Freitag, den 20.06.2014
I Heart Sharks sind als erste Band auf der White Stage eingeteilt und die testen erst einmal die Anlage im Zelt. Krasse Bässe und eine noch bessere Stimmung, unglaublich für diese Uhrzeit! Kaum ist der letzte Ton verklungen, geht es auf der Blue Stage mit Drenge etwas Gitarren- dafür weniger Basslastiger zu. Die 2-Mann-Combo unterhält ihre Fans mit einigen guten Songs, die auch die Rockfraktion so langsam in Fahrt kommen lassen. „Interessant“ geht es derweil auf der Green Stage zu, denn Fucked Up fallen zunächst nicht direkt mit ihrer durchaus guten Musik auf, sondern durch das extrovertierte Auftreten von Sänger Damian Abraham, der schnell die Bühne verlässt um sich erst über den Wellenbrecher zu lehnen und seine Fans zu herzen und zu küssen und danach auch gleich noch zu ihnen herüberspringt um unter ihnen seinen Song weiterzusingen, sich auf ihren Schultern tragen zu lassen und später auch mit den Securitykräften zu schmusen. Das ganze natürlich Oberkörperfrei und mit dem Talent, die stark herunterhängende Hose nicht zu verlieren. Ein Auftritt der allen die dabei waren in Erinnerung bleiben wird. Da kommt kurz darauf eine Entspannung bei The Naked And Famous gerade recht. Die Band aus Neuseeland um die hübsche Frontfrau Alisa Xayalith zieht das Publikum schnell in ihren Bann und Songs wie Girls like You laden die Fans zum Träumen ein.
The Subways sind eine der typischen Festivalbands, auf die man sich wirklich immer verlassen kann. Sie liefern eine derartige Spielfreude, dass es eine wahre Wonne ist und ganz gleich ob Sänger Billy Lunn springt oder Frontfrau Charlotte Cooper ihre Mähne durch die Gegend schüttelt, der Spaß ist ihnen immer anzusehen und das steckt an. Zum Set gehören auch einige neue Songs, darunter die am gleichen Tag erschienene neue Single My Heart Is Pumping To A Brand New Beat. Diese neuen Tracks finden sich gut im Gesamtgefüge ein, aus denen natürlich die Klassiker wie Rock’n’Roll Queen oder We Don’t Need Money To Have A Good Time herausragen, bei denen sich ein wahrer Hurricane guter Laune entlädt.
Kurz darauf haben sich schon eine ganze Reihe Fans vor der blauen Bühne eingefunden um die Schweden The Sounds um Frontfrau und Chefin Maja Ivarsson gebührend zu empfangen. Und diese heizen ihrem Publikum mit kraftvollen New Wave beeinflussten Rocksongs und dem starken Organ der Sängerin ordentlich ein. Spaß satt versprechen immer irische Bands und Flogging Molly machen da ganz sicher keine Ausnahme. Seit 17 Jahren stehen sie für punkige Spielfreude und haben schon so manches Festivalgelände unsicher gemacht. So natürlich auch heute, wo sich einige, sicher auch trinkfreudige, Fans vor der Hauptbühne eingefunden haben. Es wird getanzt, gegröhlt und Staub aufgewirbelt, dass es eine wahre Freude ist.
Eine wahre Freude ist es danach auch, den Senkrechtstartern Chvrches im Zelt seine Aufwartung zu machen. Die Schotten zeigen eindrucksvoll, dass der Hype um ihren Electropop gerechtfertigt ist und legen mit We Sink gleich stark los und ab da ist es quasi ein Selbstläufer und das Publikum tanzt… Ein wirklich toller, aber auch verdammt lauter Auftritt bei dem sich die Bässe geradezu tief in den Kehlkopf bohren. Da tut es gut, dass Elbows Auftritt auf der Green Stage wieder etwas leiser und chilliger daherkommt. Los geht’s mit Charge vom neuen Album The Take Off and Landing of Everything und auch wenn die Band komplett auf Showelemente verzichtet, schwelgen die Zuschauer förmlich unter der angenehmen Stimme von Guy Garvey dahin. Vor fünf Jahren gewannen Elbow einen Brit Award als „Beste britische Gruppe“ und warum das durchaus verdient war, zeigen sie mit bodenständigen Songs mit viel Tiefgang.
