Bobby Gillespie, der alte Haudegen, ist man versucht zu sagen. Wenn einer mit kurz vor 60 Jahren (ist er doch Jahrgang 1962) mit einem Album um die Ecke kommt, auf dem es ruhiger zugeht, in dem von Country und Folk angehauchte Rocksounds der ruhigeren Sorte, dann kommen schnell Beschreibungen wie „altersmilde“ o.ä. Nur: Das trifft es hier überhaupt nicht, denn Bobby Gillespie ist nicht allein, sondern hat sich mit Jehnny Beth, ihres Zeichens Sängerin der Post-Punk-Band Savages, die man in diesem Setting wohl noch weniger erwarten würde. Die Wildheit rein musikalischer Natur haben sie hier abgelegt, das Gefühlsleben darf wild bleiben, denn: Gemeinsam besingen die beiden hier eine Beziehung, die eigentlich gar keine mehr ist, weil sie zu ihrem Ende hin eher künstlich am Leben gehalten wird.
Erkennen tut man die Künstler freilich trotzdem schnell. Die Gitarre des Opener Chase It Down erinnert gar an Riot City Blues-Zeiten von Primal Scream, nur dass sie hier eben ganz anders erklingt, Wah-Wah-Sounds und Streicherakzente hinzukommen und der zweistimmige Gesang das seinige tut. Man merkt: In den Gefühlswelten der Protagonisten wird etwas beschworen, das mal schön war, aber eher von der Erinnerung lebt. Ein Gefühl, das auch im folgenden English Town aufrechterhalten wird. Man fühlt sich irgendwo zwischen französischem Chanson und dunkler Gasse, schöne Pianoläufe treffen auf Nachdenklichkeit und die Musik schafft es, auch beim Hörer die Emotionen der inneren Zerrissenheit zu wecken und nachfühlen zu lassen.
Beachtlich ist bei all dem, was hier aufgenommen wurde, dass ein Inhalt wie der Gebotene auf Albumlänge äußerst unschmalzig umgesetzt wurde. Selbst, wenn eine Nummer den prädestinierten Titel You Don’t Know What Love Is trägt, nimmt man Worte wie „Sometimes I think that love is a disease like addiction” den Künstlern ab. Eine gelungene Piano-Ballade ist es, die um Streicher ergänzt in Sachen Schönheit ein Highlight des Albums darstellt. Aber es darf dann doch auch noch etwas treibender werden: Living A Lie klingt bei all dem Inhalt irgendwie doch harmonisch. Manchmal hilft eben auch die Erkenntnis. Das schwingt sich hier zu einem druckvollen Chorus mit Bläsern auf, während in den Strophen auch schon mal Harfen-Sounds begegnen dürfen. Ein starker Kurz-vor-Schlusspunkt, bevor das Album mit dem harmonisch-melancholischen Sunk In Reverie endet.
Dann ist es auch schon vorbei. Nach nur neun Stücken. Man möchte beinah wehmütig werden, denn dieses Album, das man so nicht erwartet hat, lässt eine Fortsetzung wünschen. Diese möglichst unter zwei Prämissen: Dann möglichst mit noch eins zwei Stücken mehr und gerne auch noch mit ein bisschen Jehnny Beth. Den dominanteren Gesangspart hat eindeutig Bobby Gillespie, dabei ist Jehnny Beth ein wirklich guter weiblicher Konterpart. Überhaupt ergänzt sich das alles ziemlich gut, denn nicht nur die Gesangsstimmen sind aus beiden Bands zusammengesetzt, sondern auch die weiteren Musiker kombinieren Primal Scream und Savages. Man muss es einfach so sagen: Hier haben sich definitiv zwei gefunden!
Tracklist BOBBY GILLESPIE AND JEHNNY BETH – Utopian Ashes:
01. Chase It Down
02. English Town
03. Remember We Were Lovers
04. Your Heart Will Always Be Broken
05. Stones Of Silence
06. You Don’t Know What Love Is
07. You Can Trust Me Now
08. Living A Lie
09. Sunk In Reverie
Weblink BOBBY GILLESPIE AND JEHNNY BETH:
Homepage: www.bobbyjehnny.com