Es gibt Dinge, die sind nur auf den ersten Blick kompliziert. Die mittlerweile allseits bekannte Geschichte um Batushka ist so ein Ding. Als ich die Band vor ungefähr sechs Wochen in Leipzig auf dem Wave Gotik Treffen live gesehen hatte, wusste ich nicht, um welche der beiden Batushkas es sich dort gehandelt hat. Von einem Rechtsstreit hatte ich zwar gehört, aber nun … “Wenn Bands sich scheiden lassen” … In der Konsequenz kann sich daraus ein wahres Potpourri an Plots entspinnen, wie es nur das Leben aufzubieten weiß. Da reicht die Bandbreite von kreativen neuen Projekten bis hin zum vollständigen Tod des “Scheidungsprojektes” und lebenslanger Feindschaft aller beteiligten Elternteile. Je nach Bekanntheitsgrad ziehen die Protagonisten dann auch noch einen Tross aus Schlachtenbummlern hinter sich her, die sofort erbittert Partei ergreifen, meist ohne die Hintergründe zu kennen. (Denn wer kennt die schon im Detail.) Die Musik gerät zur Nebensache.
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Bei den Batushkas allerdings dürften die Dinge klar liegen, denn hier haben wir das Glück, dass die Musik gewissermaßen selbst zur Kronzeugin in der Angelegenheit wird. Der Rahmen ist recht schnell skizziert: Batushka starteten 2015 mit Litourgyia und versetzten mit dem Debüt die Black Metal Szene in Verzückung. Es war diese Mischung aus orthodoxem Katholizismus, der sich köstlich symbiotisch fließend in die räudige, kalte Finsternis ergoss. In Verbindung mit den liturgischen Messen, die Batushka auf der Bühne feierten, dem beinahe schon authentischen Ornat und der mystischen Anonymität verursachten die Polen ein kollektives Zittern vor häretischer Begierde.
Was sich anschloss, kann man vielerorts im Netz nachlesen. Ich werde es aus Redundanzgründen nicht wiederholen. Zweierlei kann man festhalten: Erstens, das mit der mystischen Anonymität hat sich wohl für immer erledigt und zweitens, ich weiß jetzt wenigstens bei welchen Batushkas ich auf dem Konzert war. Es handelt sich um jene Band, deren Album Hospodi zu rezensieren meine Aufgabe ist. Deren Kopf und Sänger der ursprünglichen Batushka Bartlomiej Krysiuk ging bei Metal Blade unter Vertrag, tourt fleißig durch die Lande und konnte nun Hospodi in schlaraffenlandähnlichen Formaten unter die Menschheit bringen. Die andere Fraktion: Krzysztof Drabikowski, Gitarrist und Kopf der ursprünglichen Batushka, legte zwar mit seinem Album Panihida (Totenmesse) Ende Mai vor, jedoch ohne Plattenvertrag, via Bandcamp.
Es existieren nun zwei sehr frische Alben zweier Band, die mal eine waren und eine Veröffentlichung, die zwangläufig (egal, ob das nun hinhauen kann oder nicht) als Referenzwerk herhalten soll, um zu entscheiden, wer nun den Geist der frommen Brüder aufrechter weiter trägt. Klar sein dürfte, dass es sich bei den ursprünglichen Batushka um ein arbeitsteiliges Projekt gehandelt hat, bei dem jedes der beiden in der polnischen Metal-Szene durchaus angesehenen Mitglieder seinen Beitrag geleistet hat. Umso mehr verwundert es dann schon, dass Hospodi sich doch stark von Litourgyia unterscheidet, Panihida jedoch aber weniger. Drabikowski Album ist nicht Gegenstand dieser Rezension, hat aber, was die musikalische Qualität und Nostalgie angeht, mehr zu bieten.
Selbstverständlich werden auf dem Zweitling von Krysiuk auch die charakteristischen orthodoxen Chöre zentriert: Hospodi startet mit viel feierlichem Lametta und ehrfurchtgebietenden hoch aufragenden Buntglasfenstern. Hinzu kommen eklektische Verzierungen und die ein oder andere slawische Weise, leise gesprochen oder sparsam gesungen zwischen den Stücke eingeflochten. Im ersten Drittel des Albums macht das richtig was her. Wieczernia ist ein wuchtiger Knaller. Wie eine sorgsam verkapselte Reliquie wird die hübsche sakrale Melodie in Dziewiatyi Czas von den Riffs umzäunt. Und auf die treibenden simplen Lines von Powieczerje, die vom repetitiven Rezitieren der Choräle überlagert werden, lass ich schon mal gar nichts kommen. Hab ich bei diesem Song doch immer noch den Geruch von Weihrauch und brennenden Votivkerzen in der Nase und die feuchte Hitze des 50 Grad heißen Felsenkellers auf Haut.
Und danach? Ja, das ist das Problem. Auf den letzten beiden Dritteln von Hospodi passiert dann nicht mehr viel. Es folgt Black Metal-Standardware ohne wirkliche Innovation oder Potential für Reibung. Die atmosphärischen Elemente, die auf Litourgyia noch wie natürlich mit der musikalischen Sinnstruktur verzahnt waren, offenbaren sich auf Krysiuks Album als bloße Verzierungen und Make-up, die den Sound aufdicken sollen und das Album in letzter Konsequenz unnötig in die Länge ziehen. Bedenkt man, dass dies eigentlich einmal das gesamte Grundgerüst der Band sein sollte – die Spannung zwischen orthodoxer Liturgie, seinem Mystizismus und kaltem lebensverneinendem Metal in charakteristischem Gold und Schwarz -, so kann man an Hospodi betrachten, als wie fragil sich so etwas im Nachhinein herausstellen kann.
Hospodi ist in unterschiedlichen Formaten am 12. Juli bei Metal Blade erschienen.
Anspieltipps: Wieczernia, Powieczerje
Tracklist BATUSHKA – Hospodi:
01. Wozglas
02. Dziewiatyj Czas
03. Wieczernia
04. Powieczerje
05. Polunosznica
06. Utrenia
07. Pierwyj Czas
08. Tretij Czas
09. Szestoj Czas
10. Liturgiya
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Weblinks BATUSHKA:
Official: https://batushkaofficial.com
Facebook: https://www.facebook.com/Batushkaband