Wo man auch hinschaut oder hinhört, gibt es kaum ein Entkommen vor ihnen: True-Crime-Podcasts sind der heißeste Scheiß der Zeit. Denken wohl auch Laura Mary-Carter und Steven Ansell. Die beiden Mitglieder von Blood Red Shoes widmen ihr sechstes Album der Welt der Serienkiller, Psychopathen und Stalker. Ghosts On Tape enthält wahrscheinlich auch deswegen drei kurze Interludes, in denen jeweils nur geheimnisvolles Rauschen zu hören ist. Deutlich interessanter ist da schon der Großteil der zehn vollwertigen Songs. Der, soviel sei verraten, viele treue Fans schockieren, wenn nicht gar abschrecken wird. Denn die beiden Engländer widmen sich stärker denn je elektronischen Klängen und Midtempo. Vom zackigen Grunge-Indie-Disco-Sound von früher ist auf der neuen LP fast nichts mehr zu hören. Stattdessen wirkt Eye To Eye, der Opener des vergangenen Albums Get Tragic, nun im Rückblick wie eine Blaupause. Viel Atmosphäre, entrückter Gesang, Distortion-Bass und Synthie-Melodien im Refrain – all das gibt’s auf Ghosts On Tape deutlich regelmäßiger.
Der Beginn erinnert zunächst an einige Ghosts aus dem Hause Nine Inch Nails. Düstere, melodiöse Pianotupfer leiten ein, Ansell schreit (von ordentlich Verzerrer unterstützt) immer wieder “I Will Not Comply“, ein dicker Stampfbeat peitscht energetisch nach vorne, und am Ende kommt wieder die Klavierfigur vom Anfang. Ungewohnt, aber gut. Es folgt der Quasi-Zwilling von eben besagten Eye To Eye. Morbid Fascination war eine als erste Single sicher eine gute Wahl. Die verzerrte Synthie-Fanfare im Refrain bleibt sofort im Ohr und wenn Laura wiederholt “Silence Never Felt So Cruel” singt, möchte man in Angesicht dieses Top-Hits sofort zustimmen. Ein Hauch alter Blood Red Shoes weht in den nächsten beiden Songs. In tanzbaren Murder Me spielt quasi die Gitarre die Hook und dann schlüpft Steven in die Rolle des Schreihalses: Zwei Minuten lang peitscht Give Up richtig nach vorne, es liegt höllische Distortion auf der Stimme – bevor der Song nach zwei Minuten abrupt abbricht und in Ambient-Chillout-Electronica abdriftet.
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Wiederum verschieden kommt das im Downtempo gehaltene Sucker daher, bei dem Laura mit ihrem Gesang eine betörende, man möchte schon sagen, laszive Stimmung kreiert. Wieder packen Blood Red Shoes eine wunderschöne Synthie-Melodie in den Refrain, der Klang erinnert schon fast an alte Klassiker von Gary Numan. Weniger in die Kategorie “Klassiker” fällt aber das folgende Begging. Das Instrumental lädt zum Einschlafen ein, Laura singt, als ob sie selbst gleich einschläft. Gut, dass die zweite Vorab-Veröffentlichung I Am Not You die Hörerinnen und Hörer postwendend wachrüttelt. Wieder ein dicker Ausbruch im Refrain, wieder ordentlich Distortion auf Stevens Stimme, wieder eine prägnante Synthie-Hook – garantiert ein Stück, dass auch bei künftigen Live-Konzerten für Begeisterung sorgen dürfte.
Drei weitere Songs beschließen Ghosts On Tape mit der einen oder anderen netten Gesangsmelodie, zum Ende wird es bei Four Two Seven gar nochmal balladesk. Die Highlights liegen beim Nachfolger zur 2020 releasten Ø -EP aber vor allem in Hälfte eins. Überwiegend gelingt dem Duo aus Brighton der Sprung in neue musikalische Felder, man hat aber nach den gut 38 Minuten das Gefühl, dass hier noch mehr drin gewesen wäre. Ein Gespür für Ohrwürmer und Dynamik haben Blood Red Shoes, auf Albumlänge lassen sie seit einigen Jahren allerdings immer wieder nach. Live wird das natürlich niemanden stören – so Konzerte denn bald mal wieder möglich wären. Die für Februar geplante Tour musste die Band leider kürzlich absagen. Hoffen wir auf ein baldiges Wiedersehen.
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Tracklist BLOOD RED SHOES – Ghosts On Tape
01. Comply
02. Morbid Fascination
03. Murder Me
04. Segue 1 (I’ve Been Watching You)
05. Give Up
06. Sucker
07. Begging
08. Segue 2 (You Claim To Understand)
09. I Am Not You
10. Dig A Hole
11. I Lose Whatever I Own
12. Segue 3 (What Have You Been Waiting For)
13. Four Two Seven
Weblinks BLOOD RED SHOES
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Homepage: www.bloodredshoes.co.uk