Auch das deutsche Pendant Thees Uhlmann steht für anspruchsvolle Texte und da der ehemalige Tomte Sänger als Norddeutscher Jung vom Lande hier quasi ein Heimspiel besitzt, ist die Begeisterung im Publikum natürlich groß. Er wirkt einfach immer wie einer von uns, einem dem man es abnimmt, dass er trotz seines Erfolges eben wirklich auf dem Boden geblieben ist. Die 12-teilige Setlist besitzt all das, was man von ihm und seiner Band hören möchte, ganz gleich ob Am 07. März, Das Mädchen von Kasse 2, Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf oder & Jay-Z singt uns ein Lied, welches leider noch ohne Casper auskommen muss, dafür rappt Thees dann eben selbst den sonst von Casper vorgetragenen Part, denn dieser schont sich zu dem Zeitpunkt noch für seinen eigenen Auftritt, während wir bei den süßlich ruhigen Klängen mit gelegentlichen Rockeinlagen von The Kooks etwas chillen. Ein wunderbarer Mix aus den bekannten Liedern brachte pure Entzückung in die Gesichter der Zuschauer und vor allem den jüngeren, weiblichen Fans dürfte es schon recht heiß geworden sein. Und heiß versprach nun auch die Schlussphase des ersten Festivaltages zu werden…
Casper ist gerade ein echt unbeschreibliches Phänomen. Kaum einer scheint derzeit seine Fans so im Griff zu haben, wie eben dieser spitzbübisch und unscheinbar aussehende Rapper. Ein wahrer Dirigent der Massen auf der Bühne. Schon vor seinem Auftritt beginnen sich die ersten Sprechchöre im Publikum breit zu machen und explodieren in dem Augenblick, wo ihr Idol die Bühne für sich einnimmt. Casper versteht es aktuell wie kaum jemand sonst seine doch sehr minimalisierte Show zu einer einzig großen Party auf dem gesamten Gelände zu verwandeln. Sicherlich winkt beim nächsten Auftritt beim Hurricane die richtig große Bühne – dieser Schritt wäre nur mehr als logisch. Die pure Freude im Gesicht von Künstler Casper ist einfach ansteckend und dies sollte er sich auch bewahren. Zu XOXO stand dann auch kein geringerer als Thees Uhlmann zusammen mit Casper auf der Bühne und damit sich dieser kleine Besuch auch besonders lohnt, wurde zusammen der Tomte Song Ich sang die ganze Zeit von dir als Cover zelebriert. Ein Auftritt, der wirklich keine Wünsche offen lässt.
Wesentlich schwieriger war es da schon, einen passenden Eindruck von der Red-Stage an diesem Abend zu bekommen. Hochkaräter laden ein und dementsprechend ist auch der Zuschauerzuspruch vor der Bühne. Überall versuchen sich die Leute nach vorne zu drängeln. Teilweise ist es nicht möglich, sich eigenständig fortzubewegen. Aber auch von hinten betrachtet, mit einem Hauch von Musik von den anderen Bühnen, legen We Came As Romans, Bad Religion und Bring Me The Horizon eine grandiose Show ab, die jede für sich glänzte. Quirlige Frontmänner oder einfach welche, die mit ihrem Charisma punkten.
