Website-Icon Monkeypress.de

27. Wave Gotik Treffen (WGT) – Gesamtbericht

27. Wave Gotik Treffen (WGT) - Gesamtbericht

Viktorianisches Village

Weitere Berichte im Festivalbereich: Wave-Gotik-Treffen (WGT) - Übersicht

Das 27. Wave-Gotik-Treffen fand vom 18. – 21. Mai 2018 statt und war wie man es erwarten konnte. Wiedermal schaffte es das Orga-Team alte Helden auf die Bühne zu holen und bot insgesamt ein gutes Paket.
Etwas traurig war man aber schon über den Wegfall des Kohlrabizirkuses als 2. große Bühne, neben der AGRA-Halle. Das führte zu oft seltsamen Konstellationen und dem bekannten Einlassstop.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:
/wp-content/TTS/110847.mp3?_=1

Unsere Vorberichterstattung lief ja bereits seit Dezember 2017, wo es mit “The Jesus and Mary Chain” die erste Bandankündigung gab.
Hier die entsprechenden Links

Navivation zu den Konzerten: All Gone Dead | Author & Punisher (USA; Kuppelhalle) | Caisaron (D) | Christian von Aster | Dageist (F) | De/Vision (D) | Diorama | Dool (NL) | Elegant Machinery (S) | Eminenz (D) | evo-lution | FabrikC (D) | Faderhead (D) | Feline & Strange (D) | Frank The Baptist | Front Line Assembly | God Module (USA) | Goethes Erben (D) | Grave Pleasures (FIN) | Grendel (NL) | Grimner (S) | Heldmaschine | Kaizer (D) | Klutæ (DK) | Leichenwagentreffen | Les Discrets | Nachtsucher | Neun Welten | Noctulus | Nytt Land | Oomph! | Ost+Front | Pyogenesis (D) | Qntal | Reichsfeind (D) | Sarin (IR) | Seelennacht (D) | Skeletal Family (GB) | Solitary Experiments (D) | Spark! (S) | Steampunk Picknick | Still Patient? (D) | Sturm Café (S) | Suld (MNG) | SynthAttack (D) | Teho Teardo & Blixa Bargeld (I/D; Kuppelhalle) | The Arch (B) | The Fright (D) | The Jesus And Mary Chain (GB) | The Other (D) | Then Comes Silence (S) | Tiamat (S) | Traumtaenzer (D) | Trepaneringsritualen (S; Kantine) | Undertheskin (PL) | Unterschicht (D) | Vomito Negro (B) | Wardruna | Weinverkostung | Wolfchant (D) | Xenturion Prime (NO) | Zeraphine (D) | Zeromancer |

Das Wave-Gotik-Treffen wird 27. Und das erste Konzert bei diesem WGT schaffte System Noire am Freitag um 12 Uhr in der Sixtina. Gleich darauf folgte Oswald Henke mit Goethes Erben auf dem Viktorianischem Picknick im Clara-Zetkin-Park.

Navigation: Centhron (D) | FabrikC (D) | Feline & Strange (D) | Goethes Erben (D) | Merciful Nuns (D) | Seigmen (NO) | Skeletal Family (GB) | Sulpher (GB) | System Noire (D) | [:SITD:] | The Beauty Of Gemina (CH) | The Eden House (GB) | The Last Cry (GB) | Undertheskin (PL) | Unterschicht (D)

Clara-Zetkin-Park

14:00 Uhr Viktorianisches Picknick

Den Bericht mit den Besucherbilder findet ihr hier.

Szene-Legende und WGT-Urgestein Oswald Henke rollt ein Piano auf die Wiese vor dem Musik-Pavillon, um allen, die es wollen mit einem exklusiven Goethes Erben Kammerkonzert in diesem ausgesuchten Ambiente zu beglücken. Wer die Vorbereitungen des Konzerts in den sozialen Medien mitverfolgt hat, weiß, wie aufgeregt der Künstler im Vorfeld war. Das alles hat natürlich zur Folge, dass sehr viele Leute sich schon sehr früh im Clara-Zetkin Park eingefunden haben, um mit ihren eigenen Vorbereitungen, die mitunter äußerst aufwendig ausfallen können, zu beginnen. Das Konzert, das entgegen der ursprünglichen Planung doch mit zwei Lautsprechern verstärkt wird, um mehr Besucher zu erreichen, findet dann bei diesen auch sehr viel Anklang. Oswald wird kurz vor drei Uhr mit stürmischem Applaus entlassen.

Agra-Treffenpark

19:00 Uhr – THE EDEN HOUSE (GB)

Den Auftakt in der Agra geben The Eden House. Hier und da hakt es noch etwas. Aber irgendwer muss ja den Anfang machen. Und so fällt das schwere Los auf die Band aus Großbritannien, die man durchaus als All-Star Projekt im Spannungsfeld des Goth-Rock bezeichnen kann. Gegründet wurde The Eden House von Stephen Carey (u. a. Adoration) und Tony Pettit (Fields Of The Nephilim). Seither haben die beiden mit einer wahren Bandbreite an Künstlern für das Projekt gearbeitet. The Eden House liefern eine sehr gute Performance mit klassischen Goth-Rock Elementen, sphärischen Klängen, ausgeklügelten Arrangements und hypnotischem weiblichem Gesang. Schade, dass grad mal ein paar hundert Besucher ihren Weg zum Konzert gefunden haben, was bei der Größe der Halle wirklich schmerzlich auffällt. (DS)

20:45 Uhr – SEIGMEN (NO)

Eigentlich muss man zu Seigmen nicht mehr viel sagen. Wir alle haben die nunmehr fast 30-jährigen Geschichte der Band aus Norwegen – Aufstieg, Niedergang, Zwischenspiel mit Zeromancer, Rückkehr mit Enola in 2015 – mitbekommen. Und wir wissen auch, dass die Jungs eher selten auftreten und man sich die Performances, die im wahrsten Sinne des Wortes eines Königs würdig sind, nicht entgehen lassen sollte. Entsprechend füllt sich die Agra nun schon vergleichsweise deutlich, ohne jedoch man um Engpässe bei der Getränkeversorgung fürchten müsse und es macht sich sowas wie flirrende Vorfreude breit. Nach dem langen, atmosphärischen Intro Performance Alpha legen die Alternative Rocker richtig mit The World Revolves los und reißen sämtliche Besucher bis in die letzten Reihen mit sich. Im Folgenden reihen sich Kracher aus alten Zeiten an Stücke vom (noch) aktuellen Album Enola und man denkt sich die ganze Zeit: “Verdammt, eine Schande, dass sich die Seigmänner so lange im Hiatus aufgehalten haben!” Aber zum Glück ist das ja jetzt vorbei. (DS)

Haus Leipzig

17:00 Uhr – UNTERSCHICHT (D)

Den Auftakt am Freitagabend im Haus Leipzig machen Unterschicht. Frontmann Sven – ursprünglich Hamburger und mittlerweile Wahlleipziger – ist nicht nur wegen seiner gefühlten drei Meter Körpergröße imposant. Mit seinem Styling und seiner Mimik verkörpert er seine Songs und performt sie nicht nur. Und diese klingen ziemlich böse! Auf die Ohren bekommt man nämlich düsteren Electro mit verzerrten Vocals und eingängigen Hooklines, mit denen Unterschicht das Haus Leipzig schon um 17 Uhr sehr gut füllen. Unterstützt wird Sven auf der Bühne von Bandkollegin Nataly und der Aushilfskeyboarderin Tamila Kim, die mit ihren freizügigen Outfits einiges für das Auge bieten. Zwar waren Unterschicht in den letzten Wochen fleißig auf Tour, doch die nächsten Termine stehen bereits fest: Am 2. Juni sind sie in Wien und am 31. August in Hannover zu sehen. (JB)

18:20 Uhr – FABRIKC (D)

Über einen Mangel an Fans kann bei FabrikC nicht geklagt werden, denn im Haus Leipzig ist das Gedrängel noch größer als bei Unterschicht. Das Projekt von Mastermind Thorsten Berger steht für harten Electro ohne viel Schnickschnack. Schnelle Beats, treibende Bässe – roh und kompromisslos. Umso mehr verwundert es, dass Thorsten zwischen den Songs versucht, politische Botschaften zu verkünden, die jedoch am Großteil des Publikums vorüberzugehen scheinen, denn schließlich hat man sich nicht zum Feiern des intellektuellen Tiefgangs zusammengefunden. Neben den Klassikern präsentiert das Trio auch einige neue, bisher unveröffentlichte Songs. Davon lässt sich das Publikum sichtlich mehr mitreißen als von den Ansprachen der „kleinen lauten Zwerge“, wie Thorsten sich und seine Kollegen nennt. Somit steigt die Vorfreude auf ein neues Album, das es hoffentlich bald zu hören geben wird. Nach sieben Jahren Pause seit dem letzten Longplayer wird es schließlich auch Zeit für neues Material! (JB)

22:40 Uhr – CENTHRON (D)

Headliner und zweifelsohne das Highlight des Aggrotech-Tages im Haus Leipzig sind Centhron. Das Trio ist schon in den vergangenen zwei Jahren im NonTox aufgetreten und diesmal Teil des offiziellen Programms. Das Haus Leipzig ist bis an die Kapazitätsgrenze gefüllt, sodass ein Einlassstop eine beachtliche Schlange von Fans vor verschlossenen Toren hält. Ob Centhron Headliner-Konzerte spielen oder auf einem Festival, sie geben stets ein üppiges Set zum Besten und lassen dabei keine Wünsche offen. Ohne Verschnaufpause stampfen und kreischen sie sich durch gnadenlos harte Beats und anrüchige Textpassagen. Die beachtlichen 19 Songs ihrer Setlist umfassen die Highlights ihrer mittlerweile fünf Alben. Die unermüdliche Power von Elmar, Markus und Sandra kommt auch beim Publikum an: Denn das tanzt bis in die letzten Reihen. (JB)

Setlist CENTHRON @ Haus Leipzig, 18.05.2018:
  1. Intro + Einheit C
  2. Skullfucker
  3. Fuck Off And Die
  4. WKIII
  5. Slutbutt
  6. Dreckstück
  7. Dominator
  8. Sie Will
  9. Blitzkrieg
  10. Allvater
  11. Biest
  12. Lichtsucher
  13. Asgard
  14. Deutsches Land
  15. Pornoqueen
  16. Cunt
  17. Eisenfresse
  18. 666
  19. Hetzer

Sixtina

12:00 Uhr – SYSTEM NOIRE (D)

Der frühe Vogel … diesem Motto folgen zum Auftakt des ersten Festival-Tages System Noire, um den Besuchern des WGT in der wohl bekanntesten Absinterie Deutschlands schon am Mittag einzuheizen. Und wirklich das Konzert der beiden Jungs aus Hannover ist auch zu so früher Stunde schon sehr gut besucht. Da Performances bei Elektro-Acts mitunter etwas statisch wirken kann, haben System Noire zu einer cleveren Lösung gegriffen und sich mit Ciwana Black Unterstützung geholt, die alle Anwesenden ordentlich einpeitscht. Der Hof der Sixtina füllt sich immer mehr mit wummernden Beats und tanzenden Menschen, die sichtlich Bock auf die harten Synth-Industrial Sounds und nicht zuletzt auf die kommenden vier Tage haben. (DS)

Täubchenthal

Das Täubchenthal im Leipziger Westen ist mit seinem großzügigem Außenbereich, weitläufigen Galerien sowohl außen als auch im Inneren und der restaurierten Industrie-Bausubstanz wohl mit der schönste Veranstaltungsort des gesamten WGT. Der Club befindet sich in einer Seitenstraße von der Zschocherschen Straße: Ein Alptraum für manchen internationalen Besucher des WGT, der nach dem Weg dahin fragen muss. Heute hat man hier thematisch aufeinander abgestimmt Künstler aus dem Spannungsfeld Goth-Rock, Post-Punk, Post-Goth und was immer Michael Sele grad macht einquartiert. Und weil das so gut passt, sind wir auch mal gleich hier geblieben. (KS)

16:30 Uhr – THE LAST CRY (GB)

Als wir am Täubchenthal ankommen, hat sich schon eine ansehnliche Schlange gebildet. Es ist 16:00 Uhr, reingelassen werden wir jedoch noch nicht. Stilistisch dominiert, passend zum präsentierten Musikstil am heutigen Abend der klassische Goth-Rock Fan. Überall sind Piker, Vogelnestfrisuren und Alien Sex Fiend Shirts zu sehen. Siouxsie wäre stolz gewesen. 16:30 Uhr, überpünktlich, legen die Briten um Andrew Birch los. Viele waren nur wegen The Last Cry gekommen. Blöd nur, dass die wegen des verspäteten Einlasses, zu Teil noch vor dem Club stehen mussten. Birch füllt mit seiner expressiven, leicht psychotischen Art den Ballsaal im Handumdrehen, klatscht Fans ab und konzentriert den Großteil der Aufmerksamkeit dabei auf sich. Das punkige Falling Away wird dabei genauso gefeiert, wie die zahlreichen Songs vom im April neu veröffentlichten Album Isolation/Hollow. Ein großartiger Auftakt am späten Nachmittag! (KS)

