Flake Lorenz, seines Zeichens Keyboarder bei Rammstein, hat mit Der Tastenficker sein erstes Buch veröffentlicht, das zudem auch als von ihm selbst gelesenes Hörbuch erscheint. Um dieses soll es an dieser Stelle gehen. Es ist ein sehr autobiografisches Werk geworden, das man jedoch eher als „Versuch einer Autobiografie“ bezeichnen kann, denn – das merkt auch der Autor selbst zu Beginn direkt an – er vielleicht sich gerne in Gedankengängen, es wird teilweise abstrakt und kann sich hier und da widersprechen. „Das liegt an meinem Gehirn“, erklärt Flake bereits zu Beginn. Das jedoch sollte an dieser Stelle nicht als Kritik aufgefasst werden, sondern ganz im Gegenteil, denn es ist ein sehr sympathisches Merkmal von Der Tastenficker.
Was man hier keinesfalls erwarten darf, ist eine Geschichte über Rammstein. Das Thema Rammstein wird nur am Rande angeschnitten. Es ist eine Geschichte über einen Musiker aus Ostberlin, der hier auf nüchterne, ehrliche und dabei auch humorvolle Weise von sich und seinem Leben erzählt und dabei auch gute Einblicke in das Leben in Ostberlin sowie die dortige Musikszene bietet. Gespickt mit Kindheits- und Jugenderinnerungen, Blicken in menschliche Abgründe und persönlichen Empfindungen. Zudem ist es auch eine Erfolgsgeschichte, die sich nicht wie eine solche liest, schließlich stieß Flake ja nach all den Jahren zu Rammstein (hier stets nur als „die Band“ bezeichnet) und feiert inzwischen internationale Erfolge. Betrachtet man seine Biografie, so ist das sicher vieles, aber nicht das, was man früher erwartet hätte.
Schon in den Kindheitserinnerungen ist man als Hörer des Hörbuchs gebannt von den trockenen Erzählungen des Musikers. Beispielsweise dann, wenn er ganz sachlich erzählt, wie man ihn in der Schule in der Pause in den Mülleimer gesteckt hat und er warten musste, bis wieder jemand etwas wegwirft, damit der Deckel offen ist und er wieder rauskommt. Oder dann wenn er davon erzählt, was er als Kind unter „Westen“ verstand. So dachte er, wenn es Geschenke aus dem Westen gab, der „Westen“ sei so etwas wie ein Kaufhaus für Rentner und hatte keinerlei geografischen Bezug. Überhaupt verstand er nicht, was gegen Ostberlin einzuwenden war – etwas, das sich übrigens auch später noch durch den Tastenficker zieht: Flake fühlt sich wohl in Ostberlin, nicht nur als Kind.
Das merkt man beispielsweise dann gut, wenn er davon erzählt, wie sie einst mit Feeling B in Westberlin spielen durften und er gar nicht recht versteht, warum es erstrebenswert ist, nach Westberlin zu kommen. Von der Schule aus ging es allerdings nicht nur zu Feeling B, sondern auch in den Alkohol. Bei diesem Thema nimmt Flake kein Blatt vor den Mund und erzählt, wie er dem Alkohol zusprach, warnt dabei aber auch davor. Als er dann einmal Pfeiffersches Drüsenfieber hatte, durfte er ein Jahr lang nichts trinken, plötzlich hatte er auch deutlich weniger sozialen Kontakt. Aber: Er hatte die Band. Obgleich er sich mit seinem Keyboard als „Tastenficker“ sah, der als Dienstleister auf der untersten Hierarchie-Stufe stand, so bedeutete ihm die Band doch einiges – und in all den Erzählungen darüber erfährt man auch viel über die damalige Musikszene Ostberlins.
Auch der Zeit nach Feeling B wird viel Platz eingeräumt. Flake berichtet, wie er sich als selbstständiger Musiker vom Arbeitsamt abmeldet, Geld mit einem Oldtimer-Verleih verdient, kurz vor der Insolvenz steht, aber nebenher auch „die Band“ (Rammstein) kennenlernt, bei der er dann Mitglied wird, obwohl die Musik ihm zunächst eigentlich gar nicht so zusagt. Neben Geschichten vom Tourleben legt er hier vor allem dar, wie er das Dasein als „Tastenficker“ abgelegt hat und es genießt, mit am Entstehen der Stücke beteiligt zu sein, die sich sogar gut anfühlen, wenn seine Parts am Ende gar nicht mehr mit im Stück landen. Das „Sich-gut-Anfühlen“, das Glück, das ist dann auch etwas, womit Der Tastenficker schließt: Flake stellt fest, dass er noch lernen muss, sein Leben richtig zu genießen und eben nicht immer über alles viel zu viel nachzudenken. Eine Feststellung, von der sich ein jeder eine Scheibe abschneiden kann. Und das Ende dieses wirklich gelungenen – fast fünfstündigen – Hörbuches, das an dieser Stelle wärmstens empfohlen wird!
Weblinks FLAKE LORENZ:
Label: http://www.roofmusic.de/shop/HOeRBUeCHER/AUTOREN-A-Z/Flake/-Der-Tastenficker—-Flake–4-CDs-.html
Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Christian_Lorenz