DELAIN & ILLUMISHADE – Bochum, Matrix (03.02.2024)

Delain & Illumishade © Sandro Griesbach
Delain & Illumishade © Sandro Griesbach
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Schon während des ersten Teils der Tour trugen Delain ihr erstes Album mit der neuen Besetzung quer durch Europa und bewiesen einmal mehr, wie toll die neuen Songs live funktionieren. Nun setzten die Niederländer noch einen drauf und brachten Dark Waters in 12 weitere Städte. Wir waren beim großen Abschluss der “Dark Waters over Europe – Act II”-Tour in Bochum dabei. Meine Hoffnung war, dass die neue Formation der Band nun langsam endlich breite Akzeptanz in der Fanbase würde erlangen können. Die überzeugende Live-Präsenz trägt natürlich wesentlich dazu bei. Delain war früher schon eine “Band zum Anfassen”. Und das ist sie jetzt auch noch. Ich kenne immer noch einige Fans der ersten Stunde, die nach wie vor sagen, dass sich ihr Gefühl verändert habe und die noch um das “alte Delain” trauern. Wir müssen diese Gefühle respektieren. Mir persönlich geht es aber wie den meisten: Ich halte die alte Besetzung in Ehren und liebe trotzdem auch das jetzige Delain. Solange Martijn Westerholt die Geschicke der Band leitet und diese Musik erschafft, wird Delain einen Platz in meinem Herzen haben. Abende wie der in der Bochumer Matrix unterstreichen einmal mehr, wie viel Kraft in dieser Musik steckt, und dass sie viele Menschen mit unterschiedlichen Schicksalen zusammenführen kann.

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Doch Delain kamen nicht allein ins Ruhrgebiet. Wie schon so oft bewiesen sie großes Talent dafür, die passenden Support-Bands auszuwählen und brachten uns Illumishade aus der Schweiz mit. Eben dort hatte ich die beiden Bands auch zuletzt zusammen gesehen: Bei den “Z7 Summer Nights” in Pratteln hatten Illumishade schon einmal den Abend  eröffnet (wir berichteten). Ich wusste daher schon, dass uns ein wahres Feuerwerk erwarten würde. Für manch anderen war die Band allerdings neu. Doch halt, ganz neu? Ein paar Gesichter sollten Metal-Fans vertraut vorkommen, schließlich sind Fabienne Erni (Vocals) und Jonas Wolf (Gitarre) auch Mitglieder von Eluveitie. Gegründet in 2019, wurde die junge Band zunächst von der Pandemie ausgebremst, konnte aber schließlich 2020 ihr Debutalbum Eclyptic: Wake of Shadows veröffentlichen. Doch die ersten drei Songs stammten sämtlich vom neuen Album Another Side Of You. Fabienne headbangte gleich von Anfang an enthusiastisch. Ein wahres Power-Paket, diese Frau! Doch auch im Songwriting überzeugen die Schweizer. Der Rhythmuswechsel in der Mitte des Openers Elegy kommt unerwartet und zeugt doch von großer Kreativität. “Es ist schön, hier zu sein, aber auch traurig!”, offenbarte die Fronterin den Fans. “Es ist das letzte Konzert der Tour, unserer ersten Europa-Tour und es war wunderschön”. Die neuen Songs kamen gut bei der Menge an, insbesondere natürlich Fabiennes intensive Vocals mit lang angehaltenen Tönen und auch schnellen Passagen. Sie kann ihr Talent hier voll ausschöpfen, was man bei Eluveitie bislang nicht in dem Maße sehen konnte.

“Der nächste Song ist definitiv unser Party-Song”, kündigte sie Crystal Silence an. An Party-Stimmung herrschte in der Matrix auch definitiv kein Mangel. Auch Jonas Wolf meldete sich zu Wort: “Stimmt es, dass Bochum eine große Metal-Community hat?”, fragte er und erntete brüllende Zustimmung. “Und ihr habt Herbert Grönemeyer, der ist auch gut”. Hier ging die Zustimmung schon deutlich zurück, aber Jonas ließ sich nicht beirren. “Ach kommt schon. Und ihr habt die ‘Zeche’. Ein guter Ort für diese letzte Show”. Da war wohl jemand etwas durcheinander, was die Locations angeht. Geschenkt! Auch die aktuelle Single Cloudreader konnte gleich das große Live-Potenzial von Illumishade unter Beweis stellen. Während des letzten Songs World’s End kamen Delain-Miglieder auf die Bühne und schoben die spielenden Bandmitglieder energisch zur Seite, um die Bühne zu fegen und abzuwischen. Unter großem Gelächter wurde hier eine alte Tradition gelebt, während des Tourabschlusses die anderen Bands auf die Schippe zu nehmen. Martijn brachte schließlich noch ein Tablett mit Joghurtgläsern und frischen Früchten herein und verteilte die Leckerbissen an Illumishade. Ich finde so etwas Auflockerndes immer wunderbar zu beobachten. Vor allem ist das auch ein Beweis dafür, dass die Chemie untereinander stimmt. Was auch nicht selbstverständlich ist, wenn unterschiedliche Menschen aufeinanderprallen, und sich wochenlang zusammen in oft beengten Verhältnissen arrangieren müssen. Illumishade konnten jedenfalls eine eindrucksvolle Visitenkarte abgeben. Die nächste Tour mit Visions of Atlantis ist bereits geplant. Wir werden noch viel von dieser jungen Band hören.

