Karma Inn
06. Eternal Decay
07. Allseeing Eye
08. Exosphere
09. Blackbody/Ultraviolet
Schnellen Schrittes rüber in den Hangar und es wurde elektronisch. Und es war bereits um 13:15 Uhr gut gefüllt, als die Eisfabrik den Hangar enterte. Da darf auch bei über 20 Grad Außentemperatur ein Schneemann auf der Bühne stehen, heiß her geht es so oder so. Vom Opener Soon Enough an war nicht nur in den vorderen Reihen Top-Stimmung und viel Bewegung zu sehen. Eisfabrik hatten das Ding voll im Griff und garantierten mit Stücken wie Polar Night und Maschinen eine schweißtreibende Show. Show ist dabei auch ein Stichwort, denn neben ihren Klängen ist auch die Show gut durchchoreographiert und macht Spaß – der besagte Schneemann, die Schneekanonen, hier sitzt alles. Nach dem Ende mit Friends konnte man sich sicher sein, dass Eisfabrik sich ebensolche hier gemacht haben werden. Man wunderte sich einzig, dass eine solche Show bereits zu einer so frühen Zeit positioniert wurde.
02. Polar Night
03. A Million Lights
04. Maschinen
05. The Choice
06. Schneemann
07. The Survival of the Strongest Mind
08. White Storm
09. Walking towards the Sun
10. Friends
Draußen hatte in der Zwischenzeit bereits ein recht seltener Auftritt begonnen. Acht Jahre liegt das letzte Album von Zeraphine zurück, neue Aktivitäten sind nicht geplant, aber immer mal ein Auftritt, so wie hier beim M’era Luna, ist dann doch drin. Zum Glück, denn melancholischer Gothic Rock dieser Prägung ist nach wie vor schwer gefragt, wie der Publikumszuspruch trotz der langen Zeit ohne Album zeigt. Nummern wie Be My Rain sind nach wie vor im Gedächtnis geblieben und auch das jüngere Publikum, das mutmaßlich die Hochphase Zeraphines nicht mitbekommen hat, schien angetan. Insgesamt ein Rock-betontes Set war es, aber mit Stücken wie Kaltes Herz waren ruhigere Momente dabei, während man mit Stücken wie Out Of Sight (der letzten Single, wie Sven Friedrich mit Augenzwinkern anmerkte) in die Vollen ging. Zum Finale gab es am Schluss noch Die Wirklichkeit, vielleicht DIE Hymne der Band, bei der das Publikum noch einmal gut mitging.
02. Die Macht in dir
03. Be My Rain
04. Still
05. Kaltes Herz
06. Inside Your Arms
07. Out Of Sight
08. Louisa
09. No Tears
10. Die Wirklichkeit
Es folgte nun: ein längerer Aufenthalt im Hangar. Eröffnet von Erk Aicrag, Klappe, die erste. Bevor am Folgeabend Hocico die Bühne betreten sollten, war jetzt erst einmal Zeit für Rabia Sorda. Sozusagen die rockige Seite, dennoch mit einer elektronischen Note dabei. Es war laut und wild: verzerrte Gitarren, ein hohes Tempo und die raue Stimme Erks harmonierten wunderbar und Erk Aicrag derwischte wie wild über die Bühne. Das Publikum goutierte es, ging mit und spendete natürlich ordentlichen Beifall. Oder wie es ein Songtitel sagt: Shut Up And Dance – letzteres wurde zahlreich ausgeführt. Da wurde bis zum Schluss mit Walking on Nails Vollgas gegeben. Ein sehr kurzweiliger Auftritt.
