Krisen haben was für sich. Oft sind sie der Beginn von etwas Neuem, befreien von Altem, tragen eine seltsame Weisheit in sich oder lassen uns zu anderen, bestenfalls zu klügeren Menschen werden. Leider ist es bei Krisen aber auch so, dass sich diese Effekte eben erst später einstellen. Krisen lohnen sich, wenn überhaupt erst in der Nachlese. Hat einen die Krise aber erst einmal beim Genick, ist man mittendrin, mit schwindenden Kräften, gebeutelt und voller Schmerz, sieht man oder möchte man dieses schmale Licht ganz weit am Horizont nicht sehen. Man ist dann ganz auf sich zurückgeworfen.
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Ich will mir nicht anmaßen zu behaupten, dass sich das letzte Jahr für Michael Sele in etwa so angefühlt haben mochte. So brachte eine plötzliche, tief einschneidende und kräftezehrende Erkrankung die Welt des Vordenkers der Schweizer Gothic Blues Rock Band The Beauty Of Gemina aus den Fugen. Alle Aufmerksamkeit richtete sich auf die Genesung. Die anstehende Tour wurde abgesagt. Damit nicht genug: Zum damaligen Zeitpunkt konnte auch noch niemand die Ereignisse in diesem Jahr vorhersehen. Viele würden wahrscheinlich einfach den Mut verlieren. Andere, so auch Sele, aber kombinieren die schlichte Notwendigkeit, die sich aus dieser Situation ergibt, mit dem emotionsgeladenen Potential, die sie für die künstlerische Schaffenskraft bereithalten mag. Man zog sich ins heimische Studio in Mels zurück und bat den langjährigen Weggefährten Philipp Küng dazu, der das Personal um Andi Zuber und Mac Vinzens dieses Mal komplettierte.
Zwei Jahre Arbeit stecken in Skeleton Dreams. Er habe das Album mit einem alten und mit einem neuen Herzen geschrieben, sagt der Sänger und Komponist und umschreibt damit treffender die Poesie des achten Albums, als es jede Rezension könnte. Mit den zwölf neuen Songs bleiben The Beauty Of Gemina auf dem Weg, den sie auf Minor Sun begonnen und mit Flying With The Owl noch deutlicher herausgearbeitet haben. Dieser Weg wird auf Skeleton Dreams weiter destilliert. Er mündet in wundervollen, melancholischen Kompositionen, die sich in der schlichten Eleganz eines fein gearbeiteten Schmuckstücks, Facette für Facette für den Hörer herausarbeiten: Reduziert aber nicht einfach, dunkel aber nicht düster, melancholisch aber nicht klagend, nachdenklich und voller Weitblick.
Vergleiche fallen immer schwerer, da sich The Beauty Of Gemina mit ihrer einzigartigen Mischung aus Dark Amerikana, Blues, Goth Rock und hier und da noch kleinen Dark Wave Ausflügen etwas ganz Eigenes geschaffen haben und dort auch angekommen sind. Aber wer weiß, wohin es Michael Sele musikalisch noch verschlagen wird, Maybe God Knows. Man hat nun jedoch einen Status erreicht, an dem man selbst kopiert und nicht mehr mit irgendwem verglichen wird.
Umgrenzt wird Skeleton Dreams von zwei nächtlichen Songs, die musikalisch wie inhaltlich beispielhaft für das Album stehen. Das fiebrig rockige A Night Like This mit seiner ruhelosen Halbakustischen ist als Opener perfekt gewählt. Das in sich gekehrte, am Piano klar hallende Hold On To This Night ist wie gemacht für Seles warme heilende Stimme, die hier so verletzlich wie noch nie erscheint. Es fällt wirklich schwer, sich Schlaglichter aus Skeleton Dreams herauszugreifen, ohne auf jeden einzelnen Song eingehen zu müssen.
Für mich besonders hervorstechend sind Naked und Resurgence. So baut Naked mit seinen geheimnisvollen Orgel- und Streicherarrangements, dem großartigen, den ganzen Song im Hintergrund bestimmenden Rhythmus vom Schlagzeug (wie immer hervorragende Arbeit von Mac Vinzens) und den versponnenen Gitarrenimprovisationen einen delikaten, wie dramatischen Spannungsbogen auf. Während Resurgence mit seinem dunklen, rockigen Refrain fast schon an alte The Beauty Of Gemina Songs erinnert. Von der langen Reihe an Verbrechen, die man The Sisters Of Mercy schon mit Coverversionen ihrer Songs angetan hat, hebt sich Nine While Nine auf diesem Album in wohltuend würdevoller, fast schon aristokratischer Weise ab. Ich könnte ewig so weitermachen: Mit dem poetisch traurigen, reduzierten Rainbow Man zum Beispiel, den Sele sagen lässt: I’m a rainbow dancer, I’m dancing in the sun, my heart is full of rain … Oder vielleicht mit Where Has It All Gone, dessen geniale Hookline im Desert Remix fast noch ein bisschen besser zündet als im Original. Auf jeden Fall aber noch mit Apologize, in dem jedes beteiligte Instrument so sorgfältig herausgearbeitet wurde, als wäre es der Star des Songs.
Musik von The Beauty Of Gemina ist ein warmes Licht in dunklen Zeiten, sie ist kluge Zuversicht und immer wieder herausragendes Songwriting. Da ist auch Skeleton Dreams keine Ausnahme.
Skeleton Dreams ist am 04. September bei TBOG Music erschienen.
Tracklist THE BEAUTY OF GEMINA – Skeleton Dreams:
01. A Night Like This
02. Naked
03. Maybe God Knows
04. Friends Of Mine
05. Resurgence
06. Where Has It All Gone
07. Rainbow Man
08. Dark Suzanne
09. Nine While Nine
10. I Come To Grief
11. Apologise
12. The World Is Going On
13. Hold On To This Night
14. Where Has It all Gone (Desert Mix)
Weblinks THE BEAUTY OF GEMINA:
Official: www.thebeautyofgemina.com
Facebook: https://www.facebook.com/TheBeautyOfGemina
Instagram: https://www.instagram.com/the_beauty_of_gemina
Youtube: https://www.youtube.com/user/thebeautyofgemina
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