Interview: WIEGAND

Interview: WIEGAND
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Die Bühnen kennt er längst. Schließlich hat Helge Wiegand bereits seit Jahren viele Shows mit Diorama und t.o.y. bestritten. Nach all den Jahren als Musiker in den Bands reifte der Gedanke, dass es an der Zeit ist, unter eigenem Namen ein Solo-Album herauszubringen. Mit dem Titel Released erschien es im späten 2018 und behandelte Themen wie die Hektik der heutigen Zeit, dem Rückblick auf die eigene Jugend, den Glauben an die eigene Stärke und vieles mehr. Wir haben das Album zum Anlass genommen, dem Musiker einen Schwung Fragen zu stellen, die er uns nun beantwortet hat.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Released ist Dein erstes Solo-Album. Wann und wie kam der Gedanke, dass es an der Zeit für ein Solo-Album ist?
Ich hatte ja schon seit meiner Jugend eigene Songs geschrieben, allerdings nie das Ziel verfolgt, diese der breiten Öffentlichkeit zu präsentieren. Das änderte sich schlagartig, als ich 2014 mit Diorama zusammen auf dem Blackfield Festival auf der Bühne stand und mir dachte „Warum habe ich diesen Schritt bloß nie gewagt?“. Es brauchte dann noch ein wenig Überredungskunst von anderen Musikern aus der Szene, aber schlussendlich war dann Anfang 2018 die große Chance da, konzentriert dieses Ziel zu verfolgen und zu erreichen.

Wie hast Du die Arbeitsweise dabei empfunden, nachdem Du vorher immer mit einer Band dahinter aktiv warst?
Das eigene Songwriting war mir jahrelang bekannt, insofern gab es keine Umstellung. Der große und für mich entscheidende Unterschied ist aber die Tatsache, dass ich durch den Eintritt in die „professionelle Szene“ zum ersten Mal anderen Künstlern über die Schulter schauen, meine eigenen Techniken überprüfen und mir Feedback einholen konnte. Beispiel: Es hat mich nie interessiert, wie lang ein Song wird. Es gibt Stücke von mir, die gehen teilweise acht Minuten oder länger. Solange ich aber nicht das Gefühl hatte, dass der Song in sich selbst langweilig wird, war das immer in Ordnung. Als ich nun einige Stücke anderen Künstlern vorgespielt habe, kamen plötzlich Aussagen wie „Toller Song Helge, aber ich mach aus diesem einen Song drei separate Songs.“. Oder Fragen wie „Helge, was passiert hier jetzt noch in dem Song und warum endet er nicht hier direkt?“ Sowas führt dann in der Tat dazu, dass ich noch mehr darauf achte, die Songs zu straffen. Ich weiß, sie sind teilweise immer noch zu lang. Aber kürzer geht es nicht, weil sie halt Geschichte und Themen behandeln und ich nicht mitten im Satz aufhören möchte ??

Ich habe in der Albuminfo von Deinen zahlreichen Reisen gelesen. Welchen Einfluss haben diese auf den Klang des Albums gehabt?
Die Reisen hatten keinen Einfluss auf den Klang des Albums. Der Einfluss kommt zum einen von meiner eigenen Musikprägung aus den 80ern, von dem eigenen heutigen Musikgeschmack und auch von den beiden Bands, Diorama und t.o.y., die mich natürlich beim Songwriting oder auch live inspirieren.

Interview: WIEGANDSchauen wir mal auf den Albumtitel. Was steckt hinter dem Titel Released?
Zum einen bedeutet der Albumtitel für mich, endlich meinen Wunsch, ein eigenes Album aus einem Guss zu schreiben, freigesetzt und zum anderen, meinen Gefühlen in jedem Song auf dem Album freien Lauf gegeben zu haben.

Die Vorabsingle war Floating Away. Würdest Du sagen, sie repräsentiert das Album am besten oder warum fiel die Wahl hierauf?
Ich denke Floating Away ist der Song, der am ehesten „massenkompatibel“ ist und in Erinnerung bleibt. Er eignet sich für Clubs, gerade auch mit den Remixes von Frozen Plasma, t.o.y., Mental Discipline u.a. und ist für mich auch eine Hymne, die auf einem Festival gut wirken würde. Er spiegelt aber nicht den kompletten Stil des Albums wieder, außer meinem wohl ewigen Ziel, Ohrwürmer zu produzieren. Ich habe ja diesen Traum, dass ich den Song mal während eines DJ Sets auf einem Festival höre und die Leute tanzen, singen und fühlen. Das wäre großartig.