02. Deaf
03. Violent Love Song
04. Out of Control
05. Shut Up And Dance
06. King Of the Wasteland
07. We’re not Machines
08. Turbulence
09. Walking on Nails
Wie es immer so ist in der Dichte der Highlights beim M’era Luna: Da spielen auch schon einmal Quasi-Legenden wie Das Ich bereits um 15:25 Uhr. Dennoch, wie hätte es auch anders sein sollen, war der Hangar sehr gut gefüllt und die Band spielte ein Hit-lastiges Set. Dazu die gewohnt aufwendige Bühnenshow, die Kostüme von Stefan Ackermann, Bruno Kramm und Band und eine ausdrucksstarke Bühnenshow. Stücke wie Kain und Abel oder auch Uterus verfehlten auch anno 2018 ihre Wirkung nicht, auch das verhältnismäßig neue Kannibale („nur“ zehn Jahre sind seit der Veröffentlichung vergangen) fügt sich gut ein und der Auftritt wurde zur runden Sache. Durch die relativ langen Stücke der Band war nur Zeit für sieben Stücke, wobei Gottes Tod zum Schluss noch einmal ordentlich zelebriert wurde.
02. Kain und Abel
03. Kannibale
04. Uterus
05. Das dunkle Land
06. Was bin ich?
07. Gottes Tod
Weiter ging es mit einer weiteren alteingesessenen Band, mit Clan of Xymox. Diese spannten in insgesamt acht Stücken einen guten Bogen über ihre bisherige Laufbahn und eröffneten mit Days Of Black aus dem gleichnamigen Album von 2017 und präsentierten in der Folge Stücke aus diesem wie auch aus dem letzten Jahrtausend. Wavige Klänge mit Momenten aus Rock und Elektronik gab es zu hören. Sei es Obsession, Your Kiss oder auch Jasmine and Rose – man sah: Wer hier war und der Show beiwohnte, tat dies nicht zufällig. Das Publikum ging gut mit und genoss sichtlich das Dargebotene, bis es mit dem Klassiker A Day sein Ende fand. Auch 34 Jahre nach der Gründung ist mit Clan Of Xymox noch zu rechnen.
02. Going Round
03. Obsession
04. Loneliness
05. Your Kiss
06. Jasmine and Rose
07. Emily
08. A Day
Auch draußen fiel weiterhin auf: In diesem Jahr waren viele Bands beim Festival anzutreffen, die nicht zum ersten Mal da waren. So auch The 69 Eyes, die im Jahr 2000 bereits beim ersten Durchgang des Festivals dabei waren. Damals noch zur Mittagszeit im Hangar, war man dieses Jahr am späten Nachmittag auf der Hauptbühne anzutreffen. Stilecht ganz in Schwarz spielten sie ein Set durch ihre Laufbahn inklusive der Stücke, die sie groß gemacht haben. Bei Stücken wie Gothic Girl trieft der Goth’n’Roll aus allen Poren – und diese Nummer ist nur eine von vielen, die aus dem frühen Werk der Band stammen. Dies tat auch schon der Opener Framed in Blood und auch ein späterer Ausflug ist mit Brandon Lee zu finden. Aber auch beispielsweise Jet Fighter Plane zündet an diesem Nachmittag gut. Man merkte der Band an: Auch beim inzwischen achten Auftritt hier fühlte sie sich sehr wohl.
02. Feel Berlin
03. Gothic Girl
04. Jet Fighter Plane
05. Dead Girls Are Easy
06. Never Say Die
07. Brandon Lee
08. Lost Boys
Wie viele Hits eine Band hat, kann man mitunter schon am Opener ablesen. So beispielsweise bei den folgenden Apoptygma Berzerk. Wer sein Set mit Love Never Dies eröffnet, muss noch einiges im Köcher haben. So war es auch und Stephan Groth jagte passend zum Jubiläum des Debüts Soli Deo Gloria direkt Burnin‘ Heretic hinterher. Dass die Band erwartet wurde, daran war schon vor der Show kein Zweifel zu merken, so dicht wie die Reihen bereits in der Umbaupause standen. Und sie wurden nicht enttäuscht. Non-Stop Violence, Kathys’s Song, Until The End Of The World… Die Band ging hier in die Vollen und zündete ein Hit-Feuerwerk, das sich gewaschen hatte. Gerade für die alteingesessenen Fans war es sehr erfreulich, wie viele Ausflüge in die frühen Zeiten unternommen wurden und wie elektronisch geprägt das Set – trotz Gitarre im Aufgebot – war. Aber auch beispielsweise Shadow funktionierte prima. Eine gelungene Stunde bester Apop-Unterhaltung, beendet von Mourn.
