Immerhin nur einmal, nämlich aus dem vergangenen Sommer, musste die Tournee von Combichrist mit dem Namen “Europe Not My Enemy” verschoben werden – da hat es Andy LaPlegua und seine Wegbegleiter im Vergleich zu vielen anderen noch gut und günstig getroffen. Fans im Ruhrgebiet und Umgebung konnten sich zudem mit einer der seltenen Oldschool-Electro-Shows trösten. Jetzt ist das Aggrotech-Metal-Projekt norwegisch-amerikanischer Herkunft aber wieder voll da und verlässt unseren Kontinent auch erst Ende August wieder. Bis dahin stehen regelmäßig Konzerte an und eines davon fand auch mal wieder im Oberhausener Kulttempel statt – hier war die Band zuletzt vor drei Jahren zu Gast.
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Den Abend eröffnete allerdings ein für wohl fast alle Anwesenden unbeschriebenes Blatt, Mimi Barks, gegen 20.30 Uhr. Was man über sie mit etwas Recherche herausfindet: Sie kommt ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, zog später nach Berlin um und lebt mittlerweile in London. Interessant auch: Für den Prollo-Rap-Track Eskalation von Finch (früher Finch Asozial) steuerte sie vor über drei Jahren eine Hook bei. Ihre Solo-Musik entfernt sich von dem mittlerweile ohnehin eher in Eurodance-/Happy Hardcore-Gefilde abgedrifteten Brandenburger aber deutlich. “Doom Trap” nennt sie das Ganze, sprich: dunkle, gesetzte Hip-Hop-Beats mit stellenweise Autotune auf der Stimme, desöfteren angereichert durch dicke Gitarrenriffs. Das Energielevel dabei: sehr hoch. Mimi legte so ziemlich alles in ihren etwa 30-minütigen Auftritt, was geht, inklusive Bewegungen, die jedem Chiropraktiker einen kalten Schauer über den Rücken laufen lassen. Wie ein erfahrener Vollprofi posierte sie für die Kameras in den vorderen Reihen, eigentlich ist es kaum zu glauben, dass die gute Dame laut der allwissenden Online-Musik-Enzyklopädie Discogs noch keine Platte draußen hat. Tatsächlich finden sich nur einzelne Singles – und die erklangen dann auch der Reihe nach im Kulttempel. Unterbrochen von einem Instrumental, für das sie sich gar an die Drums setzte. Ein mitreißender Auftritt, der Nachdruck hinterließ.
Setlist MIMI BARKS @ COMBICHRIST – Oberhausen, Kulttempel (03.06.2022)
01. Deadgirl
02. Grind
03. Klingen & Stitches
04. Mad Hoe
05. Back Off
06. Suicide
07. Big Ass Chains
Wer Combichrist wegen der älteren, elektronischeren Tracks liebt, dürfte sich allerdings schnell von der Bühne abgewandt haben. Tatsächlich war die Performance von Mimi Barks aber ein passender Vorgeschmack für das, was da ab 21.30 Uhr aufs Publikum hinabregnen sollte. Aktuell hat Andy LaPlegua live wieder Bock auf Metal. Gleich zwei bis drei Gitarren erklangen pro Song, es gab diesmal mit Dane White nur einen Schlagzeuger. Leider, denn wie jeder treue Fan weiß: Combichrist live mit zwei Drummern sorgte schon für so manch legendären Zwischenfall (lies: wahre Rock’n’Roll-Momente) auf der Bühne. Die drei weiteren Bühnenmusiker Eric 13, Jamie Cronander und Elliott Berlin waren als Multiinstrumentalisten tätig und wechselten je nach Song zwischen Keys, Riffs und Percussion hin und her.
Allerdings wurde auch über die wenigen alten Songs ordentlich “drübergeschrammelt”, sodass selbst Stücke wie Blut Royale oder Get Your Body Beat auf Metal-Festivals so nicht fehl am Platz wären. Nach einem etwas verhaltenen Beginn war Throat Full Of Glass quasi der Eisbrecher, die einigen Hundert Fans sprangen in die Luft, es bildete sich gar ein kleiner, aber feiner Moshpit. Die Bandmitglieder, allen voran natürlich Andy, waren bester Dinge und scherzten immer zwischendurch wieder mit dem Publikum, lustig-vulgäre Zeichensprache inklusive. “Das hat viel zu lange gedauert, bis wir sowas wieder erleben durften“, konstatierte der Frontmann und sprach damit wohl allen Anwesenden aus dem Herzen. Höhepunkt des Ganzen waren – kurz vor Schluss des 80-minütigen Gigs – die spontanen Ausflüge von Eric (mit Gitarre) und Elliott (mit Trommel) ins Publikum.
Da war sie eben wieder, die Mischung aus Fan-Nähe und manischer Raserei, die Combichrist-Konzerte seit jeher so besonders macht. Auch die neuen Songs Compliance und Modern Demon, die wohl Teil eines künftigen Albums sein werden, fügten sich perfekt ein. Lediglich der Thrash-/Speed-Metal-Dreierpack mit No Redemption, Zombie Fistfight und Slakt bleibt wohl Gewöhnungssache, auch für diejenigen, die am den gitarrenlastigeren Sound der vergangenen drei, vier Alben Gefallen finden. Für den schnellen Moshpit zwischendurch passt es – nur höchstwahrscheinlich hätte wohl jeder im Club stattdessen lieber ein Sent To Destroy, ein Scarred oder ein Electrohead gehört.
Kurz vor elf war nach einem mächtigen “What The Fuck Is Wrong With You?“, zu dem auch Mimi Barks und ihre beiden Bühnenmusiker nochmal die Bühne enterten, Schluss. Dass der Auftritt gefühlt wieder rasend schnell vorüberging, muss aber niemanden traurig machen. Wie bereits angeführt, touren sich LaPlegua & Co. in den kommenden Wochen den Allerwertesten ab. Zusätzlich zu den hier erwähnten Clubshows spielen Combichrist weitere Festivalauftritte in Deutschland. Am Montag geht’s zum WGT in Leipzig, am 23. Juli zum Rock am Stück in Fritzlar, am 4. August zum Free & Easy Festival nach München und am 19. August gar zum “Umsonst und draußen”-Turock Open Air in der Essener Innenstadt. Den krönenden Abschluss bildet die Performance auf der sicher größten Bühne – der des Summer Breeze in Dinkelsbühl am 20. August.
Und wer Combichrist zur Abwechslung mal wieder ohne Gitarren hören will, erhält die Gelegenheit dazu am 24. September beim E-Tropolis Festival in der Oberhausener Turbinenhalle. Dann heißt es wieder “Oldschool Electro Show” – es ist einfach ein guter Sommer für treue Fans!
Setlist COMBICHRIST – Oberhausen, Kulttempel (03.06.2022)
01. Not My Enemy
02. Guns At Last Dawn
03. Throat Full Of Glass
04. Get Your Body Beat
05. Satan’s Propaganda
06. Blut Royale
07. Exit Eternity
08. Compliance
09. Hate Like Me
10. No Redemption
11. Zombie Fistfight
12. Slakt
13. Shut Up And Swallow
14. Can’t Control
15. Never Surrender
16. Modern Demon
17. Maggots At The Party (Z)
18. What The Fuck Is Wrong With You? (Z)
Weblinks COMBICHRIST
Homepage: www.combichrist.com
Facebook: www.facebook.com/combichrist
Instagram: www.instagram.com/combichrist