Ich habe noch weitere Stücke rausgepickt, über die ich gerne sprechen würde. The room ist einer davon. Um was für einen Raum geht es?
Wie viele meiner Songs beruht The room auf einer wahren Begebenheit. Ich hatte im letzten Jahr ein Gespräch mit einer Person, die mir eine Art philosophischen Vortrag hielt über Entscheidungen, die zu neuen Situationen im Leben führen. Als Metapher wählte er einen Raum, der einem beim Betreten anfangs Unbehagen bereitet, da alles neu und unbekannt ist. Mit der Zeit entdecke man aber Türen, die neue Wege offenbaren, entdecke Bilder, die man anfangs nicht gesehen hat. Ich hatte in der Nacht nach dem Gespräch einen Traum, der mich in diesem Raum zeigte, gefangen in einer Maschinerie, aus der es gefühlt kein Entkommen hab. Gibt es aber, und zwar ganz mühelos. Es beginnt mit einer Selbsterkenntnis. Am nächsten Morgen saß ich an The room. Das ist das Schöne an Musik, ich verarbeite damit Erfahrungen und konserviere sie für die Ewigkeit.

Mit Superheld hat auch ein deutschsprachiger Titel den Weg auf das Album gefunden. Wer ist dieser Superheld?
Der Superheld ist The little man.

Dann ist da noch The little man. Um was für einen „kleinen Mann“ geht es hier?
Um den Superhelden. Die beiden Fragen nacheinander waren einfach eine Steilvorlage. Es geht natürlich um meinen Sohn. The little man als Quasi-Geschenk zu seinem ersten Lebensjahr mit Videoclip auf YouTube, den er sich vielleicht in 14 Jahren mal anschaut und zu seinem Kumpel sagt „Hey Cedrik-Jerome, wie endgeil, dass mein Dad ein Video bei YouTube 1.0 über mich geupped hat“. Ich hoffe, er sagt das dann irgendwie seriöser. Und als Superheld entdeckt er gerade die Welt und es ist für mich eine Freude, das zu erleben.

Was mir generell auf dem Album aufgefallen ist, sind die Längen der Stücke. Außer der drei „Bonus-Tracks“ ist kein Stück unter fünf Minuten lang. Ist das eine grundsätzliche Entscheidung oder doch eher Zufall?
Es ist keine bewusste Entscheidung. Ich mag es einfach, wenn ein Song sich manchmal verändert, weil ich mich treiben lasse. Ich schreibe und merke plötzlich, dass ich in einen interessanten und tollen Musikteil einsteige, der in den Song passt. Ich kann dann einfach nicht „kopieren / neuer Song / einfügen“ machen, sondern es hat mich etwas in diesen Teil des Songs geführt. Und deswegen kommt der auch dahin. Klar höre ich oft „Aber das ist dann nichts für ein Radio!“ Ja, stimmt.

Interview: WIEGANDIn der vorherigen Frage habe ich die zusätzlichen Titel bereits erwähnt. Es sind zweimal Piano-Versionen dabei. War es Dir ein besonderes Anliegen, diese beiden Stücke noch einmal – sozusagen „stripped down“ in diesen Versionen zu präsentieren?
Viele Songs entstehen auf dem Piano und werden dann erst „synthetisch“. Manchmal sind diese Songs dann aber auch schon so weit auf dem Piano fortgeschritten, dass sie auch als Piano Version wirken. Zwei davon sind auf dem Album drauf, bei Memory lane sogar eine Art live Version, zu der ich dann die Backingvocals und ein wenig Streicher später zugefügt habe.

Das Album ist nun bereits eine Weile draußen. Wie hast Du die Reaktionen und Resonanzen darauf bisher empfunden?
Ich bin sehr überwältigt und glücklich über das positive Feedback. Sei es von Fans und Musikhörern, als auch von anderen Künstlern. Es bestätigt mich, die richtige Entscheidung getroffen zu haben, meine Musik öffentlich zu präsentieren. Und es ist natürlich klar, dass ich weiter machen werde. Es juckt schon wieder in den Fingern.

Zum Schluss natürlich die Frage nach einem kurzen Ausblick… Wir haben das Album und Konzerte thematisiert. Gibt es schon weitere Pläne für das weitere Schaffen von Wiegand?
Ich werde 2019 auf jeden Fall weiter mit Diorama und t.o.y. live spielen, entsprechende Shows sind oder werden noch bestätigt. Und natürlich beschäftige ich mich gerade mit einem Live-Konzept, wie ein Wiegand-Auftritt aussehen könnte. Noch gibt es keinen festen Termin, aber das Jahr ist noch frisch und es gibt erste gute Ansätze!

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