Setlist Illumishade @ Matrix, Bochum (03.02.2024)

01. Elegy
02. Enemy
03. Here We Are
04. Crystal Silence
05. Cloudreader
06. Rise
07. Muse Of Unknown Forces
08. Tales Of Time
09. World’s End

Weblinks Illumishade

Homepage: www.illumishade.ch
Facebook: www.facebook.com/illumishade
Instagram: www.instagram.com/illumishade_official

Dann folgte der Headliner des Abends. Sicherlich eine der Bands, die ich am häufigsten in meinem Leben live gesehen habe. Seit ihrer allerersten Deutschland-Tour mit Within Temptation im Jahr 2008 folge ich Martijn und seinem Projekt schon und habe es in allen Phasen des Wachstums begleitet. Trotzdem begeistert Delain mich immer wieder neu! Als Opener fungierte wie schon während des ersten Tourteils das epische The Cold, gefolgt von Suckerpunch. Die Stimmung in der Tube erreichte mühelos den nächsten Höhepunkt. Gefühlt war die ganze Fanbase in Bochum versammelt, sowohl aus Deutschland als auch den Niederlanden, Großbritannien (ja, Rob, ich sehe dich!), Frankreich und den anderen Staaten, in denen Delain mittlerweile dauerhaft treue Anhänger versammeln konnte. Die vielen Arme mit Delain-Tattoos in der Luft können mir auch nach all diesen Jahren immer noch Gänsehaut bescheren.

“Good evening, Bochum. How are you feeling tonight? Welcome to the ‘Dark Waters’- Europe-Tour. This is the final show! Are you ready to have your best time ever with Delain tonight?”, wurden die Maßstäbe gleich mal hoch angesetzt, bevor die Band Burning Bridges von Apocalypse & Chill intonierte. Das bewusst etwas moderner gehaltene Album aus 2020 war in Teilen der Fanbase damals nur zögerlich angenommen worden. Und doch enthielt es mit dem genannten Song sowie Masters of Destiny zwei Songs, die mittlerweile Kult-Status erlangt haben. Genauso gefeiert wurde “the song, that brought Delain back to life” , also The Quest And The Curse. In der Tat hatte dieser Song große Bedeutung, schließlich war es die erste Veröffentlichung nach der Krise, die dazu geführt hatte, dass nur Martijn als Gründungsmitglied verblieb, und die anderen Karten sämtlich neu gemischt wurden. Ich weiß noch genau, was ich persönlich empfunden habe, als ich den Song das erste Mal hörte. The Quest And The Curse atmet aus jeder Pore Delain. Er war ein überwältigender Beweis dafür, dass Delain noch da war und dass das Herz der Musik unversehrt war. Ich war sehr glücklich darüber, auch wenn nicht alle alten Fans diese Meinung teilen. Ich zelebriere dieses Stück Delain-Geschichte jedenfalls immer wieder gerne live und erinnere mich daran, was wir beinahe verloren hätten. Für mich als großer Fan des Debutalbums Lucidity war es auch eine besondere Freude, Sleepwalker’s Dream zurück in der Setlist zu sehen. Der Song war während des ersten Teils der “Dark Waters”-Tour noch nicht dabei gewesen und ich hörte ihn (nach dem Nachmittagskonzert in Enschede vom November) erst zum zweiten Mal von der neuen Besetzung. Trotzdem war es gewissermaßen eine Premiere, denn Ronald Landa und Ludovico Cioffi tauschten vorher ihre Instrumente. “He is a tremendous bass player. Guitar… not so”, eröffnete Ronald den Schlagabtausch mit seinem Gefährten. “If you can play guitar, bass is quite easy. It would be so below my standards to play bass…”. Ludo ließ sich nicht beeindrucken und meinte nur in Hinblick auf das Publikum: “I think these guys want to see you on bass for the next song!”. 

