Auch, wenn man Selah Sue auf ihrem Facebook-Profil mit der Gitarre sieht und auch, wenn sie gerne unter der Bezeichnung Singer-Songwriter firmiert, so sollte man sich vom Klischee erst einmal frei machen. Es ist nicht die traurige Künstlerin, die einsam in die Saiten haut, die einem hier begegnet. Obgleich sie auf ihrer bis zu diesem Album aktuellen The Bedroom EP etwas spärlicher instrumentiert unterwegs war, so hat sie – um im Bild zu bleiben – das Schlafzimmer inzwischen wieder verlassen und bewegt sich hier mit großen Schritten in Richtung Pop. Ist das dann noch Singer-Songwriter? Ja, denn es ist eben nicht nur eine Frage des Klangs, sondern auch eine des Herangehens.
Dass dies ein persönliches ist, daran lässt Selah Sue keinen Zweifel, was schon beim Titel Persona beginnt. Die Musikerin hält sich selbst für eine komplexe Persönlichkeit und möchte auf dem Album alle Facetten davon unter einen Hut bringen. Das kann mit Pop passieren, mit Soul, mit R&B mit Funk und manchmal gar auch musikalisch mit ein wenig Singer-Songwriter. Dazu auch Klänge, die mit HipHop flirten, wie bereits der Opener Kingdom zeigt, der mit Beats und gesprochenen Passagen die Strophen bestreitet, im Chorus dann aber auch Piano und souligen Gesang dazukommen lässt. In dieselbe Kerbe schlägt auch Hurray (feat. TOBi), eine mit Bläsern verstärkte R&B-Nummer, die Humor und Selbstkritik kombiniert: Andere Selbstdarsteller in sozialen Medien werden kritisiert, während man auf der anderen Seite ja auch selbst das „fishing for compliments“ nicht immer so ganz sein lässt.
Da war es wieder, das besagte Persönliche. Es findet sich immer wieder in den Stücken. Die Ballade Full of Life ist auch so ein Fall. Reflektionen über das Leben, auch das junge, schließlich weiß sie als Mutter zweier Kinder, dass der Gedanke an die Zukunft nicht nur mit Hoffnungen, sondern auch mit Sorgen verbunden ist. Ebenso persönlich, aber ganz anders umgesetzt, ist Pills: Das Stück mutet fröhlich an, tanzbarer Disco-Pop. Dabei sind die besungenen Pillen Antidepressiva, von denen Selah Sue hier berichtet – und welche Probleme eben mit ihnen entstehen, oder wahlweise ohne. So widersprüchlich das erscheinen mag, so passend ist es zu dem Ansatz, die verschiedenen Persönlichkeitszüge auf dem Album zu vereinen.
Auf den zwölf Stücken des Albums spannt Selah Sue einen großen Bogen, sowohl musikalisch als auch emotional, sorgt aber dafür, dass die Spannung erhalten bleibt und man sich an Abwechslungsreichtum erfreuen kann, ohne dabei wirklich Brüche zu spüren. Man merkt, dass das Album nicht nur auf dem Papier persönlich ist, sondern dass sie das lebt, was sie dort mit ihrer Musik nach außen trägt. Stark!
Tracklist SELAH SUE – Persona:
01. Kingdom
02. Hurray (feat. TOBi)
03. Try to Make Friends
04. Pills
05. Wanted You to Know (feat. Damso)
06. There Comes a Day
07. All the Way Down
08. Catch My Drift
09. Twice a Day
10. Celebrate (feat. Mick Jenkins)
11. Karma
12. Full of Life
Weblinks SELAH SUE:
Homepage: www.selahsua.com
Facebook: www.facebook.com/SelahSue