18:00 Uhr – UNDERTHESKIN (PL)

Knappe halbe Stunde für den Umbau und weiter geht es mit einem relativ jungen Projekt aus Polen. Kopf der Band Mariusz Luniewski mischt Goth-Rock und Post-Punk mit treibenden, eiskalten Elektronik-Elementen und prallen Shoegaze-Flächen. Die Musik ist gespickt mit hypnotischen, repetitiven Elementen, die zusammen mit der zurückgenommen sehr dunklen und doch jungenhaften Stimme von Mariusz soundtrackhafte klaustrophobische Atmosphären erzeugt. Bereits beim ersten Song Cold, den er mit komplett mit Kapuze und Haar verdeckten Gesicht performt, wird mir klar, dass Undertheskin als Bandname passender nicht gewählt hätte werden können, denn das Stück kriecht mir wirklich unter die Haut und setzt sich dort fest. Viel Material hat die Band noch nicht (nicht einmal 45 Minuten dauert der Auftritt), aber das hat es in sich. Fall, Wave, Burn, tRAIN die Stücke haben oft nur eine Silbe und werden sich so um so nachhaltiger einprägen. Das Publikum ist begeistert, im Täubchenthal ist es inzwischen angenehm heiß und auch im Anschluss geht einiges an Vinyl über die Merch-Stand. (KS)

19:20 Uhr – THE BEAUTY OF GEMINA (CH)

Lange Umbaupause, es wird voller und voller: Die Menschen im Täubchenthal stapeln sich wörtlich jetzt bis unters Dach. Mac Vinzens Drums, die beiden Gitarren von Michael Sele und sein Piano werden noch bis zur letzten Sekunde gecheckt. The Beauty Of Gemina sind für ihren Anspruch an sich selbst bekannt. Da muss einfach alles stimmen. Als dann die Band rund um den sensiblen, anämisch-weißhaarigen Sänger und Komponisten die Bühne betritt, ergehen sich die Fans in wahren Begeisterungsstürmen und mir wird schlagartig klar, dass hier der Headliner des heutigen Abends steht. Endlich, denn ich habe The Beauty Of Gemina schon mehrmals gesehen, erfährt diese Ausnahme-Formation die Anerkennung, die sie verdient. Heute Abend scheinen die Schweizer tatsächlich vergöttert zu werden. Und das völlig zu Recht, denn Michael Sele verfügt nicht nur über ein Talent, dass als begnadet bezeichnen kann, er hat auch noch ein Händchen für erstklassiger Musiker, mit denen er zusammenarbeitet. Für das Set hat sich die Band heute Abend für mitreißende up-tempo Stücke entschieden.

Die machen deutlich, welche bahnbrechende Entwicklung The Beauty Of Gemina in den knapp zwölf Jahren ihres Bestehens vollzogen haben. Von der Industrial-Wave Band zum progressiven Country-Goth’n’Rock’n’Blues Kleinod, das alle Genre-Grenzen hinter sich gelassen hat und zum Gesamtkunstwerk geworden ist. Ihre Songs zeugen von ungekünzelter Emotionalität und nisten sich in die Seelen ihrer Hörer ein, um dort die Art von Schönheit wachsen zu lassen, die man sich selbst nie zugetraut hätte. Die Stücke reichen heute Abend  von Lonesome Death Of A Goth DJ  bis zu Crossroads und zeigen die Bandbreite des Schweizer Künstlers, der stimmlich längst in einer Liga mit Alexander Veljanov und Nick Cave spielt. Suicide Landscapes macht mir eine Gänsehaut, wie es wahrscheinlich nur in Leipzig möglich ist und für seine bezaubernden Ansagen zwischen den Songs möchte man Michael Sele, der an diesem Abend komplett aus sich herausgeht, unentwegt küssen. “We are still here!” (KS)

20:50 Uhr – MERCIFUL NUNS (D)

Familie Seth hatte es ja angekündigt: Das Konzert auf dem WGT wird eines der letzten der Nuns sein. Das in riesigen Lettern geschriebene End auf dem Rücken von Artaud Seth ist da ein wenig subtiler weiterer Hinweis. Es bleibt voll im Täubchenthal. Die meisten haben ihre Plätze während der kurzen Umbaupause auch nicht verlassen. Superpünktlich um 20:50 Uhr verbreiten Artaud und Jawa Seth und Gitarrist Jón Tmoh dann monochrome Finsternis mit dem Eröffnungstrack Neo Alpha Genesis vom aktuellen Album Anomaly X unter dem Publikum. Dem folgen Karma Inn, Eternal Decay, Cremation, Blue Lodge und das unausweichliche Thelema … kurz gesagt so ziemlich alle Hits, die die Nuns auf ihren zehn Alben angesammelt haben: eine Setlist wie eine Bilanz. Aber noch ist auf der Bühne nichts von Wehmut zu spüren. Mit gewohnt lässiger Coolness, die ausdruckslosen Minen hinter ihren Sonnenbrillen verborgen, präsentieren die obersten Zeremonienmeister des zeitgenössischen Goth-Rock, und da sind sie wirklich unangefochten die Nummer 1, ihr Programm.

Ergreifend wird es, als die Band ihren abschließenden Song für den Abend präsentiert: The Pyramid. Dafür verlassen Merciful Nuns kurz die Bühne, wie um ein wenig Distanz zu ihren vorherigen Songs zu bringen. Die The Pyramid ist einem viel zu früh verstorbenen Mitglied der Grand Lodge gewidmet – einer der Gründe, warum die Nuns beschlossen haben, aufzuhören. Bei den Schlussakkorden steht Artaud Seth ganz nah am Graben bei seinen Fans, hat ihnen aber den Rücken zugewandt. Bis in die letzten Reihen ist “End” auf seinem Rücken lesen. Er sieht nachdenklich aus. (KS)

22:20 Uhr – SKELETAL FAMILY (GB)

Für die Kinder der 80er Jahre, die das Erwachen des Post-Punk, New Wave und Goth-Rock hautnah miterlebt haben, sind die nächsten Künstler und Headliner im Täubchenthal an diesem Abend alte Bekannte und untrennbar mit der Szene verbunden. Für alle anderen, die sich auch nur ein wenig in der musikalischen Ecke auskennen dürften Skeletal Family nicht weniger als eine Legende sein. Ihr Auftritt grenzt an immer noch an eine kleine Sensation, denn die Band hat sich in ihrer ursprünglichen Formation, also mit Sängerin und Herz der Family Anne-Marie Hurst erst kürzlich wiedergefunden. Aber natürlich wissen das alle Anwesenden, denn an der “Befüllung” des Clubs hat sich nach wie vor wenig geändert. Die Plätze vor der Bühne werden eifersüchtig gehütet, obwohl der eine oder andere sicherlich gern etwas von der kühlen Abendluft abbekommen hätte. Skeletal Family wirken wie die punkigere, death-rockigere und deutlich rotzigere Version von Siouxsie And The Banshees. Man würde zu viel sagen und der Band vielleicht auch Unrecht tun, würde man behaupten, hier hätte sich seit der “guten alten Zeit” viel verändert. Und so schwingt eine gehörige Portion Nostalgie im Batcave-Sound der Briten mit, die allesamt nicht mehr ganz die jüngsten sind, aber rein gar nicht von ihrer street credibility und Authentizität eingebüßt haben. Die Fans jedenfalls sind sehr begeistert und so wird das Täubchenthal mit scheppernden Gitarren im Minimal-Sound in die Nacht getragen. (KS)

Westbad

Das Westbad ist eine der neue Locations, die die Besucher auf ihrem WGT Plan finden können. Die in Leipzig Lindenau gelegene Konzerthalle, in der ich als Kind noch zu Schulschwimmen war, soll vor allem den Wegfall des Kohlrabizirkus in diesem Jahr kompensieren, schaut man sich zumindest die Größe der Acts an, die die Veranstalter dort platziert haben. Betrachtet man jedoch das Fassungsvermögen des Westbads im direkten Vergleich, kann einem bei den bevorstehenden Ereignissen schon leicht mulmig werden. (KS)

17:50 Uhr – SULPHER (GB)

Die Briten um Rob Holliday machen das Auftaktkonzert am ersten WGT-Tag im Westbad und es wird schon deutlich, dass da vorne auf der Bühne kein unbeschriebenes Blatt steht: Es ist schon ziemlich was los. Das ist auch nicht weiter verwunderlich,  denn so hat der Künstler, bevor er Sulpher als eigenes Projekt startete, mit vielen großen Namen zusammengearbeitet: The Mission, Gary Numan, Marilyn Manson, The Prodigy, um nur einige zu nennen. Auch Sulpher selbst gibt es schon eine Weile, obgleich sich die Band nicht gerade durch überbordende Studio-Produktivität ausgezeichnet hätte. Das ändert sich nun im August: das erscheint nun endlich das neue Album No One Will Ever Know – die zweite Langrille ihrer Karriere. Sulpher legen mit leichter Verspätung los, das dann aber so richtig. Dreckiger, sehr gitarrenlastiger Industrial Metal, der an Ministry und Marilyn Manson zu ihren besten Mechanical Animals-Zeiten erinnert. Das kommt zumindest in den ersten fünf Reihen unter den Zuschauern bestens an, danach scheint die Begeisterung etwas abzuebben, obwohl Rob Holliday mit seiner charismatischen Stimme wirklich eine glänzende Performance abliefert. (DS)

20:40 Uhr – [:SITD:]

In den mittlerweile 22 Jahren ihres Bestehens haben [:SITD:] so einige Fans gesammelt, von denen zahlreiche am diesjährigen WGT anwesend sind und Carsten Jacek, Tom Leszczenski und Frank D’Angelo live sehen wollen. Dies führt schon über eine Stunde vor der Stagetime zu einem Einlassstop im maßlos unterdimensionierten Westbad – die beachtliche Menschenschlange ist nämlich einige Häuserblocks lang. Diejenigen, die es hinein geschafft haben, dürfen eine atemberaubende Show genießen. Wie kaum eine andere Electroband schaffen [:SITD:] es, zwischen knallhartem, treibenden Bass und mitreißenden Melodien zu balancieren. In der Hälfte des Sets darf auch Tom ans Mikrofon und performt Companion vom Trauma: Ritual-Album. Auch hier wird, trotz der im Vergleich etwas sanfteren Stimme, von so manchem lauthals mitgesungen, während die anderen Zuschauer etwas verhalten schunkeln. Mit der Rückkehr des ungemein charismatischen Carsten, der keine körperliche Verrenkung scheut, um jede ausgestreckte Hand von der Bühne aus zu schütteln, geht wieder die gesamte Masse ab. Etwas mehr als eine Stunde dauert das Konzert – man sieht den verschwitzten und schnaufenden Gesichtern des Publikums jedoch an, dass es mindestens doppelt so lange hätte sein können. Die nächste Gelegenheit, die Jungs live zu sehen, ist übrigens beim diesjährigen Amphi-Festival. (JB)

Foto / Autor: Danny Sotzny (DS), Dietmar Grabs (DG), Joanna Babicka (JB), Katja Spanier (KS), Michael Gamon (MG), Sven Bähr (SB), Thomas Papenbreer (TP)


Navigation: All Gone Dead | evo-lution | Diorama | Frank The Baptist | Front Line Assembly  | Heldmaschine | Leichenwagentreffen | Les Discrets  | Nachtsucher | Neun Welten | Nytt Land | Oomph! | Ost+Front | Qntal | Steampunk Picknick | Wardruna | Zeromancer

agra-Treffenpark

War es auf dem Treffenparkplatz gestern noch gut übersichtlich, hat sich das über Nacht rasch geändert. Der Parkplatz im Inneren war komplett und der an der Bornaischen Straße war sehr gut belegt. Auch wirkte das Agragelände jetzt im Vergleich zu gestern viel besser besucht. Entweder waren die Bands am Freitag nicht der Hammer oder die Leute hatten einfach noch nicht frei bekommen. Aber jetzt kann die Party ja steigen. (DS)

17:30 Uhr – ZEROMANCER (N)

Kurz nach Einlass ist die Halle bereits sehr gut gefüllt, aber noch nicht über die Maßen voll. Betrachtet man das bevorstehende Line-up am zweiten Festival-Tag, tut ein wenig Luft nach oben ob der Kapazität der Räumlichkeiten auch gut. Zum Auftakt gibt es harten, giftigen Synth-Rock aus Norwegen. Bassist und Sänger Kim Ljung zählt wohl zu den am stärker beschäftigten Künstlern an diesem Wochenende, trat er doch tags zuvor noch mit den Seigmännern an gleicher Stelle auf. Hält man einmal kurz inne und überlegt, dass Zeromancer eigentlich nur ein kurzes Interims-Projekt für Seigmen gewesen war, dieses aber an Produktivität und Popularität bei weitem überflügelt hat, beginnt man allmählich an die unergründlichen Wege des Schicksal und die Unplanbarkeit kultureller Ausbrüche zu glauben. Eines ist auf jeden Fall unbestreitbar: Fans haben Zeromancer auf jeden Fall mitgebracht. Die stehen in der Agra von der ersten bis in die letzten Reihe und machen schon ab dem ersten Song ordentlich Stimmung. Auf der Bühne ist sehr viel Bewegung, die Band performt passend zu den harten, peitschenden Nummern äußerst extrovertiert. Sänger Alex Møklebust sucht dabei immer wieder den Kontakt zum Publikum. Demgegenüber, und doch ohne Widerspruch, stehen die Texte. Diese künden von negativen Emotionen und sind bis zum Rand gefüllt mit Verzweiflung. Soviel lässt sich raushören, der Rest ist, wie immer bei Zeromancer, ein riesiges Geheimnis. Ein sehr gelungener Auftakt hier in der Agra! (DS)