02. Burnin’ Heretic
03. Deep Red
04. Non-Stop Violence
05. Nearer
06. Kathy’s Song
07. Shadow
08. Asleep Or Awake?
09. Starsign
10. Until The End Of The World
11. Mourn
Eine Umbaupause später wurde es laut… Nicht so laut, wie manches Konzert schon, aber eben immer noch laut, denn Ministry waren an der Reihe. Al Jourgensen zeigte dabei von Beginn an, was ihm an Aussage wichtig ist. „Make America Great Again“-Samples, die Trump-Hühner mit durchgestrichenem Hakenkreuz auf der Bühne, die gerne auch mal einen Tritt abbekamen – die Kritik an der amerikanischen Regierung ist offensichtlich. Nach einem ausufernden Intro mit I Know Words ging der Fast-60er samt Band direkt über in die Twilight Zone, die noch relativ getragen begegnete, aber schon Shouts enthielt, mit Victims of a Clown wurde es Riff-lastiger, beim Punch in the Face war spätestens der Siedepunkt erreicht. Al Jourgensen steigerte sich rein und ließ es krachen. Wie auch in der Folge. Stücke wie Wargasm und Just One Fix sind auch beim M’era Luna Selbstläufer, So What als Finale zündet. Ein guter Auftritt, der allerdings evtl. etwas schneller das Tempo hätte anziehen können, um die Stunde Spielzeit noch optimaler zu nutzen. Aber das zu bemängeln wäre die berühmte Suche nach dem Haar in der Suppe.
01. Twilight Zone
02. Victims of a Clown
03. Punch in the Face
04. LiesLiesLies
05. Wargasm
06. Antifa
07. Just One Fix
08. So What
Es ging abwechslungsreich weiter. Wer schnell rüber zu den Elektro-Heroen von In Strict Confidence wollte, musste sich wundern, da ihr Set früher als erwartet schon zur Primetime um 20:15 Uhr losging statt um 20:30 Uhr, wie es im Plan stand. Aber auch, wenn man erst zu Kiss Your Shadow vor Ort war, so bekam man einiges geboten. Im Gegensatz zu den Vintage Shows als Duo stand die Band um Dennis Ostermann hier nun wieder in voller Bandbesetzung auf der Bühne und konnte mit seinem kantig-eingängigen Elektro punkten. Treibend-pulsierender Elektro mit wechselnder Dynamik, unterstützt durch Gitarre und weiblichen Gesang – ein Rezept, das funktioniert. Stücke wie das im mittleren Tempo angesiedelte Seven Lives zeigen es genauso wie eine temporeiche Nummer der Marke Herzattacke. Fokus des Sets lag vor allem auf diesem Jahrtausend. Das scheinen auch die Stücke gewesen zu sein, die das Publikum erwartete. Auch wenn manche bei dem Line-Up mit Gitarre und Frauengesang skeptisch sind, hier war offenbar einem jeden klar, was ihn erwartet. Nach dem finalen Evergreen in Form von Zauberschloss konnte man so in viele strahlende Gesichter schauen.
01. My Despair
02. Promised Land (Clubmix)
03. Kiss Your Shadow
04. Everything Must Change
05. Seven Lives
06. Forbidden Fruit
07. Set Me Free
08. Somebody Else’s Dream
09. Morpheus (Clubmix)
10. Herzattacke (Clubmix)
11. Engelsstaub
12. Zauberschloss (Extended)
Wer nun wieder den Hangar verließ, hatte einen leichten Stilbruch vor sich, denn auf der Hauptbühne zelebrierten aktuell In Extremo ihren Mittelalter-Rock. Seit über 20 Jahren funktioniert dies schon bestens und der Erfolg gibt der Band recht. Nicht umsonst sind die Reihen gut gefüllt. Was als Außenstehender auffällt, ist erneut: Man muss es mögen, man muss eine Ader für diese Art der Klänge haben. Stücke wie Vollmond und Mein rasend Herz werden von den zahlreichen Fans gefeiert, die Band gibt alles und ist sichtlich dankbar. Das muss ihnen lassen: Trotz aller Erfolge ist keine Spur davon, sich auf den Lorbeeren ausruhen zu wollen. Stattdessen soll jede Show für die Fans etwas Besonderes sein. So auch auf dem M’era Luna Festival. Ein Auftritt, der für Fans des Genres sicher ein Highlight gewesen sein dürfte.
