Was fällt einem so zum Thema Morgenmagazin ein? Schnell denkt man an viel zu früh viel zu gut gelaunte Leute, die berufsbedingt mit einem in den Tag starten möchten. Wobei dies wohl eher ein Radiophänomen ist und man dieses Vorurteil beim Morgenmagazin von ARD und ZDF schon relativieren muss. An spannende und vielseitige Indie-Künstler denkt man dennoch auch hier wohl nicht als erstes. Und doch war es ebendieses Format, das dem Autor dieser Zeilen nahebrachte, dass Sophie Hunger ein neues Album draußen hat. Eines, das nach seinem Erscheinen eine Weile gebraucht hat, sich zu entfalten. Hat den Vorteil, dass diese Alben meist die sind, die sich bei einem länger im Gehörgang halten, aber den Nachteil, dass diese Rezension nun mächtig spät erscheint, wo Halluzinationen doch schon seit Anfang September auf dem Markt ist.
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Es ist eben nicht immer, wie es scheint – so die holprige Überleitung vom Morgenmagazin zum Albumtitel Halluzinationen, dessen Titelstück auf der einen Seite einen guten Einblick in das Album gibt, auf der anderen Seite aber der Vielseitigkeit noch nicht hundertprozentig Rechnung trägt. Der experimentelle Anteil der Musik steht hier im Vordergrund, mit einer leichten Hektik geht Sophie Hunger voran, elektronische Soundscapes gehen mit Tempo voran und man hört deutschsprachigen Gesang – was schon ein Unterschied zum Vorgänger Molecules ist, das erstmals komplett auf Englisch eingesungen wurde. Diesmal ist sie zweisprachig unterwegs. Und musikalisch? Wie bereits erwähnt: sehr vielseitig, wie man auf der mit gut 36 Minuten relativ knapp bemessenen Spielzeit immer wieder merkt.
Ein ganz anderes Kaliber beispielsweise ist Everything is Good, was einen ob seiner Positivität fast schon irritiert. Schleifende Orgel, eingängiger Gesang und gut gelaunte Klänge dominieren hier. Aber auch das ist eben nicht alles, wie man im folgenden Maria Magdalena wiederum merkt. Mag der Titel an sich biblisch klingen, so geht es in Wirklichkeit um eine Prostituierte, die in der Nähe von Hungers Wohnung in Berlin arbeitet, an die die Künstlerin häufiger denken muss. In einer gefühlvollen Nummer, die zeigt, dass Sophie Hunger eben nach wie vor auch Singer-Songwriterin ist, die hier mit Piano-Spiel und eingängigem Gesang brilliert. Die besagte Maria Magdalena begegnet übrigens auch bereits im Opener Liquid Air, das in der Tat ein guter Opener ist, da hier verschiedene Elemente des Albums gut durchschimmern – Eingängigkeit, Schönheit, aber auch leicht experimentelle Pattern.
Auch, wenn die Stücke in der musikalischen Beschreibung recht unterschiedlich wirken, so erkennt man doch immer wieder eine klare Handschrift, verankert im Großbereich Indie mit den besagten Momenten. Ein Album, das seine Zeit braucht, um sich zu entfalten, einen dann aber dafür auch sehr begeistert.
Tracklist SOPHIE HUNGER – Halluzinationen:
01. Liquid Air
02. Finde mich
03. Halluzinationen
04. Bad Medication
05. Alpha Venom
06. Rote Beeten aus Arsen
07. Everything is Good
08. Maria Magdalena
09. Security Check
10. Stranger
Weblinks SOPHIE HUNGER:
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