20:30 Uhr – OOMPH! (D)

Dass man da noch eine ordentliche Schippe drauflegen kann, zeigen im Anschluss die Männer von Oomph!. Die kommen dann auch nicht einfach auf die Bühne, sondern lassen sich standesgemäß von Oliver Klein ankündigen. Klar, dass die Agra jetzt mit Mann und Maus voll besetzt ist und man trotz recht kühler Außentemperaturen bereits anfängt in seiner eigenen Ursuppe zu schwimmen. Vor allem in der ersten Reihe fällt ein recht hoher Anteil weiblicher Fans auf. Von Anfang an scheinen die Niedersachsen alle auf ihrer Seite zu haben und es fällt mal wieder auf, was für eine hervorragende Live-Band Oomph! über die Jahre geworden sind. An der ausgeklügelten Lichtshow, den gezielt eingesetzten CO2-Sprühern und allerlei anderem Equipment trennt sich eben der Underground vom Profi-Musiker. Vor allem Gero und Crap performen wie auch einem Guss und halten die Massen voll im Griff. Da können einige andere in die Lehre gehen, ganz klar, dass hier jeder mitfeiert. Spring Mit Mir ist dann auch so etwas wie ein kategorischer Imperativ, bei dem sich alle Fans angesprochen fühlen, die Arme empor reißen und wie wild drauf los hüpfen. Völlig verausgabt, aber glücklich werden wir in die Pause entlassen. (DS)

22:15 Uhr – FRONT LINE ASSEMBLY (CA)

Große Bands finden ihren Weg in die Agra und so muss man, will man zwischen den Acts nicht die Location wechseln, gerade heute, gerade hier ständig und ganz empfindlich die Gefühle wechseln und sich auf abrupte Kehrtwendungen bei den präsentierten Genres einstellen. Mit über 30 Jahren auf dem Buckel und einer Besetzungshistorie, die sogar ein eigenes Organigramm hat, genießen Front Line Assembly im Spannungsfeld von EBM und Industrial Legendenstatus. Das letzte Album Echos hat für Bandverhältnisse auch schon wieder ein ziemlich hohes Alter erreicht, aber der Wahlkanadier Bill Leeb wird uns noch im Juni mit Warmech was Neues in die Regale stellen. Die Agra ist nach wie vor voll. Man merkt es den Leuten an, dass sie hauptsächlich wegen Front Line Assembly da sind. Alles fühlt sich nach der Vorwegnahme des heutigen Headliners unter einer Dunstglocke an. Hier haben vor allem Brillenträger und Fotografen ihre liebe Not. Die Show beginnt pünktlich mit einem gefühlt ewigen Intro, bei dem auf der Bühne erst einmal nicht viel passiert. An den Keyboards stehen zwei Musiker, alles wirkt etwas statisch und abgeklärt, auch der Drummer, der wenig später dazukommt ändert daran erst einmal wenig. Erst als der Meister selbst die Bühne betritt, wirkt die Show wie entfesselt. Bill Leeb, so scheint es, hat die letzten 30 Jahre einfach so an sich vorbeiziehen lassen, ohne sichtbare Spuren, dafür aber mit haufenweise hämmernden, sägenden Beats, harte Riffs und einer Setlist, an der man sehr gut das Repertoire dieser Zeit durchexerzieren kann. Der Chef lässt seinem Bewegungsdrang freien Lauf, was Dank der großzügigen Bühne auch möglich ist. Der Sound ist für Agra-Verhältnisse auch in Ordnung und die Elektroheads ganz aus dem Häuschen. Ja, was will man denn mehr? (DS)

00:35 Uhr – WARDRUNA (NO)

Das erste Mitternachts-Spezial des diesjährigen Wave-Gotik-Treffens und damit Headliner in der großen Halle des Agra-Treffenparks sind in diesem Jahr Wardruna. Das allein ist schon eine kleine Sensation, waren Konzerte der Norweger in Deutschland bisher ein eher rar gesätes Gut. Mit ihrem Runaljod-Zyklus: Gap Var Ginnunga (Weltwerdung), Yggdrasil (Weltenesche) und Ragnarok (Weltenende bzw. Götterdämmerung) revolutionierten Wardruna das Genre der heidnisch-mystischen, schamanistischen Folk-Music. Nicht zuletzt durch ihre Beteiligung an der erfolgreichen Fernsehserie Vikings hat die Band auch einen Schritt in Richtung Mainstream getan und ist durch den Ausstieg des langjährigen Mitglieds Gaahl deutlich massenkompatibler geworden. Das alles ändert aber nichts daran, dass Oliver Klein, Einheizer und Ansager, aus irgendeinem Grund trotzdem noch nichts von Wardruna gehört hat oder aber erschreckend schlecht vorbereitet ist. In seiner Ansage schwingt die Art von Fremdscham mit, die noch bis in die letzte Reihe der Agra selbst bei weniger aufmerksamen Zuhörern zu spüren ist. Dies Halle ist zu so später Stunde auch nicht mehr ganz voll. Die WGT-Schlachtenbummler sind nach dem anstrengenden und ereignisreichen Festivaltag einfach auf und erledigt. Trotzdem will man sich den Headliner nicht entgehen lassen, zu besonders und erlesen ist das Ereignis. Relativ pünktlich erschallen die ersten Töne des Intros: Tyr, der Gott des Thing-Friedens wird von Einar Selvik und seinen Kollegen hingebungsvoll angerufen. Erhaben und spirituell erklingen auch die folgenden Lieder über die Köpfe der Zuhörenden hinweg: Wunjo, Bjarkan, Raido, Fehu, Odal … bis hin zum schicksalerfüllenden und tröstenden Helvegen. Und doch, ich weiß nicht woran es liegt, gelingt es den Norwegern nicht gegen die wenig einladende Atmosphäre der Agra und die vielen anwesenden Störer, die sich lieber unterhalten und denen der Zugang zu dieser Art von Musik offenbar fehlt, anzuspielen. Ihr Auftritt wirkt ein wenig steril, nüchtern, etwas konzeptarm und allzu routiniert. Der lodernde, rituelle, der Musik innewohnende Funke, der die urwüchsige, erdige Seele von Wardruna ausmacht, springt nicht über, bei mir zumindest nicht. Dadurch haben sie leider unwiederbringlich etwas von ihrem Zauber verloren. (KS)

Deutsches Kleingärtnermuseum

14:00 Uhr – Steampunk Picknick

Den Bericht mit den Besucherbildern findet Ihr hier.

Haus Leipzig

20:40 Uhr – LES DISCRETES (F)

Obwohl Les Discrets an diesem Abend nicht die erste Band sind, die im Haus Leipzig spielen, ist noch 15 Minuten vor Beginn des Konzerts kein Mensch im Saal zu sehen. So richtig scheinen die Franzosen nicht ins Billing des WGT zu passen: musikalisch lassen sie sich auf den ersten Blick keiner der vorrangig gespielten Hauptstilrichtungen zuordnen und optisch, naja optisch passen sie schon mal gar nicht. Dafür sind Fursy Teyssier und die übrigen Bandmitglieder viel zu unscheinbar. Um derlei Szene-Eitelkeiten kümmern sich Les Discrets in der Regel aber nicht, heute schon mal gar nicht, denn im Moment hat man noch ganz andere Probleme: Fursy Teyssiers Headset funktioniert nicht. Und so muss der Künstler noch lange nach dem eigentlichen Soundcheck einsam auf der Bühne warten. Inzwischen ist der Saal im Haus Leipzig fast komplett voll – keine Ahnung, woher die Leute alle so plötzlich aufgeploppt sind. Die werden langsam ungeduldig und Fursy verströmt mittlerweile so etwas wie schicksalsergebenen Fatalismus. Mit rund 20 Minuten Verzögerung startet man dann letztendlich in das Set, oder wie ich es nenne: eine Lektion, wie man einen kompletten Saal innerhalb einer Stunde von Zuhörern in glühende Fans verwandelt. Les Discrets gelten mit als Wegbereiter des Black Gaze, eine Musikrichtung, die sich durch massive Gitarrenwände, weite sich überlagernde Soundschichten und eine sehr dichte Atmosphäre auszeichnet. Die Songs sind zum Teil überlang und von sinfonischer Struktur. Dadurch erzeugen Les Discrets eine ganz eigene überwältigende Melancholie, die in grenzenlose Emotionen greift und ihre Zuhörer schier verausgabt. Diese Art von Musik nimmt den ganzen Körper gefangen. Um mich herum sehe ich ausnahmslos verzückte Gesichter oder bangende Mähnen. Ab und zu kann sich Fursy zu einem schüchternen “Thank you” durchringen, das ihm sogleich mit einem vielstimmigen “Merci!” quittiert wird. Die Franzosen scheinen überrascht und überwältigt von der Resonanz, die sie hier bekommen. Und die WGT-Besucher? Die entern nach absolvierter Set-List, gekrönt durch das einzigartige Song For Mountains, deren Merch-Stand. Viele kaufen gleich die komplette Diskografie auf einmal. (KS)

Heidnisches Dorf / Torhaus Dölitz

Das Heidnische Dorf ringsum die Gebäude am Torhaus Dölitz ist offizielle WGT-Veranstaltungsstätte. Jedoch wird diese von einem anderen Veranstalter (Yggdrasil Agentur) betrieben, der aber mit der Treffen- und Festspielgesellschaft für Mitteldeutschland mbH zusammenarbeitet. Eben jener Veranstalter hat sich entschlossen, das Heidnischen Dorf gegen Tageskartenbeitrag auch für Nicht-Besucher des WGTs zu öffnen. In diesem, wie auch in den vergangen Jahren, wird im Dorf neben den vielen historischen Verkaufsständen und dem bunten marktbelebenden Programm auch hochkarätiges Musikalisches aufgefahren. So haben sich u. a. Szenegrößen wie Schandmaul (die zwar ihren Auftritt krankheitsbedingt absagen mussten) oder auch Qntal angekündigt. Was das für die Kapazitäten, die sehr schnell an ihre Grenzen stießen, bedeutete, wurde jedem, der dort war, vor Augen geführt. Klar war: Spaß hat das nicht immer gemacht, weder den Besuchern, die sich wie die Sardine in der Dose im Heidnischen Dorf gefühlt haben, noch für die Besuchern vor dem Heidnischen Dorf, die trotz Bändchen zeitweise in einer 700 Meter langen Schlange inklusive Einlass-Stopp ausharren mussten. (KS)

21:20 Uhr – QNTAL (D)

Die Band, die grob dem Avantgarde-Mittelalter Elektro zugeordnet werden kann, beginnt mit leichter Verspätung. Das Heidnische Dorf ist erwartungsgemäß brechend voll, aber die Sonne geht gerade unter und taucht alles in mystisches Zwielicht – wie geschaffen für ätherischen Klänge des außergewöhnlichen Künstlerkollektivs. Passend dazu sind die Fans und Besucher in den ersten Reihen auch mit stilvollen historischen Gewandungen angetan und hätte Qntal bei ihrer Musik nicht diesen unverkennbaren elektronischen Einschlag, hätte man den Eindruck, der Auftritt wäre seltsam aus der Zeit gefallen. Im März erschien VIII – Nachtblume – ein Album, mit dem Qntal durchaus nach alten Wurzeln greift, sich erfrischend wieder mehr von anderen Mainstream-Mittelalter-Combos abwendet, aber noch nicht ganz die Qualität von Qntal I & II erreicht (Aber diese Zeiten sind unwiederbringlich vorbei. Man sollte sie ruhen lassen.). Man eröffnet sogleich dann auch mit dem Titelsong und Zauber legt sich über das Heidnische Dorf. Im weiteren Verlauf sind es vor allem die historischen Instrumente, die Michael Popp aus dem FF beherrscht und die artifiziellen Melodie-Arrangements, die beeindrucken. Besonders ist es das Zusammenspiel von Sigrid Hausens (Syrah) dunklem, kehligen Mezzosopran und Sarah Newmans (Mariko) hellem, filigranem Sopran, das die Zuhörer in andere, märchenhafte Dimensionen entführt. (DS)

Naumanns / Felsenkeller

20:40 Uhr – DIORAMA (D)