03. Quid Pro Quo
03. Feuertaufe
04. Vollmond
05. Störtebeker
06. Unsichtbar
07. Lieb Vaterland
08. Mein rasend Herz
09. Frei zu sein
10. Rotes Haar
11. Sängerkrieg
12. Sternhagelvoll
13. Himmel und Hölle
14. Pikse Palve
Im Hangar als Headliner traten zu fortgeschrittener Stunde London After Midnight auf, die ein schweres Los hatten, denn der erste Teil ihres Sets lag in der Umbaupause für The Prodigy, der zweite Teil mitten im Set des Tagesheadliners der Hauptbühne. Dementsprechend war der Füllstand des Hangars ein wenig „ausbaufähig“, aber die Band trug es mit Fassung, schließlich waren auch immer noch viele Fans vor Ort, als die Videoleinwand von den Anzeigen für drei kommende Alben zum Intro überging und mit Psycho Magnet das Set eröffnet wurde. Eine düster verhangene Atmosphäre verbreitete sich mit den eingängig-dunklen Klängen der Band, die hier ein veritables Best Of zum Besten gab. Stücke wie Your Best Nightmare, Spider and the Fly oder auch Kiss sind nach wie vor im Gedächtnis der Hörer geblieben und werden von der Band in Bestform dargeboten. Nach Ministry wird auch hier wieder offensive Trump-Kritik laut, untermauert von Bildern auf der Videoleinwand bei Stücken wie America’s a Fucking Disease und Revenge. Dass ab der Hälfte des Sets deutlich auch The Prodigy im Hangar zu hören, tat der Stimmung keinen Abbruch. Ein würdiger Abschluss des Tages auf der Hangar-Bühne.
01. Psycho Magnet
02. Your Best Nightmare
03. Spider and the Fly
04. Shatter
05. After the End of the World
06. America’s a Fucking Disease
07. Revenge
08. Claire’s Horrors (acoustic/minimal mix)
09. Demon
10. A Letter To God
11. Kiss
12. The Bondage Song
13. Sacrifice
Draußen waren – wie bereits geschrieben – längst The Prodigy am Werk und lieferten einen Abriss erster Güte. Auch wenn die Band vielleicht nicht unbedingt eine Assoziation beim Thema „schwarze Szene“ ist, haben sie bereits 2009 bewiesen, wie gut sie in diese Umgebung passen und taten dies auch in diesem Jahr wieder. Mit einer Lichtshow, bei der man sich wunderte, dass es in Hildesheim anschließend überhaupt noch Strom gab, schnellen Elektroklängen, die den Flughafen in eine riesige Open-Air-Disko verwandelten und Hits plus neuer Single Need Some1 im Gepäck konnte da gar nichts schiefgehen. Schon der Opener Breathe vermochte es, das Eis nicht nur zu brechen, sondern zu schmelzen, dazu Titel wie Firestarter, Voodoo People und Smack My Bitch Up… Da konnte nichts schiefgehen. Mit Their Law und Take Me to the Hospital folgten natürlich dann auch noch zwei weitere Titel als Zugabe, ohne hätte die Band hier niemand ziehen lassen.
Damit war dann auch ein erfolgreicher erster Festivaltag vorbei. Wer noch nicht müde war, konnte im Hangar weiterfeiern oder am Zelt den ersten Tag resümieren, anschließend hieß es: Reserven für den nächsten Tag sammeln.
02. Resonate
03. Nasty
04. Firestarter
05. The Day Is My Enemy
06. Roadblox
07. Voodoo People
08. Need Some1
09. Get Your Fight On
10. Omen
11. Run With the Wolves
12. Invaders Must Die
13. Smack My Bitch Up
14. Their Law (Z)
15. Take Me to the Hospital (Z)