Am 16. Oktober 2017 stand die Bochumer Matrix ganz unter dem Einfluss von Metal, denn an jenem lauwarmen Oktoberabend öffnete der Club die Türen für Besucher*innen der diesjährigen Ausgabe der Metal Female Voices Tour. Das Lineup der Tour brillierte mit einer sehenswerten Vielfalt an Bands aus verschiedenen Subgenres des Metals, die alle eins gemeinsam haben: ausdrucksstarke weibliche Sängerinnen. Die Hauptheadliner setzten sich aus The Agonist (Kanada), Sirenia (Norwegen/Frankreich) und The Birthday Massacre (Kanada) zusammen. Unterstützt wurden sie darüber hinaus von Elyose (Frankreich) und Xeroson (Irland). Durch das sehenswerte Line-Up war demzufolge auch der Club relativ schnell rappelvoll gefüllt mit jungen und alten Metal-Fans – eine gute Voraussetzung für einen erfolgreichen und unvergesslichen Abend.
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Der Einlass war um 19 Uhr und somit relativ spät angesetzt dafür, dass fünf Bands den Montagabend musikalisch bereichern und verzaubern sollten. Deswegen fand auch schon kurz nach 19 Uhr das erste Set an, nämlich das von Elyose aus Frankreich. Die Band um die zierliche Sängerin Justine Daae spielte relativ stereotypischen Symphonic Metal, mit opernartigem, weiblichem Gesang und männlichen Grunts. Die Band bezeichnet sich selbst als führende Kraft in Frankreichs Nu-Industrial-Metal Szene, doch der Sound an jenem Oktoberabend erinnerte nichtsdestotrotz eher an Symphonic Metal, wie er auch später von Sirenia repräsentiert wurde. Als das hervorstechende Merkmal der Band kann man die französischen Lyrics begreifen, die der Band dann doch einen gewissen individuellen Touch verliehen. Trotz der durchschnittlichen Musik konnte die Band bereits zu früher Stunde des Abends das Publikum begeistern, die folglich auch in sozialen Netzwerken ihre neuentdeckte Affinität zum Ausdruck brachten.
Als zweites betrat die irische Melodic Death Metal-Band Xerosun in post-apokalyptischer Erscheinung die Bühne. Sängerin Martyna Halas-Yeates und ihre Bandkollegen traten alle in brachial-anmutenden, post-industriellen Outfits auf und waren mit schwarzer Schminke allzeit bereit für den Kampf, der oft mit der Post-Apokalypse in Verbindung gebracht wird. Somit setzte Martyna Halas-Yeates nicht, wie ihre Vorgängerin, auf Niedlichkeit und gutes Aussehen, sondern kommunizierte über ihr Outfit Toughness und Stärke. Halas-Yeates brillierte aber vor allem durch ihr abwechslungsreiches, stimmliches Repertoire. Der typische gutturale Gesang des Death Metals durfte nicht fehlen, jedoch wechselte sich dieser immer wieder mit harmonischen Gesangslinien ab, was allgemein zu schönen Kontrasten in der Musikwelt von Xerosun beitrug. Allgemein kann man sagen, dass die beiden Support Acts, Elyose und Xerosun, das Publikum gut auf die Headliner des Abends einstimmten.
Xerosun übergab dann das Mikrofon The Agonist, die zu den Einflüssen der ersteren zählen. Nach einem (im Nachhinein als unschön zu bezeichnenden) Sängerinnenwechsel im Jahre 2014 wird die franco-kanadische Band jetzt von der kanado-griechischen Künstlerin Vicky Psarakis gesanglich unterstützt. Als diese die Bühne betrat, ging ein lauter Jubel durch den Raum. The Agonist sind eine der bekannteren Bands aus dem Melodic Death Metal- Bereich und natürlich sticht die Band besonders mit ihrer weiblichen Sängerin hervor, da das Genre ansonsten sehr männerdominiert ist.
Ab dem ersten Song, My Witness, Your Victim, ertrank das Publikum in einem Meer von Haaren, da bei The Agonist klar und deutlich Headbanging als Programmpunkt galt. Bis auf Panophobia, You’re Coming With me und Thank You, Pain spielte die Band ausschließlich Lieder, die mit Psarakis aufgenommen wurden – denn die Sängerin arbeitet mit den Bandkollegen eng zusammen und steuert hauptsächlich die Songtexte bei. Somit hat sich auch der Inhalt der Lieder durch den Sängerinnenwechsel gewandelt und eine neue Phase in der Bandgeschichte eingeläutet.
Vicky Psarakis setzt, wie Martyna Halas-Yeates von Xerosun und ihre Vorgängerin Alissa White-Gluz, die jetzt bei Arch Enemy singt, auf die Abwechslung von gutturalem und klarem Gesang. Was The Agonist jedoch von den irischen Kolleg*innen unterschied war nicht nur die Interaktionsfreudigkeit der Kanadier*innen mit dem Publikum, welches immer wieder (erfolgreich) animiert wurde, noch lauter und agitationsfreudiger mitzumachen.
Die Bandmitglieder von The Agonist standen auch ganz klar im Fokus der Show, was auch durch die helle Lichttechnik unterstrichen wurde, die bei den Vorgänger*innen noch eine düstere Atmosphäre geschaffen hatte, die die Musik in den Vordergrund rückte. Und auch musikalisch unterschieden sich die beiden Death Metal-Bands stark voneinander: wo bei Xerosun komplizierte Songstrukturen dominierten, schienen bei The Agonist klare Gitarrenriffe und vor allem der Gesang von Psarakis im Fokus zu stehen. Somit zeigten beide Death Metal Bands des Abends, wie unterschiedlich das Genre von Musiker*innen verstanden wird und somit zu einer Vielfalt innerhalb des Genres führt.
Setlist THE AGONIST @ Bochum, Matrix (16.10.2017):
01. My Witness, Your Victim
02. Panophobia
03. The Villian
04. The Hunt
05. A Necessary Evil
06. You’re Coming with me
07. Thank you, Pain
08. Gates of Horn and Ivory
Der zweite Headliner des Abends waren Sirenia, die seit 2001 Symphonic Metal mit immer wieder rotierenden Sängerinnen kreiiren. Seit 2016 ist die Französin Emmanuelle Zoldan das Gesangsorgan der Band. Emanuelle Zoldan kann auf eine erfolgreiche Musikkarriere zurückblicken. Sie spielte mehrere Jahre in französischen Opern und arbeitet seit Jahrzehnten mit verschiedenen Metalbands zusammen. Auch mit Sirenia arbeitete sie bereits vor ihrem Beitritt der Band 2016 und war Teil des Sirenia Chors. Sirenia gelten als eine der bekanntesten Bands im Symphonic Metal-Genre und das Publikum bestätigte dies mit der immer größer werdenden Euphorie – ein guter Abend allgemein für alle Bands. Das Publikum war sehr offenkundig mit seinem Enthusiasmus und headbangte, tanzte, sang mit, machte all das, was einen besonderen Konzertabend ausmacht.
Neben Klassikern wie Path to Decay und The Other Side spielte die Band auch die neuen Lieder, die mit Emanuelle Zoldan auf dem Album Dim Days of Dolor zu hören sind. Professionell und mit Leidenschaft gab die Band ihre Lieder zum Besten, die mit komplexen und langatmigen Strukturen brillierten. So dauerte meistens ein Sirenia-Song genauso lange wie zwei oder drei Lieder von The Agonist oder Elyose. Dies tat der Stimmung keinen Abbruch und die Sirenia-Fans, die sich im Publikum befanden, belohnten die Band mit tosendem Applaus und textsicheren Gesangschören. Der andere Teil des Publikums war jedoch bereits schon hibbelig, denn der Auftritt von Sirenia symbolisierte auch den letzten Auftritt vor den Hauptheadlinern des Abends, den kanadischen Synthrockern von The Birthday Massacre.
Setlist SIRENIA @ Bochum, Matrix (16.10.2017):
01. The Path to Decay
02. Treasure n Treason
03. Goddess of the Sea
04. Cold Carress
05. Meridian
06. Dim Days of Dolor
07. My Destiny Coming to Pass
08. My Mind’s Eye
09. The Other Side
Zu relativ später Stunde an für einen Montagabend, nämlich um kurz vor 11:00 Uhr, betraten The Birthday Massacre unter tosendem Applaus nach einem langen, atmosphärischen Intro die Bühne mit dem Song Counterpane. Die Metal Female Voices Tour war die erste große Europa-Tour der Band seit zehn Jahren (von einigen Festivalauftritten abgesehen), doch die Kanadier*innen um die charmante Sängerin Chibi haben durch diese Abwesenheit auf dem europäischen Konzertmarkt nicht an Fans verloren. Textsicher sangen viele Fans, jung und alt, auch die Lieder des neuen Albums Under Your Spell mit, das im Frühjahr 2017 erschienen ist. Nicht nur Chibi, die immer wieder Herzen für das Publikum mit ihren Händen formte oder die Hände von Fans in der ersten Reihe hielt, bestand auf die Nähe mit dem Publikum, auch ihre Bandkollegen interagierten freudig untereinander und mit dem Publikum. Diese Interaktionsfreudigkeit der Band macht ein jedes Konzert der Band zu einem einzigartigen Erlebnis, bei welchem man abschalten und den Alltag für ein paar Stunden vergessen kann.
Neben den neuen Songs wie One (das mittlerweile durch ein Musikvideo visuell repräsentiert wird) und Games, gab die Band aus Toronto natürlich auch ihre bekanntesten Lieder, wie Video Kid, Lovers End und Blue, zum Besten. Eindeutig waren die meisten Besucher*innen für The Birthday Massacre gekommen – gegen elf Uhr glich die Matrix einem Inferno der Euphorie. Überraschenderweise, denn der Musikstil der Band unterscheidet sich deutlich von den anderen Bands des Abends. Oftmals verspielt mit dezenten popmusikalischen Elementen, setzt die Band auf ein Zwischenspiel von schweren und melodischen Elementen, die besonders von verträumten Synthelementen und grandiosen Gitarrenharmonien unterstrichen werden.
Zum Ende des Abends, der aus einer Zugabe von drei Songs bestand, war dann auch klar, dass The Birthday Massacre genauso viel Spaß hatten wie die Besucher*innen. Und als das Konzert nach Blue dann wirklich zu Ende war, entschuldigte sich die Band nach erneuten Zugabeforderungen, nicht mehr spielen zu können. Kompensieren konnte die Band dies, indem sie sich nach dem Konzert zu den Fans gesellte, geduldig Autogramme gab und Bilder machte. Glücklich entließ somit die Matrix die Besucher*innen des Metal Female Voices Konzertes, die schöne Erinnerungen mit sich nach Hause tragen konnte. Dass die Nacht in Bochum besonders für The Birthday Massacre ein Highlight der Tour gewesen ist, kann man auch über die Instagramseite der Band nachvollziehen, auf welcher, kurz nach dem Konzert, ein gemeinsames Bandfoto samt Publikum gepostet wurde.
Setlist THE BIRTHDAY MASSACRE @ Bochum, Matrix (16.10.2017):
01. Counterpane
02. Red Stars
03. Kill The Lights
04. One
05. All of Nothing
06. Destroyer
07. Superstition
08. Lovers End
09. Video Kid
10. Under Your Spell
11. Games
12. Leaving Tonight
13. Pins and Needles
14. In the Dark (Z)
15. Endless (Z)
16. Blue (Z)
Fotos: Andre Techert