Diorama waren der heimliche Headliner des Abends im Felsenkeller. Die sind mit ihrer 2016er Scheibe Zero Soldier Army erwachsener und nachdenklicher geworden. Kein zweites Even The Devils Don’t Care also, wie der eine oder andere feststellen musste.  Trotzdem war der Laden bis auf den letzten Mann gefüllt. Und Diorama haben sich entsprechend angepasst und nen echtes Party-Set gespielt. Das nennt man Fan-Service! Ich glaub’, da waren ein oder zwei langsame Stücke dabei – aber sonst ging’s immer gut “in die Fresse” –  ;-). Zugabe konnten sie aus zeitlichen Gründen leider keine machen. Es wurde auch immer wieder großzügig mit dem Nebel umgegangen. (das war für mich die nebeligste Diorama-Show – und ich hab die schon etwa nen Dutzendmal gesehen). Die nachfolgende Band hatte die Venue vielleicht nur noch zu zwei Drittel gefüllt. (DG)

Non Tox

Die Verantwortlichen der am WGT angegliederten Veranstaltungen auf dem Non Tox-Gelände in Leipzig Großzschocher haben dieses Jahr nachgebessert. So bietet das Gelände der Location deutlich mehr Platz als noch im Vorjahr, es gibt mehr Verkaufs- und Verpflegungsstände, die einen längeren Aufenthalt aushaltbarer machen. Insgesamt präsentiert sich das Non Tox familiärer in diesem Jahr. (DS)

16:15 Uhr – evo-lution (D)

Am zweiten Tag des 27. Wave-Gotik Treffens sind wir recht früh auf dem Non Tox und man mag es kaum glauben mit einer Set-Zeit von 16:15 Uhr sind evo-lution hier bereits die vierte Band im Programm. Das startete bereits um die Mittagszeit mit Desastroes. Auf dem Non Tox hat man anscheinend einen Faible für die frühen Vögel. Jetzt steht eine Band aus dem pitoresken Niedenstein auf dem Plan, die nach eigenen Angaben Military Body Music machen. Warum wird selbst Leuten, die mit evo-lution noch nicht vertraut sind, schnell klar: es geht ziemlich zackig zu. Die Stücke sind oft martialische, of-beat Nummern zum “mitmarschieren”. Sie tragen Titel wie Magic Of A Gun und Stiefel Schritt. Im Non Tox ist es voll, aber nicht überfüllt. Die Atmosphäre ist angenehm gelöst, im Publikum ist wirklich alles vom Kind bis zum Greis vertreten. Die Band selbst scheint auch gut aufgelegt zu sein. Das merkt man sowohl an der Performance, der Interaktion mit dem Publikum, als auch daran, dass Sänger Klaus Schwarz zwischen den Songs gern mal ins Plaudern gerät, hier und da etwas zu den Stücken erzählt, ohne dass es störend wirkt. Performances aus dem Elektro-Bereich laufen ja Gefahr immer etwas statisch zu wirken. Die eine oder andere Band versucht mit verschiedenen Dingen, diesem Eindruck entgegenzuwirken. Die Mitglieder von evo-lution haben diesbezüglich eine congeniale Idee: Sie stellen ihren Drummer Micha Meyer, der sowieso schon im Stehen performt, auf eine Art Trampolin (Oder Leute was war das?). Über das ganze Set hüpft dieser im Takt der Beats wie ein verrückt gewordener Springball. So viel Energie haben die Leute gebührend gefeiert. (DS)

Schauspielhaus

Als Veranstaltungsort ist das Schauspielhaus sozusagen der Gegenentwurf zur Agra-Halle auf dem WGT: Man wird höflich von den in gedecktem Zwirn gekleideten Angestellten des städtischen Theaters begrüßt, Toiletten sind ausreichend in blitzend sauberen Zustand vorhanden, es ist angenehm kühl und ruhig, über allem schwebt das gediegene Ambiente des Bildungsbürgertums und man kann die müden Festival-Beine vor der gepolsterten Bestuhlung verschnaufen. Im Schauspielhaus spielen traditionell dann auch die Acts auf dem WGT, denen ein eher intellektuelleres Œuvre anhaftet, beziehungsweise dem ein solches unterstellt wird. (KS)

17:30 Uhr – NYTT LAND (RUS)

Aus dem Herzen von Sibirien kommen Natalia und Anatoli Packalenko, die zusammen das Projekt Nytt Land 2013 aus der Taufe gehoben haben. Nun ist es ja so, dass der Norden Europas, und das schließt Russland ja ein, über einen reichen Sagenschatz unserer Ahnen verfügt. Wie eng die Verknüpfungspunkte zwischen Sibirien und Skandinavien, dem Sagenschatz der Tundra und der Edda sind, versucht uns das Projekt aufzuzeigen. Und so gibt es handgefertigte und traditionelle Instrumente, archaische Lyrik mit archaischem Inhalt, schamanistische Arrangements, schamanistische Bühnenoutfits und Make-ups und ein Band-Logo im Black-Metal Design. Die Bühne ist finster und neblig, es wird hingebungsvoll auf Birkenäste geschlagen, entrückt mit den Augen gerollt und beschwörerisch werden die Arme gehoben. Beide Protagonisten singen zudem im mongolischen Obertongesang, ein zugegebenermaßen äußerst schwieriger Gesangsstil, der jedoch noch obendrauf im ganzen üppigen Gesamtkonzept von Nytt Land den Eindruck erweckt, dass hier zu sehr gewollt auf die eingetretenen Pfade des archaisch-schamanistischen, um Authentizität bemühten Pagan-Folk eingebogen wird. Das Publikum (viele werde ich später am Abend noch bei Wardruna wiedersehen) lässt sich gefangen nehmen vom Trommelschlag, den naturalistisch-treibenden und pulsierenden Klängen und zelebrierten Ritual auf der Bühne. Nichtsdestotrotz eine gute Einstimmung auf den Headliner heute Abend. Es gibt sogar standing Ovations. (KS)

19:10 Uhr – NEUN WELTEN  (D)

In der Umbaupause bleiben wir sitzen, um unsere Plätze nicht zu verlieren, denn im Schauspielhaus gibt es verständlicherweise keinen Graben. Viele der Besucher tun es uns gleich, deponieren aber Jacken und dergleichen auf den Sitzen, um sich noch ein Getränk zu holen oder das Gegenteil zu erledigen. Mir fällt eine ältere Dame mit elegantem auffälligem Hut auf. Sie ist sehr enttäuscht, ist doch in der ersten Reihe kein Platz mehr zu finden. Einer der gleich auftretenden Künstler sei nämlich ihr Sohn! Wir kommen ins Plaudern und ich erhalte jede Menge Informationen über die Entstehungsgeschichte von Neun Welten, die mir die Band auf einen Schlag noch viel sympathischer machen. So viel geballter Mutterstolz und musikalischer Sachverstand nötigen mir Respekt ab und ich biete der Dame meinen Platz an. Sie winkt ab: “Nein”, meint sie, “schreiben Sie bitte einen schönen Bericht und achten Sie auf den jungen Mann an der Gitarre. Er spielt auch Cello.” Ok, na dann. Bis zu ihrem aktuellem Album The Sea I’m Diving In haben sich Neun Welten vorrangig durch naturmystische, märchenhaft und ätherische-träumerische Instrumentalstücke ausgezeichnet. Das neue Album kann man durchaus als Zäsur bezeichnen: der Gesang tritt stärker in den Fokus und Post- und Progressiv-Rock Elemente haben bei den Leipzigern Einzug erhalten. Auf der Bühne ist auf einen Blick sichtbar, wie selbstverständlich die Künstler aufeinander eingespielt sind und wie lange sie sich schon zu kennen scheinen. Das Spiel von Neun Welten hat etwas durchaus Entrücktes, aber auf eine natürlich selbstgenügsame Art, als wäre das Publikum nur zufällig beim Zusammenspiel der Musiker anwesend. Der Sound ist vielschichtig und artifiziell, ohne jedoch eine Sekunde abgehoben oder prätentiös zu wirken. Alles scheint selbstverständlich und fließend. Neue und ältere Stücke wurden perfekt aufeinander abgestimmt. Man hat das Gefühl ihnen ewig zuhören zu können. (KS)

Südfriedhof

14:00 Uhr – Leichenwagentreffen (International)

Den Bericht mit den Besucherbildern findet Ihr hier.

Täubchenthal

21:00 Uhr – FRANK THE BAPTIST (USA)

Frank the Baptist wurde in den späten 90er-Jahren von Frontmann Frank Vollmann in San Diego/USA gegründet. Da das sonnige Kalifornien jedoch nicht die optimale Stimmung für Deathrock liefert, lebt Frank seit über 10 Jahren in Berlin. Von da hat er es bis Leipzig nicht weit und liefert eine überaus überzeugende Show ab. Franks Markenzeichen, der Zylinder, darf natürlich nicht fehlen und diesmal ist der Bandname auch optisch Programm und so hat Frank sein Outfit noch mit einem christlichen Kollar versehen. Musikalisch lässt die Band keinen Hit ihrer Laufbahn aus, doch das Highlight ist zweifelsohne der Vorgeschmack auf den kommenden Release. Angry Kids Of Jealous Gods heißt sowohl der Song als auch die EP. Obwohl Frank the Baptist unterschiedliche Einflüsse wie Postpunk und Glamrock in ihre Musik einbringen, ist hier ganz klar Deathrock im Stil von The Deep Eynde zu hören. Den Refrain vergisst man schon nach dem ersten Hören nie wieder und Frank trifft selbst die höchsten Töne und beweist, dass er ein ungemein talentierter Live-Musiker ist. Kein Wunder also, dass die Scheibe noch während des Konzerts beinahe ausverkauft ist. Ob nachgelegt wird oder die EP auch digital verfügbar sein wird, ist derweil nicht bekannt. (JB)

22:30 Uhr – ALL GONE DEAD (USA)

Eigentlich gibt es All Gone Dead nicht mehr – und das schon ganze 10 Jahre lang. Knapp vier Jahre war die Band aktiv und obwohl All Gone Dead nur ein Album, Fallen & Forgotten, veröffentlicht haben, waren sie zumindest live eine der aktivsten Bands der Deathrock-Szene. Auf Anfrage des WGT haben sich Stich und Darlin Grave jedoch wieder zusammengefunden, um ein einmaliges Konzert zu spielen. Das Täubchenthal platzt dementsprechend aus allen Nähten und die Stimmung könnte kaum besser sein. Trotz einiger technischer Schwierigkeiten bringen All Gone Dead den Saal zum Beben, denn Trump macht ihnen mehr zu schaffen als die Technik – meint Stich. Die eingefleischten Fans singen jede Zeile mit und es wird sogar bis in die hintersten Reihen getanzt. Ob Stich und Darlin Grave nun Lust auf mehr bekommen haben und uns bald mit mehr Shows oder vielleicht sogar neuer Musik beglücken, wird sich zeigen. (JB)

Westbad

17:00 Uhr – NACHTSUCHER (D)

In der Ankündigung zum WGT wird von heroischen Synthi-Klängen gesprochen und bretthart-eingängigen Gitarrenriffs … und Gesang mit seelischen Abgründen … ich bin gespannt! Als ich im Westbad ankomme, ist die Halle schon fast halb voll. Für eine 17 Uhr Veranstaltung schon nicht schlecht. Pünktlich startet die Musik von Nachtsucher, jedoch den Sänger sucht man auf der Bühne vergeblich. Trotzdem ist Frontmann Christian Finks Gesang zu hören … Es ist eine Marotte von ihm, seine Show mitten im Publikum zu beginnen. Er performt den ersten Song Verlassen mitten unter den schwarzen Zuhörern. Die Ankündigung vom Gesang über seelische Abgründe ist gar nicht so abwegig, denn es nimmt einen schon ganz schön mit, wenn er von Such Nach mir über Angst und Komm mit mir singt. Christian erklärt zwischendurch, wie er seine Texte schreibt. Dass er oft Erlebnisse seines Alltags integriert und somit andere an seinem Leben teilhaben lässt. Die Besucher finden schnell Zugang zu seiner Musik, einige tanzen das gesamte Konzert hindurch und es wird auch kräftig Beifall geklatscht. Die Aussage des Sängers, dass er vor so vielen Leuten noch nie gespielt hat, macht ihn umso sympathischer und ich finde, das er sehr glaubwürdig seine Musik rüber bringt. (JBr)

Setlist – NACHTSUCHER @ Westbad, 19.05.2018:
  1. Intro
  2. Verlassen
  3. In dir
  4. Such nach mir
  5. Angst
  6. Komm mit mir
  7. Verlier nicht Zeit
  8. Was du willst
  9. Wenn du kommst
  10. Diese Nacht
  11. Wonach du suchst
  12. Helden

18:20 Uhr OST+FRONT (D)

Ost+Front sind grad die zweite Band des Abends und schon ist es im Westbad passiert: lange Schlangen plus Einlassstop. Ja, was man sich wohl dabei gedacht hat, eine Band mit rund 35.000 Followern bei Facebook (alle ungefähr aus dem WGT-Besucher relevanten Bereich) in dieser knappen Location einzuquartieren. Das wird wohl später mancherorts eine nicht so erquickliche Nachlese geben. Umso besser ist die Stimmung bei uns im Westbad, denn die Berliner von Ost+Front werden von Anfang an als riesiger Act gefeiert. Als Band der so genannten Neuen Deutschen Härte, als deren Vertreter sie sich ja selbst auch sehen, setzen Ost+Front selbstverständlich sehr stark auf schockierenden, verstörende und provokante visuelle Effekte. Und so sieht Herrmann Ostfront wieder aus, wie ein Splatter-Metzger nach einer 16-Stunden Schicht. Beim ersten Song performt eine Tänzerin in Latex-Zwangsjacke und auch der Rest der Band, die Fleisch (!) als ihr Hauptinteresse nennt, hat sich wieder ordentlich am Horror-Military-Gewandungs Fundus bedient. Was soll man noch dazu sagen? Es geht ordentlich ab bei Ost+Front und den Applaus haben sie sich richtig erarbeitet, als sie zum Ende des Sets mit Marschmusik die Bühne verlassen. Bei der Zugabe fliegen Luftballons, die Stimmung ist furios, das Westbad kocht. Wie soll man das noch steigern? (DS)

19:50 Uhr HELDMASCHINE (D)

Ja, wie? Wir bleiben im Genre, auch das Westbad bleibt voll, wir bleiben beim Einlass-Stop. Heldmaschine fahren nicht ganz so viel Show auf, wie noch Ost+Front. Ein paar LEDs hier und da und farblich aufeinander abgestimmte Bühnenoutfits kommen erst einmal gegen das sich vorab ereignete Happening nicht an, wenn man im Grunde ähnliche Musik mit ähnlicher Attitüde macht. Man merkt in den ersten drei Liedern, dass die Koblenzer erst einmal ein bisschen schwer mit dem Publikum tun. Trotzdem haben auch die ihre Fans mitgebracht, die schließlich das Ruder zugunsten ihrer Band noch rumreißen können. Und Heldmaschine punkten darüber hinaus mit gutem, hartem Elektro-Heavy-Sound und gewohnt sympathischer Interaktion mit dem Publikum. Im Januar erschien die Compilation Live+Laut in Ton und Bild. Bei ihrem einstündigen Konzert kann die Band hierbei natürlich aus den Vollen schöpfen und den Besuchern eine wohl-sortierte Werkschau aus über sieben Jahren Bandgeschichte präsentieren. Insgesamt ein sehr solider Auftritt von Heldmaschine, der auch ohne viel Schnick-Schnack sein Ziel nicht verfehlt hat. (DS)

Foto / Author: Danny Sotzny (DS), Dietmar Grabs (DG), Jana Breternitz (JBr), Joanna Babicka(JB), Katja Spanier (KS), Michael Gamon (GM) , Thomas Papenbreer (TP), Thomas Bunge (TB)


Navigation: Caisaron (D) | De/Vision (D) | Dool (NL) | Elegant Machinery (S) | Klutæ (DK) | Pyogenesis (D) | Reichsfeind (D) | Solitary Experiments (D) | Spark! (S) | Sturm Café (S) | Suld (MNG) | SynthAttack (D) | The Arch (B) | The Jesus And Mary Chain (GB) | Then Comes Silence (S) | Tiamat (S) | Vomito Negro (B) | Weinverkostung | Xenturion Prime (NO) | Zeraphine (D)

agra-Treffenpark

18:25 Uhr – XENTURION PRIME (N)

Die Synth-Pop, EBM, Futur-Pop Formation Xenturion Prime ist der zweite Act am dritten WGT-Tag in der Agra-Halle. Die ist schon sehr gut gefüllt und erwartet das Trio aus Norwegen mit freudiger Erwartung. Für Xenturion Prime, die ihren Stil als “Scandinavian Powersynth” bezeichnen, ist es der erste Auftritt beim WGT, der erste überhaupt in Deutschland, aber von Aufregung scheint keine Spur zu herrschen. Bjorn Marius Borg, Hasse Mattsson, Cathrine Räisänen tragen ziemlich stylische, überdimensional große, transparente Kunststoffbrillen mit integrierten LEDs, die in Intervallen programmiert, im Takt zur Musik, in verschiedenen Farben aufleuchten. Das gibt dem ganzen Auftritt einen coolen spaceigen Look. Mit kraftvollen Synthesizern, teils poppigen, teils atmosphärischen und sehr eingängigen Nummern kommt man schnell in Versuchung mitzusingen und mitzuklatschen. Xenturion Prime, Ihr dürft gern mal wieder vorbeischauen! (DS)

19:40 Uhr – ELEGANT MACHINERY (S)

Als nächstes gibt es gewichtigen Besuch aus Helsingborg. Und der hat was zu feiern. Nach Jahren nervenaufreibender On-Off- und wieder On-Beziehung begehen Elegant Machinery dieses Jahr auf dem WGT ihr 30(!)-jähriges Bühnenjubiläum. Die Band ist sichtlich aus dem Häuschen, das Publikum, das gefühlt in der Pause einmal durchgewechselt hat, auch. Scheinbar sind nun fast ausschließlich Fans anwesend: Jeder neue Song wird schon bei den ersten Takten herzlich begrüßt und textsicher nach Hause begleitet. Alle wippen und schaukeln mit, als hätten sie eine Choreographie einstudiert. Soviel Fan-Support hilft der Band auch souverän mit einigen technischen Problemen, die mitten im Set auftauchen, umzugehen. Die werden sehr sympathisch überspielt und sind schnell vergessen. Im Wesentlichen gibt es Synth-Pop vom Allerfeinsten, bei dem die Schweden unter Beweis stellen, warum sie im Bereich dunkler Elektro-Mucke zu den Export-Schlagern Skandinaviens gehören. Im Hintergrund laufen originelle Videos auf einer übergroßen Leinwand, mit denen die Stimmungen der jeweiligen Stücke aufgegriffen und sehr überzeugend weiter getragen werden. (DS)

20:55 Uhr – SOLITARY EXPERIMENTS (D)

Frankfurt, oder? Jetzt aber mittlerweile Berlin, auf jeden Fall aber schon fast 25 Jahre gibt es Solitary Experiments. Insgesamt 14 Alben sind während der Zeit entstanden, wenn man wirklich alle abendfüllenden Langrillen mitzählt. Die Aktuellen darunter sind Remixes von 2015: Heavenly Symphony und Memorandum – neues Material lässt bei dem Quintett demnach auch schon länger auf sich warten. Aber ausgiebig auf Tour sind sie, wie die Get Your Flag-Aktion, die schon länger durch die sozialen Medien geht und viel Zuspruch bei den Fans findet, beweist. Dass Solitary Experiments Elektro und Future-Pop machen, muss man eigentlich auch keinem mehr erzählen, dafür ist die buntgemischte Menge an fähnchenschwenkenden Enthusiasten in der brechendvollen Agra auch einfach zu groß. Das Objekt der Begierde indes wagt heute Abend ganz namensuntypisch wenig Experimente und liefert einfach nur eine großartige Show ab. Zur Freude der Fans, versteht sich. Die Hände (und auch die Handys) sind oben, jeder neue Song wird bejubelt und es wird selbstverständlich mitgesungen. Die Band, mit ihren roten Hemden wie immer farblich exakt aufeinander abgestimmt, feiert ihrerseits ihre Fans und beteuert immer wieder, dass man nur hier sei, weil es uns alle gibt. So viel Liebe! (DS)

Setlist SOLITARY EXPERIMENTS @ agra-Treffenpark, 20.05.2018 :

01. Trial And Error
02. Immortal
03. Pale Candle Light
04. I Am
05. No Salvation
06. Delight
07. Crash And Burn
08. Point Of View
09. Rise And Fall
10. Epiphany
11. Stars

22:20 Uhr – DE/VISION (D)

Institutionen im Bereich Elektro, ja das Genre kommt langsam in die Jahre, sind De/Vision schon längst. 14 Studioalben, EPs, Compilations nicht mitgerechnet. Die neue Scheibe Citybeats steht schon in den Startlöchern. Die dazugehörige Tour für den Herbst ist auch schon längst geplant. Nein, bei den Männern aus Berlin stellen sich wohl vorerst noch keine Alterserscheinungen ein. Und weil man als Szene-Urgestein zur Prominenz gehört, gehörig Publikum zieht, ist es dann auch die Agra und einer der besten Slots des Sonntag-Abends. Außerdem wird der Futur-Pop Legende die Ehre zuteil, sich von Mark Benecke ankündigen zu lassen. Die Stimmung ist entsprechend ausgelassen in der vollen schwitzigen Betonhalle, obwohl man sich sowohl auf der Bühne, als auch im Publikum eher zurückhaltend bewegt. Gespielt wird ein typisches Festival-Set aus Klassikern mit wenig Überraschungen und Experimenten. (DG)

00:35 Uhr – THE JESUS AND MARY CHAIN (GB)

Sie waren eine der ersten Bandbestätigungen des diesjährigen WGT und gleichzeitig vielleicht die größte Sensation: The Jesus And Mary Chain. Die braucht man nun wirklich keinem mehr vorstellen. In den 80er waren die Brüder William und Jim Reed die ungekrönten Könige des Post-Punk und Noise-Pop, die mal so nebenbei mit ihrem Album Psychocandy (1985) den Shoegaze mitbegründeten und in einem Atemzug mit Genre-Legenden wie The Cure oder Bauhaus genannt werden. Ihre Bandgeschichte ist gezeichnet, so ambivalent wie ihre Musik: voller Zorn und zauberhafter Melodien. Gegründet 1983, zerstritten 1997, versöhnt 2007, ihr aktuelles Album Damage And Joy (2017) nach 20 Jahren Schweigen, immer noch eine Sensation. Jetzt touren die Schotten wieder fleißig und schauen auch auf der Agra vorbei. Keine Frage, sie sind der Headliner: das zweite Mitternachts-Spezial des Festivals. Es ist voller als tags zuvor. Man beginnt pünktlich. Das Publikum, viele “Goths der ersten Stunde” sind darunter, lauschen der Darbietung wie gespannte Federn. Die startet mit einer ausgeklügelten Lichtshow, bis auf Sänger Jim Reid bewegt sich nicht viel auf der Bühne. Das ist auch nicht weiter schlimm, denn schließlich hat man sich wegen der Musik versammelt. Und da hat sich seit den 80ern als die Brüder ihr Publikum mit noch mit infernalisch schlechten Konzerten als Manifestationen ihres gerechten Zorns auf die Menschheit überzogen hatten, zum Glück einiges geändert. Über eine Stunde gab es eine erlesene Auswahl aus der Diskografie der Schotten: April Skies, Darklands, Head On, Just Like Honey, Teenage Lust … Himmlisch! (DS)

Felsenkeller / Naumanns

19:10 Uhr – PYOGENESIS (D)

Wir landen im Felsenkeller, um uns am heutigen Abend gleich zweimal ausführlich in Jugenderinnerungen zu wälzen. Das erste Mal soll schon gleich vonstatten gehen, aber wir müssen uns noch etwas gedulden, denn wir befinden uns circa 25 Minuten hinter dem Zeitplan. Pyogenesis stehen auf dem Plan. Bilder werden wach an die Stuttgarter, die uns, zum größten Teil noch als das Jahrtausend ein anderes war, mit ihrer Mischung aus Death Metal und Punk Rock heimsuchten und Platten wie Twinaleblood (1997), Unpop (1997) und She Makes Me Wish I Had a Gun (2002) rausbrachten. Nach letzterer war es lange, lange ruhig, bis 2015 A Century In The Curse Of Time und 2017 A Kingdom To Disappear erschienen und gierig aufgenommen wurden. Bandvorsitzender Flo V. Schwarz äußert sich zwar etwas verwundert, das zu so früher Stunde schon so viele ihren Weg in den Felsenkeller gefunden haben, so richtig glauben mag man ihm das aber nicht. Das liegt zum einen daran, dass Pyogenesis durchaus mehr Publikum gewöhnt sein dürften und zum anderen schlicht an der Tatsache, dass die Location grad mal zu zwei Dritteln voll ist. Die Band performt rasant schnelle Stücke und setzt auf Mitsing-Hymnen vergangener Tage, was wohlwollend aufgenommen wird. Die ganze Performance wirkt auf mich etwas konzeptlos und hektisch, man will sehr viel zeigen, das dann aber möglichst auf einmal. Einmal stürzt Flo Schwarz sogar über sein (oder das seines Kollegen?) Gitarrenkabel der Länge nach hin. Etwas weniger Berufsjugendlicher, etwas mehr Understatement hätte dem Auftritt sicherlich gut getan. (KS)

20:40 Uhr – DOOL (NL)

Auf kaum einen anderen Auftritt auf dem diesjährigen WGT habe ich mich so sehr gefreut, wie auch den der niederländischen Band Dool. Die Progressive-Rocker/Metaller räumten im letzten Jahr mit ihrem Debüt Here Now There Then und ihren Live-Auftritten, die etwas von vernichtenden Hurricans haben, so ziemlich alles ab, was ging. Bemerkenswert beim line-up, dass die Saitenfraktion bei Dool personnel gleich viermal (drei Gitarren, ein Bass) besetzt ist. Das stellt den Soundcheck jedesmal, so auch heute (das ist keine Überraschung) vor ganz besondere Herausforderungen. Aber die Niederländer lassen sich nicht aus der Ruhe bringen, nein, sie scheinen das meiste sogar selbst in die Hand zu nehmen. So verzögert sich der Zeitplan nicht noch weiter. Dool entern die Stage mit Vantablack (ein Song: schwärzer noch als schwarz): Was für ein Brett! Was für eine Band! Was für eine Frau! Was für eine Röhre! Ryanne van Dorst und ihre Männer sind perfekt aufeinander eingespielt und scheinen ihre Songs zu atmen. Böse Zungen behaupten Here Now There Then sei als Alibi aufgenommen wurden, damit man eine Berechtigung hätte, live zu spielen. Fakt ist, dass die Songs auf der Bühne erst richtig wirken. Fakt ist außerdem, dass Dool im Moment zu den sehenswertesten Bands auf internationalen Bühnen überhaupt gehören. Denn dort sind sie wie entfesselt. Ausfälle, wie als das Kabel von Jon van de Zande den Geist aufgibt und während des Songs getauscht werden muss, fallen überhaupt nicht auf. Zwischen den Songs prostet van Dorst dem Publikum schweißgebadet zu: “We are Dool from the Netherlands and we are playing for you the songs of life and death!”. Die kommen fast alle vom aktuellen Album: The Alpha, She Goat, Oweynagat… Für einen ganz besonderen Moment sorgen Dool mit ihrer Version vom Killing Joke Klassiker Love Like Blood. So hören sich Rockstars an und so sehen Rockstars aus! (KS)

22:20 Uhr – TIAMAT (S)

Mit ihrem 1994 erschienen Album Wildhoney haben Tiamat den Gothic Metal aus der Taufe gehoben und dabei Musikgeschichte geschrieben. Heute sind die unbestrittenen Headliner im Felsenkeller und das obwohl das letzte Album The Scarred People schon sechs Jahre zurückliegt und Johan Edlund schon einmal seinen Rückzug aus der Band bekannt gegeben hat. Totgesagte leben ja bekanntlich am längsten und auf dem WGT werden sie stets mit offenen Armen empfangen, da man hier seine Legenden liebt, hegt und pflegt. In den Felsenkeller passt kein Mensch mehr. Draußen hat man längst zugesperrt. Drinnen pumpt man nur noch panisch den schweren, heißen Dunst in die Lungenflügel, das Atmen hat man aufgegeben. Auch auf der Bühne ist kein Silberstreif am Horizont in Sicht. Johan Endlund verbreitet bleierne Hoffnungslosigkeit mit brachialen, donnernden Riffs, schleppenden Drums und suizidalen, heiseren Schreien. Der Felsenkeller wird zu Luzifers Dachboden, nur mit noch weniger Licht. Tiamat werden frenetisch bejubelt. Alle, Band und Publikum, scheinen ihr Letztes zu geben, sich völlig zu verausgaben. Die Zeit dehnt sich, scheint stillzustehen, kumuliert auf einen Punkt und plötzlich wähnt man sich wieder mitten in den 90ern, als man beim blassen Mondlicht zu den Klängen von Wildhoney mit dem Teufel getanzt hat. Und plötzlich hat Zeit keine Bedeutung mehr. Es gibt eine Zugabe. Man stolpert in die Nacht und atmet durch. (KS)

Heidnisches Dorf / Torhaus Dölitz

17:00 Uhr – SULD (MNG)

Suld machen Metal und kommen aus der inneren Mongolei. Das reicht dicke für den Exotenbonus, der dazu führt, dass wohl keine andere Band mehr Pressetermine auf dem diesjährigen WGT hat, die hinaus in den Mainstream tönen. Und ja, ich geb’s ja zu, wegen diesem Exotenbonus bin ich auch da. Es interessiert mich einfach zu hören, wie Metal-Bands von überall rund um den Globus klingen. Eben nicht nur aus dem Europäischen Raum oder US-Amerika, sondern auch aus Ländern, in denen es der Metal schwer hat, um nicht zu sagen, in denen es sogar gefährlich ist, diese Art von Musik zu machen oder auch zu nur anzuhören. Das gilt nun glücklicherweise nicht für die Mongolei, aber auch da dürfte Metal nun nicht grad zu den vorherrschenden Musikstilen gehören. Suld kombinieren ihn mit Elementen traditioneller einheimischer Musik. Eines ihrer Mitglieder spielt eine mongolische Pferdekopfgeige. Das alles verleiht der Musik einen fernöstlichen Touch, obwohl in den Songs auch die vertrauten Riffs und Blasts zu finden sind, wenn auch die Songs vielleicht eher im Hard Rock als im Metal, vielleicht am ehesten noch im Folk-Metal anzusiedeln sind, wenn man das “mongolische Moment” mit einbeziehen möchte. Die Musiker sind furchtbar aufgeregt. Das merkt man ihnen an. Auftritte in Europa sind wohl eher selten und nun hat sich auch noch durch das abgesagte Konzert von Schandmaul der komplette Zeitplan nach hinten verschoben. Es gibt kurz Verwirrung bei der Band, die glaubt, gleich nach dem frühen Soundcheck ihren Auftritt absolvieren zu können. Fehlanzeigen – sie müssen noch einmal runter von der Bühne. Ich sehe die Mitglieder im Backstagebereich von meinem Platz aus angespannt auf- und abgehen. Dann ist es endlich soweit. Suld werden mit empor gereckten Pommesgabeln und Fäusten empfangen. Die Besucher im Heidnischen Dorf sind begeistert über weitgereiste Band, die das noch gar nicht so richtig glauben kann. Jeder einzelne Song, die im übrigen alle Landessprache gesungen werden, wird gefeiert. Die Leute hüpfen und bangen was das Zeug hält, trotz Hitze und Enge vor der Bühne. Am Ende ihres Sets werfen die Jungs noch einige Exemplare ihrer aktuellen CD City Nomad in die Menge. Mir bleibt eigentlich nur eins zu sagen: “In metal we are one world!” (KS)

Grassimuseum

14:00 Uhr – 4. WGT WEINVERKOSTUNG

Schon fast traditionell treffen sich am Samstag die Freunde des Weines am Grassimuseum. Gastgeber sind dabei Thomas Rainer von Nachtmahr und Oswald Henke von Goethes Erben. Dabei entstehen meistens auch Bilder für Nachtmahr, die bereits Einzug auf das letzte Album gefunden haben. Nichtsdestotrotz kann man hier über seinen selbst mitgebrachten Wein diskutieren, aber auch neue Sorten probieren und kennen lernen. Auf jeden Fall ein gelungene Start in den WGT-Samstag. (DS)

Non Tox

14:15 Uhr – REICHSFEIND (D)

Auch am dritten WGT-Tag startet man auf dem Non Tox äußerst früh. Endlich hat sich die Sonne durchgesetzt und wir haben das Wetter, das uns die schönsten WGT-Erinnerungen zaubert. Ein paar Leute, eine recht überschaubare Menge an Besuchern ist es erst, hat sich schon zu so früher Stunde auf das Geländer verirrt. Hier steht schon Timo Revna alias Reichsfeind und hat mit seinem Auftritt begonnen. Die Bühne selbst ist dafür recht spartanisch ausgestattet. Dafür hat Reichsfeind aber eine Botschaft, die eng mit dem Namen seines Projektes verknüpft ist: “Ein Name als Wort des Widerstands gegen ethnische, religiöse und politische Verfolgung; eine Anregung zur Reflexion. Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Love music. Hate racism.” Als musikalisches Vehikel seiner Botschaft hat sich der junge Mann aus Frankfurt harte Industrial-Sounds und sphärische Synth-Flächen ausgesucht. Vor der Bühne wird getanzt. Ihm scheint es auch Spaß zu machen, obwohl er trotz Interaktionen mit den Besuchern die meiste Zeit der 45 Minuten dauernden Show hinter dem Mikrofon blieb. Insgesamt aber eine solide Leistung, die mit Applaus verabschiedet wird. (DS).

15:15 Uhr – CAISARON (D)

Caisaron hatte da ein bisschen mehr Pech mit dem Publikum. Dabei hatte sich das Elektro-Pop Trio aus Dresden etwas besonderes für ihren Auftritt einfallen lassen. Sängerin Angela Blackfield betrat während des ersten Songs mit riesigen schimmernden Flügeln die Bühne, von denen sich anfangs von komplett verhüllt war. Nachdem auch Sänger Frank auf die Bühne kam und beide den ersten Song absolviert hatten, umschloss sie diesen noch einmal komplett mit beiden Flügeln, so dass dieser nicht mehr zu sehen war. Durchaus schön anzuschauen und auch das Zusammenspiel und die Harmonie beider Künstler während dem übrigen Auftritt war sehr gut und harmonisch. Der Elektropop, den Caisaron performen, ist eingängig, treibend und tanzbar. Trotzdem bleibt das Publikum verhalten, vor der Bühne finden sich nur sehr wenige Menschen ein. Die meisten sitzen auf den Bänken, die etwas weiter weg am Getränkestand stehen,und verfolgen den Auftritt von dort. Und obwohl sich gegen Ende des Konzerts doch noch der eine oder andere vor der Bühne einfindet, um Caisaron zu unterstützen, kann man sie Band nur für ihre solide Performance und ihr Durchhaltevermögen beglückwünschen. (DS)

16:15 Uhr – SYNTHATTACK (D)

Deutlich mehr Besucher, dafür aber mit technischen Problemen zu kämpfen, haben nun SynthAttack. Das Platz vor der Bühne ist jetzt sehr gut gefüllt. Vor allem die große Anzahl an Cyber-Goths fällt ins Auge. Gerade die haben sich auf dem WGT in den letzten Jahren doch ein wenig rarer gemacht. Das Duo aus Hannover, das passend zum anwesenden Publikum vor allem für ihren AggroTech bekannt ist, hat sich zwei Tänzerinnern als Support mitgebracht, die die Growd zusätzlich anheizen sollen. Als es dann schließlich los geht, merkt man, dass die so unbedingt gar nicht notwendig gewesen wären, denn die Leute feiern die harshen Voices und hämmernden Beats auch so und tanzen ausgelassen. Trotzdem machen beide und auch Martin und Nicole selbst noch zusätzlich richtig Stimmung und sorgen für Begeisterung in der Meute, die nun endlich aufgewacht zu sein scheint. (DS)

Stadtbad

18:20 Uhr – SPARK! (S)

Die wohl größte Überraschung am Sonntag im Stadtbad ist die Reihung der Bands. Nachdem Akalotz mit Oldschool-EBM den Konzertabend gestartet haben, folgt sogleich die Band, die eigentlich Headliner sein sollte: Spark! Die Schweden haben sich mit ihrem innovativen Mix aus Pop und EBM in die Herzen ihrer Fans gespielt und das Stadtbad könnte kaum voller sein. Christer, auch bekannt von Biomekkanik, ist erst seit dem dritten Album als Sänger an der Seite von Mattias, der Spark! schon 2007 ins Leben gerufen hat. Während ihrer ersten gemeinsamen Show hat Christer eine Clownmaske getragen, um zu verhüllen, wer der neue Sänger der Band ist. Irgendwie scheinen die Jungs Gefallen an der Maske gefunden zu haben, denn mittlerweile sind ebenjene Masken in ihren Artworks und Videos zu finden und dürfen selbstverständlich auch auf der Bühne nicht fehlen. So starten Spark! ihr Konzert maskiert, doch diesmal ist kein Spannungsaufbau nötig. Sobald Christer die Bühne betritt, ist die Menge aus dem Häuschen. Während sie nach der Reihe all ihre bekanntesten Songs spielen, gehen Pogo-Schubser in Umarmungen über, die anwesende schwedische Fraktion gröhlt sich die Seele aus dem Leib und obwohl es im Stadtbad kaum mehr Sauerstoff zum Atmen gibt, steht kein Körper still. Für die deutschsprachigen Fans haben Spark! einen ihrer Songtexte sogar auf Deutsch übersetzt, damit sie “einmal verstehen worum es in den Lyrics überhaupt geht”. Auch Två Mot En, ein Vorgeschmack auf das kommende Album, kommt mehr als gut an und lässt Vorfreude auf neues Material der Schweden aufkommen. Jetzt heißt es also nur noch geduldig sein! (JB)

19:40 Uhr – STURM CAFÉ

Nach Spark! folgen sogleich die nächsten Schweden, Sturm Café, womit es wieder zurück zu Oldschool-Tönen geht. Verständnisprobleme beim deutschsprachigen Publikum gibt es hier nicht, denn die Texte sind auf Deutsch. Obwohl es nicht einfach ist, mit der Wahnsinnsshow mitzuhalten, die Spark! vorgelegt haben, schlagen sich Jonatan und Gustav tapfer. Für dieses Konzert hat sich das Duo Verstärkung geholt: Patrik Linderstam, der die Jungs als Graphic Designer unterstützt, kümmert sich um visuelle Effekte und Joakim Mohlund, der Vokalist bei Kommando XY ist, hilft am Schlagzeug und als zusätzliche Stimme aus. Die Performance könnte vor allem in Anbetracht des rammelvollen Stadtbads ein bisschen lebhafter sein, doch dieses kleine Minus machen Sturm Café mit eingängigen Songs wieder gut. Die Fans sind jedenfalls begeistert. (JB)

21:10 Uhr – VOMITO NEGRO

Mit Vomito Negro geht es musikalisch von EBM zu Industrial über. Die belgische Band besteht seit 1983 und ist in den unglaublichen 35 Jahren ihres Bestehens zu einer festen Größe in der Szene gewachsen. Spätestens als Folterinstrumente auf die Leinwand hinter der Bühne projiziert werden ist klar, dass es hier nichts zum Lachen geben wird. Es kracht und knarrt, die Beats sind hart und hypnotisch. Gin Devo und Sven Kadenza sind nur spärlich in Rot und Blau beleuchtet – im Vordergrund stehen weiterhin die Projektionen, die in variierenden Bildern Tod und Verderben darstellen. Im Gegensatz zum diesjährigen Auftritt beim WGT wirkt jener von 2014 wie ein heiterer und bunter Kindergeburtstag. Es ist erfrischend zu sehen, dass es Bands gibt, die sich trotz ihrer langjährigen Karriere nicht auf ihrem Ruhm ausruhen, sondern ihre Fans immer wieder mit neuen Ideen überraschen. So wird man bei diesem audiovisuellen Erlebnis vom düsteren Universum von Vomito Negro verschlungen und wer das ganze Set durchgestanden hat, darf sich ruhig eine Verschnaufpause gönnen, um wieder etwas Fröhlichkeit und Lebenslust zu tanken. (JB)

22:40 Uhr – KLUTAE

Letzter Act des Abends ist Klutae – ein Projekt des dänischen Musikers Claus Larsen, der sich schon als Leaether Strip einen Namen gemacht hat. Mittlerweile hat sich das Stadtbad auf etwa die Hälfte des Fassungsvermögens geleert. Wer jetzt immer noch tanzen kann, hat vor allem vor der Bühne genügend Platz dafür. Zu sehen gibt es jedoch nicht viel, denn Claus macht auf der Bühne den Alleinunterhalter, was aber weder ihn noch die Handvoll tanzwütiger Fans zu stören scheint. Auf die Ohren gibt es Songs aus dem gesamten Schaffenswerk von Klutae, vor allem aber vom 2017 erschienenen Album Black Piranha, das den gewohnten Industrial mit EBM-Elementen kombiniert. Nach einem kurzen Intermezzo mit einer Neuinterpretation des 60er-Hits Tequila, das etwas wie ein schlechter Scherz wirkte, besänftigte Claus die verwirrten Gemüter zum Abschluss noch mit Songs von Leaether Strip, “weil das WGT Leaether Strip nicht buchen wollte”. Im Herbst ist übrigens Leaether Strip auf der “30th Anniversary Tour” unterwegs und wird unter anderen von And One und Rummelsnuff begleitet. (JB)

Westbad

19:10 Uhr – THE ARCH

Zeit für Waverock aus Belgien mit The Arch. Das Westbad ist zwar nur knapp zur Hälfte gefüllt, doch können die Jungs aus Breendonk ihre Fans schon mal ein wenig zum Tanzen bringen und spätestens als die ersten Töne von Babsi Ist Tot erklingen, weiß wohl auch der Letzte hier im Saal, wer da aufspielt. Immer wieder peitscht Sänger CUVG die Zuschauer nach vorne und so erfreut man sich vor allem nach einer guten Dreiviertelstunde an den Klängen von Ribdancer, bei dem nun noch mehr getanzt wird, während CUVG seinen Fans auf der Absperrung noch einmal besonders nah kommt. Es wäre ein gelungenes Finale gewesen, doch im Anschluss heißt es noch einmal No Tears (For The Creatures Of The Night), das im dröhnenden Soundbrei leider vollkommen untergeht. Schade um den alten No More Klassiker, den Eindruck des Auftritts selbst soll dies aber nicht schmälern. (MG)

20:30 Uhr – THEN COMES SILENCE

Nach einer relativ kurzen Pause geht es weiter und auch wenn es bei Then Comes Silence im Anschluss nun noch immer aus der Soundanlage im Westbad dröhnt, verstehen es die Schweden doch bestens, damit ordentlich Druck aufzubauen. Die Halle hat sich längst spürbar besser gefüllt und wird von den Gitarrenklängen und Bassläufen der Nordmänner sichtbar mitgerissen. Mal bedrohlich, mal hart, brettern die Jungs aus Stockholm durch ihr rockiges Postpunk Set und dürften nicht nur mit Strangers so manchen neuen Fan hinzugewonnen haben. Der stetig wachsende Applaus nach den Songs gibt ihnen jedenfalls Recht und verleitet sie heute sogar dazu, eine Zugabe zu geben, bevor sie mit besonders viel Jubel endgültig verabschiedet werden. Ein starker Auftritt, man wird sich definitiv wiedersehen! (MG)

22:00 Uhr – ZERAPHINE (D)

In den letzten Jahren ist es leider sehr ruhig um die Band rund um Szene-Liebling Sven Friedrich geworden, der sich nach Erscheinen des letzten Zeraphine-Albums Whiteout im Jahre 2010 primär und sehr erfolgreich um sein Elektro-Projekt Solar Fake kümmert. Gerade deshalb ist es für die treue Fangemeinde stets ein Highlight, die fünf Herren live on stage zu sehen. Am WGT-Sonntag war es um 22:00 Uhr dann endlich soweit und ein bestens gelaunter Sänger betrat samt Entourage die Bühne des Westbades. Ursprünglich war der Auftritt für die Agra geplant, wurde jedoch kurzfristig umgelegt. Laut Friedrich kein Nachteil, da man jetzt ein volles Set spielen könne.

Und das tat die Band dann auch. Trotz – oder vielleicht auch gerade mangels – neuer Titel bot die Band ein Portfolio all ihrer Evergreens und brachte so das treue Publikum zum Schwitzen, Tanzen und Mitsingen. Nach 19 Titeln Bandgeschichte wie Lieber Allein, Sterne sehen oder Die Wirklichkeit und rund 1,5 Stunden Spielzeit sollte der Konzertabend dann ein Ende haben. Das begeisterte Publikum ließ Zeraphine jedoch nicht so schnell gehen und angesichts der Tatsache, dass man der Headliner des Abends war, durften auch noch zwei Zugaben folgen ehe die Security das Westbad in Höchstgeschwindigkeit leer fegte. So blieb so manch einem ein Erinnerungsfoto mit der Band verwehrt, was dem Gesamterlebnis jedoch keinen Abbruch tun sollte. (CS)

Foto / Author: Danny Sotzny (DS), Claudia Sonntag (CS), Dietmar Grabs (DG),  Joanna Babicka (JB), Katja Spanier (KS), Michael Gamon (GM), Thomas Papenbreer (TP), Thomas Bunge (TB)

Der letzte Tag des WGT bricht an und bietet wieder allerlei Gutes im Programm. Wir waren wieder für euch unterwegs und haben Bilder und Berichte von 17 Konzerten/Lesungen mitgebracht. Viel Spass! Und lasst den Kopf nicht hängen, nächstes Jahr ist wieder Pfingsten und dann gibt es auch wieder ein Wave-Gotik-Treffen!

Navigation: Author & Punisher (USA; Kuppelhalle) | Christian von Aster | Dageist (F) | Eminenz (D) | Faderhead (D) | God Module (USA) | Grave Pleasures (FIN) | Grendel (NL) | Grimner (S) | Kaizer (D) | Noctulus | Sarin (IR) | Seelennacht (D) | Still Patient? (D) | Teho Teardo & Blixa Bargeld (I/D; Kuppelhalle) | The Fright (D) | The Other (D) | Traumtaenzer (D) | Trepaneringsritualen (S; Kantine) | Wolfchant (D)

agra-Treffenpark

19:15 Uhr – FADERHEAD (D)

In your face! Sami Mark Yahya aus Hamburg ist Wunderkind, Arbeitstier und ein ganz kleines bisschen auch enfant terrible. Obwohl eins muss man sagen, auch ein Typ wie Faderhead wird mal erwachsen und so ist in der zwölfjährigen Welle von den Fistful Of Fuck You–  nicht abreißen-wollenden Stampfgranaten, so wie heute abend auch mal ein langsameres Lied dabei. Trotzdem der Mann hat von der ersten Sekunde an Party gemacht! Da müssen auch die Zuschauer erst mal mitkommen. Und so zeigt er uns schonungslos, warum er in der obersten Liga bei allem, was elektrisch ist, seit einem dutzend Jahren den Ton mit angibt. Bei Every Hour Kills kommt Daniel Myer auf die Bühne und unterstützt seinen Kollegen. Bei All The Devils greift Sami sogar selbst zur Gitarre, was wer den Künstler selbst kennt eher selten vorkommt: ein seltener und sehr spezieller Moment. Von der Show gibt es ein sehenswertes Behind The Scence Video, das Ihr Euch unbedingt anschauen solltet (verlinken). (DG)

20:50 Uhr – GRENDEL (NL)

Seit nunmehr 18 Jahren sorgen Grendel im Bereich Aggro-Tech für Feinstes auf dem Plattenteller und haben uns letzten Jahr mit Age Of The Disposable Body Album Nummer fünf ins Regal gestellt. Somit sind die Niederländer eine Instanz und gewissermaßen alte Hasen auf ihrem Gebiet, was zum einen für eine volle Agra sorgt und zum anderen für eine erlesene Setlist und darüber hinaus für Kracherstimmung in der Crowd. Die ist gespickt mit vielen Cyber-Goths – ja es gibt sie noch und ja, hier scheinen sie doch noch eine Heimat zu finden. Zu Anfang geht es noch etwas gediegener los, denn das Trio, deren Namen sich eher wie kryptische Typenbezeichnungen für Synthesizer lesen, präsentiert Songs vom neuen Album, das für Grendel-Verhältnisse etwas gedeckter ausgefallen ist. Die Performance ist wie immer sehr actionreich und emotional aufgeladen und auch vor der Bühne wird gestampft und Fäuste werden Richtung Hallendecke gestoßen. Gegen Ende des Sets gibt es dann auch noch die wohlverdienten Evergreens wie Timewave Zero und Harsh Generation. Sehr gut! (DS)

22:25 Uhr – GOD MODULE (USA)

Und dann ist es auch schon soweit: Mit God Module, dem Headliner des heutigen Abends, geht das 27. Wave-Gotik Treffen 2018 zu Ende. Das weiß auch Mark Benecke zu berichten, seines Zeichens Madendoktor und Maskottchen des WGT, dem die Ehre zuteil wird, die letzte Band anzukündigen. Er betont noch einmal, wie toll es war, immer ist, wie einzigartig das WGT auch weltweit ist und wie friedlich wir hier immer alle beieinander sind. Danke! Dann geht’s los mit God Module. Die Aggro-Tech Formation aus Florida hat auch schon ein paar Jahre auf dem Buckel und sich über die Zeit eine ansehnliche überaus erfolgreiche Diskographie erarbeitet. Damit ist der Headliner-Slot wohlverdient, das merkt man auch in der Agra: Die Leute sind guter Dinge und tanzen sich schon mal warm für den Auftritt. Es ist immer noch sehr voll und stickig, viele sind schweißgebadet, aber jeder findet sein Plätzchen zum tanzen. Jasyn Bangert hat seinen Mikroständer mit einem kahlköpfigen, mannsgroßen Puppentorso ausgestattet, den er mit blinkenden LEDs und allerlei Leder-Fetischkram behängt hat. Auf der Leinwand im Hintergrund sieht man hinter dem Band-Logo verschiedene verstörende Videosequenzen ablaufen. Die harshen Vocals und die stampfenden Beats dröhnen durch die Halle und treiben uns die letzten Quäntchen Flüssigkeit aus den Poren. Zum Teil tanzen sich die Leute in Trance und mir wird klar, dass Mark Benecke irgendwie recht hat, auch wenn man’s vielleicht dieser Tage ein wenig oft hört: Das WGT war auch dieses Jahr wieder was ganz besonderes und bleibt auf jeden Fall einzigartig auf der ganzen Welt! Danke, Leute! (DS)

NOCTULUS (D)

Seitdem Noctulus 2009 in der Agra spielen durfte, hat er Kultstatus auf dem WGT. Jahr für Jahr spielt er seine Musik am Walk-of-Fame für Lau. Er singt von rasierten Königinnen und goldenen Brüsten. Wobei das Dargebotene eher Kunst als Musik ist. Seine Fans hat er sicher. Dieses Jahr ohne Helm bzw. Mütze – Warum nur? (DS)

Blauer Salon

14:00 Uhr – Lesung: CHRISTIAN VON ASTER “Faunischer Schabernack – Ein Verwegenes Satyrspiel am Rande der Vernunft”

Ein Improvisationsstück steht auf dem Plan im Blauen Salon. Der Titel lässt da schon einiges an Irrsinn vermuten und der Gastgeber des Faunischen Schabernacks ist längst ein Garant fürstlicher, literarischer Unterhaltung. Entsprechend ist die Menschenschlange wieder ewig lang. Passend zur gefühlten Erwartungsgemengelage werden drinnen von einem der Zuschauenden auch Ü-Eier verkostet, von denen sich der Meister sogleich auch selbst bedient. Und ja, es werden Überraschungstexte verlesen, aus denen der Herr von Aster in seiner unnachahmlichen Art und Weise versucht ernsthafte Geschichten zu weben. Der Schwierigkeitsgrad ist hoch, es geht immerhin auch um lila-farbene Einhörner! Indes es gelingt. Zumal der Autor sich in Wort und Musik der Unterstützung von Michael Copellius versichern kann. Das Publikum ist allumfassend unterhalten. Es ist uns stets eine Freude, lieber Herr von Aster! (DG)

Felsenkeller / Naumanns

16:30 Uhr – GRIMNER (S)

Der Felsenkeller war am letzten WGT-Tag komplett für die Freunde der harten Gitarren-Musik reserviert. Den Auftakt machen die schwedische Folk-Metal Band Grimner. Der Felsenkeller ist gerade einmal zu einem Viertel besetzt, und dass obwohl es Grimner auf stolze 15.000 Follower auf ihrer Facebook Seite bringen, gerade ihr 10-Jähriges mit einer Geburtstagstour feiern und ihr neues Album Vanadrottning promoten. Das WGT-Publikum scheint doch nicht so metal-afin zu sein, wie man ursprünglich vermutet hat. Die 80-100 zumeist männlichen Besucher scheinen dann doch aber richtige Fans zu sein und unterstützen ihre Männer aus Motala standesgemäß im allseits beliebten Metaller-Fünfkampf: Mähne-Schütteln, mit Hingabe auf die Brust schlagen, das Horn gen Bühne erheben, Faust gen Himmel recken und in brüderlicher Umarmung bekannte Textzeilen mitgröhlen. Dazu eignet sich die Spielart des Metal, die Grimner zum Besten geben, ganz hervorragend. Die setzen nämlich vorrangig auf die Gute-Laune Sparte im Folk-Metal, also wie ich es nenne: die Hoch-die-Hörner- und Tavernen-Bretter, wie man sie von Bands wie Heidevolk gewöhnt ist. So sieht die gesamte Truppe auch eher wie eine Horde streunender Vaganten auf Wiking, als bierernste genre-ergebende Trve-Metaller. Trotzdem kommen eine ganze Reihe der Riffs überraschend fett und hart rüber und auch mit ihren Melodien besticht die Band aus Schweden, die sogar einen Song über Skyrym im Repertoire hat. Spaß hat das allemal gemacht. (KS)

18:00 Uhr – EMINENZ (D)

Ja, es gibt sie noch! Und ja, ich gebe es zu: ich habe hauptsächlich wegen ihnen an diesem WGT-Montag meinen Weg in den Felsenkeller gemacht. Immerhin haben Eminenz aus Annaberg-Buchholz schon die Stage mit Mayhem und Rotting Christ geteilt und zählen mit ihrer Gründung 1989 zur Second Wave of Black Metal – ein paar echte Klassiker, ein paar richtige Urgesteine. Das hört man immer noch und ist es auch in den letzten Jahren etwas ruhiger um sie geworden (das letzte Album Nemesis Noctura ist von 2011), die Band fühlt sich den alten Werten des Black Metal noch tief verwurzelt und haben diese auch nie aufgegeben. Das erfüllt mich mit tiefem Respekt. Die Anzahl der Zuschauer im Publikum hat sich nicht geändert. Eine gute Anzahl an Fotografen hat sich vor dem Graben eingefunden, trauen sich aber nicht rein. Es hat sich wohl rumgesprochen, dass Sänger Leviathan ab und zu Fleischbrocken und Därme von der Bühne wirft. So könne man besser in Deckung gehen, sagt man. Dergleichen gehört zwar eher in die Geschichtsbücher, aber der auffällig auf die Bühne platzierte Ritual-Kelch lässt mich vermuten, dass man sich in der ersten Reihe doch auf die eine oder andere “feuchte” Show-Einlage einrichten solle (Was dann tatsächlich auch so passiert und noch lange nach dem Konzert für Gesprächsstoff selbst bei den Securities sorgt). Die nächste Stunde wird roh drauflos geprügelt. Zugegeben der Zugang von Eminenz hat, euphemistisch ausgedrückt, wenig progressives. Es gibt da draußen sicherlich viele Bands mit mehr Tiefe, Innovation und Fingerfertigkeit am Instrument. Aber die Männer aus Sachsen machen giftigen, bitterbösen, abgründigen und tiefschwarzen Black-Metal der grobschlächtigen, ungeschliffenen und rauen Art, ehrlich und nach fast 30 Jahren immer noch unverbraucht. Sehr gutes Konzert! (KS)

19:30 Uhr – WOLFCHANT (D)

Nun Leute, Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden und auch bei Wolfchant scheiden sich die Geister.  Auch ich muss zugeben, was bei Grimner noch ziemlich sympathisch und einfallsreich rüberkam, wirkt bei Wolfchant bisweilen bemüht, kalkuliert. Und das ist manchmal wirklich ärgerlich. Gefühlt haben sich nun ein paar mehr Metal-Heads eingefunden, um der Mischung aus epischen Hymnen, bombastischen Riffs und zeitlosen Melodien zu lauschen. So beschreiben es die Männer aus St. Oswald und deren Fans zumindest selbst, Spötter hingegen ordnen den paganen Metal von Wolfchant eher in die Sparte “Festzelt-Metal” ein. Auf der Bühne ist ziemlich viel los, denn die Band tritt wie gewohnt gesanglich mit doppelter Spitze auf: Lokhi und Nortwin, die sich mit gutturalen Screams und sonorem Clean-Gesang alternierend die Stichworte geben. Saiten, Keyboard und Drums liefern drumherum handwerklich gut gemachte Hausmannskost, ohne große Überraschungen und ohne viel Abwechslung. Wie bereits erwähnt, setzt man hier musikalisch, wie bei der Performance auf Alt-Bewährtes und alles, was sich in dem Genre eben gut anfühlt. Das Publikum ist somit eher auch zum feiern da, Anekdoten zum nächsten Song und Ankündigungen werden zum Teil wenig schön und rüde abgebügelt. Ist nicht schön, das mit anzuschauen. Das Liedgut hingegen kommt gut an und trifft auf viel Gegenliebe. (KS)

Moritzbastei

19:30 Uhr – DAGEIST (F)

Zum Heer der WGT-Debütanden zählt in diesem Jahr auch das Dark-Wave, New-Wave, Cold-Wave Duo Dageist. Die Band aus Lille ist sichtlich aus dem Häuschen, nicht nur ob ihrer Teilnahme in diesem Jahr, sondern auch darüber,  sich einen sehr exponierten Slot in der Tonne der Moritzbastei ergattert zu haben. Dageist gibt es nämlich noch gar nicht so lange. Erst im letzten Jahr erschien ihr Debüt-Album 40 bei Danse Macabre, dem Label von Szene-Urgestein Bruno Kramm. Die Franzosen sind voller Spielfreude und präsentieren ihr emotionsgeladenes Set, das bis oben hin voll mit stakkativen Beats und melancholischen Retro-Momenten ist, sehr enthusiastisch und beziehen vom ersten Moment ihr Publikum in die Performance ein. Dieses ist sehr zahlreich vertreten und lässt sich von soviel Begeisterung gern anstecken. Auch wenn viele heute Abend sicherlich vor allem jetzt schon wegen Headliner Still Patient? in der Moritzbastei da sind, haben sie nun mit Dageist eine neue sympathische Band auf dem Zettel, die es sich zu merken lohnt. Dageist haben ihre Chance genutzt und dürfen gern im nächsten Jahr wiederkommen. (KS)

22:40 Uhr – STILL PATIENT? (D)

Für die Wormser Still Patient? ist das Konzert am WGT-Montag ein ganz besonderes Ereignis, denn da feiern sie – unglaublich, aber wahr – das dreißigjährige Bestehen ihrer Band. Still Patient? ruhen sich jedoch nicht auf dem Ruhm vergangener Jahrzehnte aus und kommen nicht mit leeren Händen, sondern haben am 18. Mai ihr aktuelles Album Zeitgeist Weltschmerz veröffentlicht. Musikalisch bleiben sie ihrem Gothic-Rock Stil treu und liefern düstere und leidenschaftliche Hymnen, die sich nicht nur in ihrem Set in der Moritzbastei perfekt zu ihren älteren Hits fügen. Das einzige Manko des Konzerts ist die Location, die für einen Auftritt einer solchen Größe der Szene maßlos unterdimensioniert ist. Das nächste Konzert von Still Patient? findet wieder auf einer etwas größeren Bühne statt, nämlich am Black Castle Festival in Mannheim. (JB)

Täubchenthal

19:40 Uhr – THE FRIGHT (D)

The Fright aus Hermsdorf in Thüringen übernehmen die Stage des Täubchenthals gegen 19:40 Uhr und mühen sich redlich, ihre Songs an den Mann und die Frau zu bringen. Allerdings ist der Sound am heutigen Tage ziemlich dumpf und so fällt es schwer, die Songstrukturen ihrer besonderen Mixtur aus Horrorpunk und Sleaze Rock hörbar wahrzunehmen, was die Tracks für Zuschauer die mit ihrem Oeuvre nicht so vertraut sind, leider recht gleichförmig wirken läßt und sie dadurch ein wenig ihrer Eigenständigkeit beraubt. Schade, bei besserem Sound wäre da sicher mehr drin gewesen, Potential hat die Band bekanntermaßen allemal. (MG)

21:10 Uhr – GRAVE PLEASURES (FIN)

Ein ähnliches Schicksal erleiden im Anschluss auch die Finnen Grave Pleasures, welche 2015 aus den wundervollen Beastmilk hervorgegangen sind, die wiederum vor vier Jahren auch schon einmal beim WGT dabei waren. Gerade bei Ihnen fällt es heute wirklich schwer, die einzelnen Songs herauszuhören. Dabei haben sie eigentlich ein recht starkes Set im Gepäck, das seine Wirkung aber leider nicht entfalten kann. Und so verpuffen Hits wie Deadenders oder vor allem Death Reflects Us leider viel zu sehr, um einen bleibenden Eindruck bei potentiellen neuen Fans zu hinterlassen. (MG)

22:40 Uhr – THE OTHER (D)

Deutlich eindrucksvoller ist dann der abschließende Auftritt von The Other aus Köln, die sich als würdiger Tagesheadliner erweisen und für einen tollen Abschluss des WGT im Täubchenthal sorgen. Zwar ist der Sound auch jetzt noch grenzwertig, doch sind die Songs deutlich eingängiger, werden sofort erkannt und mit ihren Hymnen haften Refrains ordentlich abgefeiert. Die Stimmung ist großartig, immer wieder recken die Fans die Arme zur Hallendecke und zelebrieren sowohl die neuen Songs des aktuellen Albums Casket Case wie den eröffnenden Kracher A Party At Crystal Lake, als auch Klassiker wie Hier Kommt Die Dunkelheit oder Back To The Cemetery! Wieder einmal zeigen The Other, dass man jederzeit auf sie zählen kann und jeder Auftritt eine wahre Horrorpunkparty wird, Danke! (MG)

Volkspalast

Die Kuppel des Volkspalastes misst im Durchmesser 32 Meter und erinnert ein bisschen an das römische Pantheon. Das ist kein Zufall, sollte in dem 1913 errichteten Gebäude doch industrieller und nationaler Stolz mit heroischer, neoklassizistischer Ästhetik verbunden werden. Mit dieser Ausstrahlung ausgestattet, schreit der Volkspalast geradezu nach Konzerten aus dem Neo-Folk, Neo-Kassik, Martial-Industrial-Bereich, angrenzenden und auch zum Teil sehr speziellen musikalischen Gebieten und wird auch auf dem WGT vorrangig damit immer wieder belegt. Im Volkspalast trifft sich der Underground vom Underground. Der Veranstaltungsort bietet dabei zwei Spielstätten Obdach: der Kuppelhalle selbst und der etwas kleineren Kantine. Das Besondere daran ist, dass beide Orte alternierend ohne große Pausen bespielt werden können und man bequem zwischen den Locations wechseln kann. Hakt es jedoch einmal bei einer davon, müssen notgedrungen auch alle anderen warten, was Besucher, Künstler und Mitarbeiter an diesem letzten Festival-Tag leidvoll zu spüren bekamen. (KS)

16:00 Uhr – SARIN (D, Kuppelhalle)

Wenn man das tödliche Nervengift Sarin vertonen würde, dann würde es wahrscheinlich genauso klingen wie das Projekt von Emad Dabiri, der aktuell in Berlin ansässig und musikalisch so umtriebig ist, dass er nicht nur regelmäßig Remixe für andere Künstler produziert, sondern auch noch seine Finger in weiteren Projekten wie Konkurs, Nostromo oder Human Performance Lab hat. Bei Sarin gibt es einen Mix aus Minimal Techno und Oldschool-EBM-Klängen zu hören – kalt, roh und düster. Das Visuelle passt zum Tenor der Musik und wenn Emad in Ledermaske und Bomberjacke auf die Bühne marschiert, kann man schon einmal für einen Moment das Atmen vergessen – und auch, dass sich der gesamte Zeitplan des Tages wegen Blixa Bargelds üppigen Soundchecks um über eine Stunde verzögert hat. Sarin liefert ein kreatives Set, das man auf seinen Releases so garantiert noch nicht gehört hat und hämmert das Publikum gnadenlos ins Delirium. