Vor gut einem Jahr erschien Konstantin Weckers Album Utopia und wir stellten fest: Nein, da ist einer vieles, aber nicht altersmilde geworden. Weiterhin war und ist Konstantin Wecker einer, der für seine Visionen einsteht, dafür kämpft und sie nach außen trägt. Das wurde auch auf den Konzerten deutlich, die er zum Album gespielt hat und dessen Mitschnitt nun als Doppel-CD veröffentlicht wurde. Man möge ihn einen Spinner nennen, so sagt er es unter anderem auf dem Album, aber er wird nicht müde, seine Ansichten zu teilen. Dabei setzt er zum einen auf die Musik, zum anderen gibt es aber, wie man es von ihm kennt, auch viele gesprochene Passagen, denn er kündigt selten bloß das nächste Stück an, sondern führt wortreich durch das Programm.
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Das geht bereits früh los und zeigt direkt zu Beginn, wie aktuell Wecker in seinen Themen ist. Nach dem eröffnenden Der Krieg, das mit Zeilen von Georg Heym arbeitet, folgt das gesprochene Antikriegsmanifest mit Datum 02. März 2022. Ein Datum nach dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine, auf den der Pazifist Wecker detailliert Bezug nimmt und dabei den Bogen auch zu weiteren Themen, die Krieg verursachen oder durch Krieg verursacht werden spannt. Dies auch immer wieder unter Bezugnahme von ihm geschätzter Dichter wie Erich Mühsam, dessen „Sich fügen heißt lügen“ für ihn eine Schlüsselzeile darstellt. Das ist alles keine leichte Kost, aber doch merkt man auch den Spaß an der Sache. Ein Genug ist nicht genug bspw. klingt mit Marimba und Lautmalerei trotz allem sehr beschwingt.
Es sind auch andere Themen, die Wecker bewegen. Man merkt es z.B., wenn er über die Demenz und die kleinen Momente des Glücks spricht. Gerade in seinem Alter, aber eben auch bei jüngeren kommt die Krankheit vor und der Mittsiebziger Wecker schärft noch einmal das Bewusstsein für diese Krankheit. Darauf folgt mit Die Tage grau ein nachdenkliches, von Streichern und Klavier untermaltes, Stück zum Thema. Einer von vielen nachdenklichen Momenten, bevor er zu seiner poetischen Welt überleitet. Wie groß diese ist, merkt man immer wieder an den Zitaten und Referenzen, wenn er unter anderem davon erzählt, dass die Brecht-Gesellschaft ihm genehmigt hat, dessen Werke zu vertonen. Zweifelsohne eine große Ehre, der Wecker auf diesem Werk auch gerecht wird.
Sicher, das ist – was nun aber auch nicht gerade überraschend erscheinen mag – ziemlich verkopft, was es hier von Konstantin Wecker zu hören gibt. Aber da steckt mehr drin. Vor allem Herz! Es ist immer wieder die Liebe zur Musik zu spüren. Das merkt man immer wieder und wird vor allem in dem Moment deutlich, in dem er eine Tonbandaufnahme aus dem Jahr 1959 startet, auf der er zu hören ist – und humorvoll ergänzt, dass er keine Ahnung hatte, was er dort sang. Und ja: Es ist auch Humor darin, so ernst das alles sein mag. Denn Wecker bleibt auch mit seinen 75 Jahren unbequem und geht dahin, wo es weh tut. Dabei regt er zum Nachdenken an, aber schreibt eben auch gute Musik. Wie dieses Live-Album mit seinen zwei Stunden Spielzeit gut beweist.
Tracklist KONSTANTIN WECKER – Utopia Live:
CD 1
01. Der Krieg
02. Antikriegsmanifest, 2. März 2022 (Text)
03. Der Gefangene
04. Auf der Reise nach Utopia 1 (Text)
05. Der Revoluzzer
06. Revoluzzer
07. Auf der Reise nach Utopia II (Text)
08. Genug ist nicht genug
09. Was ich an Dir mag
10. Warum Sonette? (Gedicht)
11. Jetzt, da Du Abschied bist
12. Demenz und die kleinen Momente des Glücks (Text)
13. Die Tage grau
14. Meine poetische Welt (Text)
15. An die Musen
16. Zu Louise Michel (Text)
17. Es ist schon in Ordnung
18. Die Tugend des Ungehorsams (Text)
19. Es gibt kein Recht auf Gehorsam
20. Auf der Reise nach Utopia III (Text)
21. Nur dafür lasst uns leben
22. Das wird eine schöne Zeit
CD 2
01. Wie lieb ich es, den Tieren zuzusehen
02. Weil ich Dich liebe
03. Zu Claire Waldoff und Friedrich Hollaender (Text)
04. Raus mit den Männern
05. Zu Mikis Theodorakis (Text)
06. Lied der Lieder
07. Zu Bertolt Brecht (Text)
08. Erinnerung an die Marie A.
09. Meine musikalische Welt (Text)
10. Parigi, o cara
11. Zu Franz Schubert (Text)
12. Was uns am Leben hält
13. Ach es regnet (Gedicht)
14. Was einem der Regen raunend erzählt
15. Auf der Reise nach Utopia IV (Text)
16. Was mich wütend macht (Gedicht)
17. Schäm Dich Europa
18. Auf der Reise nach Utopia V (Text)
19. Wir werden weiter träumen
20. Utopia
21. Stimmen gegen die Zerstörung der Welt (Text)
22. Anstatt zu siegen
23. Jetzt sehe ich es anders (Text)
24. Vom Glück des Gebens
25. Danke für Euer Da-Sein (Text)
26. Jeder Augenblick ist ewig (Gedicht)
Weblinks KONSTANTIN WECKER:
Homepage: www.wecker.de
Facebook: www.facebook.com/konstantinweckeroffiziell
Twitter: www.twitter.com/Weckerswelt