Auf der großen Green Stage geben sich derweil die Headliner die Klinke in die Hand. Nach The Kooks bringen die Grammy Preisträger von Arcade Fire bereits am ersten Tag des Hurricane Festivals 2014 den besonderen Flair in die Wüstenstadt im Norden Deutschlands. Die Kanadier trumpfen gewaltig mit ihren Stimmen und diversen Musikern auf. Durchbrochen wird der männliche Part, gesungen von Win Butler, von der stellenweise sehr hohen Frauenstimme Régine Chassagnes. Eine ganz besondere Atmosphäre liegt zusammen mit dem ganzen Staub in der Luft über Scheeßel. Ein Glanz, der sich auch in den nächsten Tagen gerne weiter zeigen darf.
Bildergalerie: Besucherfotos Hurricane Festival Tag 1 (20.06.2014)
Bildergalerie: Bandfotos Hurricane Festival Tag 1 (20.06.2014)u.a. mit Casper, Bring Me The Horizon, Bad Religion, The Subways, Chvrches
Samstag, den 21.06.2014
Verführung pur! Was machen die nur mit uns? Überall steigt einem der Duft von feinsten Speisen in die Nase. Dieses Aroma dringt selbst durch jene Nasen, die voller Staub hängen. Eine wirklich herrliche Auswahl, die von den üblichen Pizza oder Bratwurst Verdächtigen bis hin zu Hausmannskost oder Steffen Henssler Exoten sicher keinen Wunsch offen lässt. Während dessen hauchen To Kill A King die ersten zarten Keyboard Klänge von der Blue Stage gen Publikum. Sie erinnern leicht an die Klänge von Frank Turner, aber sie schaffen es leider nicht ganz zu überzeugen. Anscheinend müssen Kräfte gespart werden für den heutigen Samstag oder es ist schlicht und ergreifend einfach noch viel zu früh am Tag. Ein wirklich langer Tag, der dennoch irgendwie wie im Schnelldurchlauf abgespielt wird.
Schon winken die Briten von Skindred einem vom der großen Bühne zu. Eine wirklich tolle musikalische Kombination, die von Einflüssen von Punk und Metal geprägt ist, die jedoch melodisch von Reggae-Klängen durchbrochen wird. Das scheinbar richtige Rezept für den frühen Samstag. Sämtliche Hände vor der Green Stage sind gen Himmel gestreckt. Eine Combo, die wirklich verdammt viel Spaß bringt.
Eine scheinbar wirklich dämliche Aktion ist es, den Instragram-Account des Hurricane Festivals in die Hände der Punkrocker von Zebrahead zu geben, meinen zu mindest kleinlaute Mitarbeiter des Festivals. Gut, der schmunzelnde Gesichtsausdruck spricht da eher eine andere Sprache. Zebrahead haben jedoch nicht nur den Instragram-Account fest im Griff, sondern auch die Zuschauer. Sänger Ali Tabatabaee benötigt nur einen Satz „Please, everybody dancing“ und die Meute im Staub folgt seinen Anweisungen. Überall fliegen die Staubpartikel, die zwischendurch auch gerne mal die Gestalt von Klopapierrollen annehmen. Immer mal wieder werden die Songs durch eingespielte Themes bekannter Filme durchbrochen und lockern die Stimmung weiter auf. Der aufgeforderte Sitzstreik entlädt sich in flummigleich springenden Menschen. Dabei dürfen sich die ersten Reihen auch noch über eine Wasserflaschendusche der Security erfreuen.
Langsam grooven sich die Besucher des Hurricane Festival ein. Zeit zum Träumen bieten The Preatures im Zelt. Zarte Beats, die mit einer zarten, aber kräftigen Frauenstimme getragen werden. Ein Sound, der sich sehr durch tiefe Gitarren- und Basssounds auszeichnen, die wunderbar vom Keyboard begleitet werden. Eine besondere Stimmung herrscht auf der White Stage und passend dazu speit die Zeltdeko Luftblasen. Die kleine Horde von Menschen vor der Stage macht mächtig Stimmung.
