TORTOISE – The Catastrophist

TORTOISE - The Catastrophist
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8 Gesamtnote

8

Ausnahmen bestätigen bekanntermaßen die Regel – und jetzt machen sogar Tortoise mal Ausnahmen. Auf dem neuen Album The Catastrophist finden sich bei den elf Stücken diesmal sogar zwei mit Gesang. Diese repräsentieren zwar nicht unbedingt das gesamte Album und schon gar nicht das inzwischen weit über 25 Jahre andauernde Schaffen der Postrock-Urgesteine aus Chicago und machen es dabei auch nicht einfacher, einer weitergehende Einordnung als „Postrock“ vorzunehmen, aber sind dennoch beachtlich, da sie sich hervorragend in den Tortoise-Kosmos einfügen. Und dass, wo man es teilweise eigentlich so gar nicht wirklich erwartet. Gesangsspur eins ist beim verschrobenen Cover von David Essex‘ Rock On, das von Todd Rittman (Gitarrist bei U.S. Maple) gesungen wird, zu finden. Unerwartet, aber umso gelungener!

Völlig irrsinnig, im Tortoise-Universum gedacht, wird es dann, wenn Yo La Tengo-Schlagzeugerin Georgia Hubley in Yonder Blue singt, einer Soul-Ballade. So etwas erwartet man nicht auf einem Tortoise-Album und gerade das macht seinen Reiz aus. Ein bisschen knarzig aber ist der Sound natürlich auch hier. Und das war es dann auch mit Songstruktur und der großen Harmonie, wenn man das Album als Gesamtes nimmt, nachdem man es von den Ausnahmen im großen Ganzen her aufgedröselt hat. Wobei es eigentlich gar nicht disharmonisch ist, was die Band auf Album Nummer sieben spielt, es ist nur erneut die deutliche Abkehr vom klassischen Songformat, aber dennoch mit Strukturen, wie schon der titelgebende Opener The Catastrophist zeigt. Mal ein bisschen Kraut, dort ein bisschen Dub, Rock ist irgendwie auch drin – nur so richtig greifbar will es nicht werden.

Beispielhaft eine Nummer wie Shake Hands With Danger: Zu einer flirrenden Eröffnung und elektronischen Scapes ergänzt sich das Drumming und immer wieder ergänzen sich dramatisch anmutende Melodien. Es entsteht eine Kulisse, die einen mitnimmt. Eine, bei der so etwas wie Gesang mehr kaputtmachen würde als den Song aufzuwerten. Das Flirren und Knarzen begegnet dabei vielseitig. In Tesseract beispielsweise wiederum wirkt es sehr harmonisch und man hört gar Jazz-Anleihen. Melodien und Spannungsbögen bauen sich auf, variieren, werden modifiziert, angereichert – langweilig wird es hierbei zu keiner Zeit. Auch dann nicht, wenn man mal über die siebeneinhalb Minuten geht, wie es Gesceap tut. Mit einem vertrackten Beat schaukelt es sich immer weiter hoch und hält die Spannung dabei gut aufrecht.

Natürlich benötigt es eine Fantasie für die abwegigeren Klänge, um Tortoise zu mögen, aber wer diese hat, macht auch bei The Catastrophist nichts falsch. Ein Genre wie „Postrock“ in Worte zu fassen, ist schwierig. Wie sich das anhören kann, wenn es gut gemacht ist, das kann dafür dieses Album eindrucksvoll zeigen.

Tracklist TORTOISE – The Catastrophist
01. The Catastrophist
02. Ox Duke
03. Rock On
04. Gopher Island
05. Shake Hands With Danger
06. The Clearing Fills
07. Gesceap
08. Hot Coffee
09. Yonder Blue
10. Tesseract
11. At Odds With Logic

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