Das Publikum, immer hungrig nach neuen Erfahrungen, stimmte dem jubelnd zu. “It’s gonna sound like crap”, warnte Ronald noch, aber nun gab es kein Entrinnen mehr. Eine wundervolle Idee der Delain-Saitenfraktion, die eine Abwechslung in das altbewährte Konzept brachte. Ich muss wohl nicht erwähnen, dass das Experiment vortrefflich gelang. Nun wurde es aber Zeit, das letzte noch fehlende Delain-Mitglied auf die Bühne zu bitten. Ohne die male vocals von Paolo Ribaldini fehlt bei Songs wie Your Body Is A Battleground oder Queen Of Shadows eindeutig ein wichtiges Element. Doch kaum hatte der Italiener seinen Platz an der Seite von Diana eingenommen, als die Revanche der Vorband einsetzte. Illumishade-Mitglieder betraten die Bühne und begannen, die Delainers mit Obst und anderem zu füttern. Ludo und Ronald hatten die Hände nicht frei, weil sie mitten im Song waren und mussten nun artig von Bananen abbeißen und andere Köstlichkeiten schlucken, während Paolo etwas gereicht bekam, das wie Whiskey aussah. Ronald hatte wohl auch etwas Pikanteres erwischt, wie er kurze Zeit später verriet: “Wow, wow, wow Bochum! I think you have some energy left? I have like a kilo of pepper in my mouth. It burns like shit. Thanks, Illumishade!”. Man sollte häufiger Tourabschluss-Konzerte besuchen, allein für solche witzigen Momente. Martijn kam, geschützt von seinen Keyboard-Aufbauten, auch nicht mehr aus dem Grinsen raus, als seine hilflosen Kollegen “gefoltert” wurden.

Es war nun Zeit, einen der beliebtesten und ältesten Delain-Songs zu feiern: The Gathering , im Original mit Marco Hietala als Gastsänger, entfaltete seine ganz eigene Magie im Zusammenspiel zwischen Diana und Paolos Stimme. Letzterer bedankte sich vor seinem Abgang noch überschwänglich bei der Band und auch beim engagierten Bochumer Publikum. Direkt nach dem support-intensiven Song auch noch Don’t Let Go zu spielen, war auch während der ersten “Dark Waters”-Tour schon anstrengend gewesen, aber gut: Als Delainer muss man alles geben. Und so hüpften wir alle trotz schwindender Kräfte auf und ab, wie es bei diesem Song seit jeher Sitte ist. Nach dem Ohrwurm des aktuellen Albums Moth To A Flame und dem wesentlich älteren Not Enough kam Paolo nochmal auf die Bühne zurück. Er ist eine große Bereicherung für die Show und einfach auch grundweg sympathisch.  Control The Storm und Sing To Me sind klassische Duette, die einfach das Zusammenspiel der beiden Stimmen brauchen, denn das verstärkt den Energiefluss noch einmal um ein Beträchtliches. Natürlich sang das Publikum begeistert mit. Diana war sichtlich bewegt von der durchgängigen Unterstützung der Menge und bedankte sich mit rührenden Worten: “Thank you for making it so special and for supporting live music. Thank you for making our dream come true. We love you!” Aber natürlich durfte die “Hymne” aller Delain-Fans nicht fehlen, um den Party-Abend von Bochum abzurunden und den letzten Schliff an einen funkelnden Erinnerungs-Edelstein anzulegen. Für die vor fünfzehn Jahren ermordete Sophie Lancaster, aber auch für alle alternativen Menschen, die anders sein möchten und so akzeptiert werden wollen. Ein Song, der nie an Aktualität verliert: We Are The Others! Delain sind und bleiben anders und besonders an unserer Seite!

Setlist Delain @ Matrix, Bochum (03.02.2024)

01. The Cold
02. Suckerpunch
03. Burning Bridges
04. The Quest And The Curse
05. April Rain
06. Get The Devil Out Of Me
07. Sleepwalker’s Dream
08. Invidia
09. Queen Of Shadow
10. Your Body Is A Battleground
11. The Gathering
12. Don’t Let Go
13. Moth To A Flame
14. Not Enough
15. Mother Machine
16. Control The Storm
17. Sing To Me
18. We Are The Others

Weblinks Delain

Homepage: www.delain.nl
Facebook: www.facebook.com/delainmusic
Instagram: www.instagram.com/delainofficial

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