Die Schaukästen auf der Blue Stage sprechen für Kenner nur eine Sprache – Fünf Sterne Deluxe. Hier muss man ganz klar sagen, dass Deluxe für das besondere Entertainment-Erlebnis steht! Das Bo ist völlig in seinem Element und agiert im Zusammenspiel mit seinen Mitstreitern einfach nur perfekt. Gerade sein norddeutscher Charme lässt sämtliche Frauenherzen einfach nur dahinschmelzen. Ach ja, und die Musik war natürlich auch noch vom Feinsten. Lässig, chillig und einfach etwas zum Wohlfühlen. Wohler hätte man sich sicher nur noch gefühlt, wenn man dem Nachbau einer Bar in Hamburg, die bei ihnen auf der Bühne stand, einen Besuch hätte abstatten können.
Weg vom Hip-Hop – hin zum deutschsprachigen Rock / Punk auf der großen Green Stage. Hier machen Donots aus Ibb-Town – wie sie die verschlafene Stadt im Tecklenburger Land gerne selbst nennen – den Anfang. Die Jungs begrüßen ihre Anhänger mit „liebes, gutaussehendes Hurricane – willkommen auf der 20 Jahre Club Tour“. Und obwohl man hier natürlich nicht wirklich von einem Acker-Club sprechen kann, bringen die Donots diesen berühmten gemütlichen Charme auf den Acker. Und die Frage von Frontsau Ingo Knollfrau „Wollt ihr unsere Kerzen auf dem Kuchen sein?“ kann man mit einem deutlichen JA beantworten. Die Donots treffen den Trend der Zeit perfekt und feiern mit ihren alten und sicherlich neugewonnen Fans eine riesige Sause.
Von Ibbenbüren geht es nun ungefähr 180 km weiter nach Düsseldorf. Die Broilers trumpfen nun auf der Green Stage auf. Die Donots waren im Gegensatz zu den Broilers wesentlich agiler und frecher auf der Bühne, aber durch ihre wirklich vorhandene Routine bewegen die Düsseldorfer die Massen vor der Bühne. Mit ihrem ersten Top 1 Album im Gepäck strotzen sie nur so vor Selbstvertrauen und Spielfreude und schaffen es sogar den heftigen Regenschauer über Scheeßel zu verscheuchen, was Sammy mit „da kommt die Sonne – unser Partyloch“ kommentiert. Ob die alten Klassiker wie Cigarettes & Whiskey oder die neuen Hits wie Ist da jemand – sie kommen einfach an. Ebenso wie die Ansage „Christian und Andy gebt uns mal Van Halen“. Und schwupps wird das Set durch ein kurzes Van Halen Cover von Jump durchbrochen, welches sie aber nur zu besonderen Prollanlässen rausholen, versichert die geborene Frontsau. Beim Song Wie weit wir gehen fordert Sänger Sammy das Publikum auf, seinen Lieblingsmenschen groß zu machen und auf den Schultern zu tragen. Was soll man sagen? Ein besonderer Moment beim Hurricane, welcher auch noch mit einem Mann auf Frauenschultern getoppt wird. Hut ab, unbekannte Frau! Und was fehlt noch für einen perfekten Broilers Gig? Richtig. Ein Circle Pit mit dem Helden in der Mitte, ein Bengalo auf der Bühne zünden und den Abgesang mit den Worten „… bedanken bei den feinen, feinen Menschen…“. Gab es alles. Ein Auftritt der keine Wünsche mehr offen lässt – gut, dieser Gig hätte ein bisschen länger dauern können.
Zwischendurch rockte noch die Alternative Band Bastille auf der Blue Stage auf. Eine Band, die im letzten Jahr ihren endgültigen Durchbruch verbuchen durfte. Und auch so passierte viel in der Zwischenzeit bei Bastille. Nicht mitbekommen? Es muss nicht immer ein Wechsel in der Belegschaft oder eine neue CD sein. Bastille haben ordentlich an Bühnenpräsenz und Selbstsicherheit dazugewonnen. So wirken ihre Songs einfach noch mal eine Spur besser. Sowas kann nur mit tanzenden und feiernden Menschen honoriert werden.
Tanzen ist ein gutes Stichwort. Etwas anderes geht bei den Dropkick Murphys nun auch wirklich nicht. Die irischen Klänge lassen kein Bein unberührt. Eine riesige Party im Zeichen des Kleeblatt wird vor der Green Stage (ob das Zufall ist?) regelrecht zelebriert. Die gängigen irischen Rhythmen werden von den Dropkick Murphys perfekt mit rockigen und punkigen Sounds angereichert. Eingeleitet wird ihr Gig mit The Boys are Back und sogleich wirbelt die Band über die Bühne und ähnlich quirlig geht es ebenfalls vor der Bühne ab. Lediglich zu Rose Tattoo wird es etwas ruhiger um die Green Stage. Was aber auch nach mehr als 30 Minuten Dauerfeuer sehr angenehm sein kann.
Zwischen angenehm und sonderbar siedeln sich wahrlich die Pixies an. Die Bostoner Independent Band hat leider vor der Bühne nicht den sehr großen Zuspruch zu verbuchen, was vielleicht auch dem jungen Publikum beim Hurricane Festival geschuldet sein kann. Alte Fans der Band waren jedenfalls sichtbar glückselig und auch überraschend viele jüngere Besucher konnten bei Hits wie Debaser, Monkey Gone To Heaven oder Where Is My Mind fehlerlos mitsingen! Ur-Bassistin Kim Deal wird zwar von Pixies-Fans schmerzlich vermisst, doch macht ihre aktuelle Nachfolgerin Paz Lenchantin ihre Sache wirklich gut und auch die Stimme passt halbwegs als Konterpunkt zum Gesang von Fronter Black Francis. Hier und heute trifft solider Rock auf schräges Entertainment. Zum Schluss des Sets wird mal eben die Gitarre von Joey Santiago zerlegt. Aber nicht einfach zerschmettert, sondern wird hier Saite um Saite auf unterschiedlichste Weise vom Gitarrenbody gelöst oder einfach mit Gewalt vom Hals gerissen. Wobei dieses im ständigen Einklang mit dem Track Vamos passiert.
Kraftklub oder die inszenierte Werbekampagne startet nun auf der Green Stage. Wie jeder spätestens jetzt weiß, werden Kraftklub in diesem Jahr ihre zweite CD auf den Markt werfen. Lang erwartet wohlgemerkt. Leicht „over the top“, aber die Aufmerksamkeit war ihnen gewiss. Und man muss zum Auftritt von Kraftklub auch sagen, dass ihm genau dieses Neue irgendwie fehlte. Wirklich viel neues Material wurde nicht geboten und den Rest hat man ja nun auch schön öfter mal gehört oder gesehen. Bessere Zeiten stehen sicherlich bevor.
Auch leicht abgenudelt, aber dennoch immer noch richtig stark und die Massen bewegend ist der Auftritt der Dänen Volbeat! Sie verstehen einfach ihr Handwerk, aber im zweiten Jahr der Festival Saison mit ähnlichem Set, bekommt der Vielhörer doch den ein oder anderen Anfall von Langeweile, auch wenn dieser nur sehr kurz sein mag. Die Dänen verstehen es einfach – auch durch ein riesiges Feuerwerk – die Massen mit ihrem ganz eigenen Sound für sich zu gewinnen. Gerade die Songs wie Lola Montez oder auch der Opener Doc Holliday gehen einfach ins Ohr, durchwandern den Körper und lassen diesen zappeln. Ein wirklich würdiger Abschluss auf der Green Stage an diesem Samstag.
Auf der roten Bühne wird es derweil hingegen fast magisch, denn die attraktive Schwedin Lykke Li verzaubert dort ihre Fans mit ihrer wundervollen Stimme und einem Sound, der nicht von dieser Welt, und schon gar nicht den Feldern Scheeßels zu stammen scheint. Silence Is A Blessing, zumindest wenn man trotzdem noch ihren Songs lauschen kann und so versinkt man immer mehr in eine wohlige Trance, die natürlich bei I Will Follow, dem wohl bekanntesten Song, einen Höhepunkt findet. Toller Auftritt, der Lust auf mehr macht!
Glamour pur steht aber noch auf der Blue Stage an. Lily Allen gibt sich die Ehre. Nach der bergab Achterbahnfahrt in ihrem persönlichen Leben steht an diesem Tag für die zweifache Mutter eben ihr neues Leben als Mama und Sängerin im Fokus. Als Bühnenbild im Vordergrund dienen der britischen Popsängerin riesige Babyflaschen. Relativ spärlich bekleidet wird ihr Auftritt immer wieder von diversen Tänzerinnen aufgelockert und bereichert. Eine zuckersüße kitschige Show, die sicherlich verdammt viele Mädchenherzen entzückt. Eigentlich ein wahrlich glamouröser Abschluss des langen Tages in Scheeßel, der durch Regenschauer und Sandwüste geprägt ist, doch auf der roten Stage sorgen ja noch Belle & Sebastian parallel für leuchtende Augen bei Britpop-Fans. Viele Hits haben sie zwar nicht eingepackt, doch mit The Boy With The Arab Strap ganz sicher einen besonders tollen und auch sonst wissen die sympathischen Briten zu überzeugen und lassen sich nicht mal von den zum Teil sehr laut von der Blue Stage herüberwehenden Songs Lily Allens aus dem Konzept bringen, sondern bauen dies geschickt mit ein. Da wird dann mal kurz auf der Bühne das Tanzbein geschwungen oder Sukie In The Graveyard der Britin gewidmet. Schön wars…
Bildergalerie: Besucherfotos Hurricane Festival Tag 2 (21.06.2014)
Bildergalerie: Bandfotos Hurricane Festival Tag 2 (21.06.2014)u.a. mit Pixies, Broilers, Donots, Bastille, Lilly Allen, Kraftklub, Lykke Li
Sonntag, 22.06.2014:
Faszinierend. Einfach nur erstaunlich will man meinen. Strahlende Gesichter wohin man auch blickt. Dies gilt nicht unbedingt für jeden Festivalbesucher, aber für jeden freundlichen Menschen, der ein Leibchen mit der Aufschrift „Security“ trägt. Unwillkürlich stellt man sich die Frage, wie die das schaffen bei all den sicherlich dämlichen Fragen. Zweitrangig, denn es ist einfach nur erfrischend, lockert die Stimmung auf und entspannt auch so mal die ein oder andere kniffelige Situation. Einfach wunderbar.
Die Blood Red Shoes verbreiten die ersten Klänge über das noch verschlafene Festivalgelände. Das Gegenspiel aus weiblichen und männlichen Gesang erfrischt und schaukelt sich auch immer weiter stimmungstechnisch nach oben. Die zweiköpfige Rockband aus England siedelt sich im Subgenre Indie-Rock ein, kann aber noch nicht jeden Besucher überzeugen. Die Stimmung ist für diese Uhrzeit okay, könnte aber gerade auch im vorderen Bereich vor der Bühne noch etwas besser sein.
Minimalistischer geht es auf der Blue Stage mit London Grammar weiter. Eine unscheinbare Frau mit noch unscheinbarerem Outfit betritt die Bühne, stellt sich vor das Mikrofon und haucht die ersten Töne hinein. Wobei selbst die gehauchten Töne von einer unbändigen Kraft herrühren. Die unscheinbare Person namens Hannah Reid schafft es mit einer minimalistischen Show – einfach durch ihr wunderbares Instrument Stimme – zu fesseln. Vor der Bühne stehen wie angewurzelt faszinierte Menschen, die einfach nur lauschen und staunen. Gezielt wird applaudiert, die Augen geschlossen und im Takt der Musik wiegen die Körper.
Noch so in Trance versetzt fällt es doch sehr schwer sich auf Dispatch einzulassen. Die aus Bosten stammende Independent Band vermischt den typischen Indie-Rock mit vielen Elementen aus dem Bereich Reggae. Leider hat dieser Mix aus den verschiedenen Elementen an diesem Tag eher wenige Anhänger. Einen bleibenden Eindruck hinterlassen hingegen sicherlich We Invented Paris, die die Meute vor der Bühne erst einmal mit Wasserbällen zu einer Portion Nachmittagssport animieren. Aber übertreiben will es das Künstlerkollektiv nun auch wieder nicht und fordern sogleich zu einem sitzenden Wohnzimmerkonzert auf. Alle sitzen? Nein, natürlich nicht. Die Security liegt sich im Graben stehend in den Armen und schunkeln im Takt des Boxensounds mit und sind auch sogleich Vorbild für sämtliche sitzenden Besucher. Schunkelnde Einigkeit! Faszinierend, wie schon erwähnt.
Kapitän Weist entert nun die Green Stage. Bewaffnet mit einer ordentlichen Portion Schnaps und dem Lied Kein Bock stürmen Jennifer Rostock die Bühne. Spulen ihr so typischen Programm ab, welches durch die lockeren Sprüche von Frau Weist aufgelockert wird. Jedoch mit einem Humor, den man mögen muss und der auch spätestens beim zweiten Mal hören nicht mehr witzig ist, da es ihm an Spontanität einfach mangelt. Der Applaus und die freudigen Gesichter sind dennoch an diesem sonnigen Nachmittag in der Überzahl.
Und wer vor Jennifer Rostock flüchtet, der landet unter Umständen bei Young Rebel Set auf der White Stage im Zelt, die ihr eigenes Set mit Right Here, Right Now von Fatboy Slim beginnen. Der Zuspruch im Zelt ist gigantisch. Die britische Folk-Country-Rockband versteht es, die Meute vor der Bühne anzuheizen, auch wenn sie keine sehr große Show abziehen.
Der heutige Sonntag scheint eh etwas ruhiger zu sein als noch seine Vorgängertage mit ordentlich viel Punk oder Metalcore. Wieder steht ein einsamer Mensch auf der Bühne. Passenger, der britische Singer und Songwriter Mike Rosenberg, schafft es ähnlich wie London Grammar die Zuschauer in einer Wolke der Glückseligkeit gefangen zu halten. Zaghaft mischen sich immer mal wieder Gesänge aus dem Publikum unter die kräftige Stimme von Mike, der auch sogleich auffordert, dass man ruhig mitsingen darf. Sofort erklingt ein lauter Chor, der den Sänger erst einmal völlig aus dem Konzept bringt und er lachen muss. Mit immer wieder auflockernden Worten wie „Ist es okay vor euren Augen Whisky zu trinken? Okay, es ist doch nur Apfelsaft“ oder „Don’t be shy – sing with me“ verschmelzt der Solokünstler mit seinen Zuhörern, die er spätestens mit einem Simon & Garfunkel Cover völlig im Griff hat.
Alternativ-Rock funktioniert an diesem Wochenende in Scheeßel eigentlich immer – es scheint fast ein Nährboden dafür zu sein. Fast, auf jeden Fall. Denn die White Lies schaffen es leider nicht so recht, das Gros des Publikums zu überzeugen oder viele Hände gen Himmel recken zu lassen. Ein bisschen lustlos (oder übercool) wirkt das und mit vielen unerklärlichen Pausen zwischen den einzelnen Stücken bekommen die Londoner keine wirkliche Spielfreude nach außen getragen, die sich auf das Publikum übertragen lässt. Wirklich schade ist diese künstlich gezogene Handbremse, denn während der einzelnen Stücke lässt sich, ganz wie auf CD, viel Potenzial für mehr erkennen.
Spritzig und lebendig springen Bonaparte über die Blue Stage. Die Berliner mit dem Schweizer Frontmann Tobias Jundt verstehen es auf eine besondere Art und Weise das Publikum zu unterhalten. Ständig passiert irgendetwas auf der Bühne. Tänzer und Tänzerinnen komplettieren das verrückte Bild. Auffällig ist dabei, dass es auch bei mehrmaligem Anschauen der Band kaum Wiederholungen in ihrem Set gibt. Sehr erfrischend und so genau das richtige zwischen den ganzen Einmann-Shows auf der Blue Stage.
Denn schon danach erklimmt der nächste Solokünstler die Bühne. Ed Sheeran, den sicherlich jeder dank seiner I See Fire Hobbit-Vertonung kennt. Im direkten Vergleich der Singer / Songwriter muss man aber auch sagen, dass hier Passenger die Nase doch ein bisschen vorne hat. Sheeran fasziniert seine eingefleischten Fans, doch die zum Teil skurrile Darbietung seiner Songs scheint auch den einen oder anderen eher zu verstören als zu begeistern und so pilgern nach anfänglicher Begeisterung doch schon einige etwas früher zu The Black Keys auf die Green Stage oder auch zu Tocotronic auf der Red Stage, die beide erdiger daher kommen. Gerade das ungewöhnliche Duo von The Black Keys, live zum Quartett angewachsen, überzeugt mit seinem Bluesrock.
Wer jetzt denkt, dass dieser Sonntag ein Schmusetag ist, der irrt sich aber gewaltig. Fettes Brot machen auf der Blue Stage den Anfang. Kaum stillstand – kaum eine Verschnaufpause. Die drei Hamburger bestechen durch ihren spitzbübischen und norddeutschen Charme. Sie peitschen die Hurricane-Besucher nur so durch ihr Set. Kein Bein bleibt steif auf dem Boden stehen. Im Gepäck haben die Jungs einen Mix aus alten Krachern und Songs aus dem neuen Album 3 is ne Party. Auch die laufende Weltmeisterschaft in Brasilien bleibt mit dem Song Fußballgott nicht ungewürdigt. Ein richtig guter Auftritt, der kaum noch getoppt werden kann.
Doch auf der großen Bühne stehen schon die Berliner von Seeed in den Startlöchern. Ähnlich wie Fettes Brot – nur mit der berlinerischen Zurückhaltung – lassen sie die Hüften ordentlich kreisen. Wobei auch Songs aus den Soloprojekten der Formation nicht unbeachtet bleiben. Eine schöne Einheit und ein überaus würdiger Abschied vom diesjährigen Hurricane Festival.
Es ist ein Abschied, der wirklich nicht besonders leicht fällt. Eine schiere Freundlichkeit, die ihresgleichen sucht, schlug einem förmlich über die ganzen Tage entgegen – stets bemüht es allen Recht zu machen. Eine Stadt, die dem Projekt „The Truman Show“ gleicht. Eine eigenes für dieses Event erbaute Stadt, mit dem Unterschied, dass hier keine Schauspieler Gefühle vorgaukeln. Familie für ein Wochenende. Heimisch. Wohlfühlen. Geborgen. Ein Abschied, der nicht leicht fällt. Oder eher ein Wiedersehen – in 2015!
Bildergalerie: Besucherfotos Hurricane Festival Tag 3 (22.06.2014)
Bildergalerie: Bandfotos Hurricane Festival Tag 3 (22.06.2014)u.a. mit Seeed, Fettes Brot, Jennifer Rostock, Franz Ferdinand uvm.
Fotos: Michael Gamon, Rainer Keuenhof (Seeed)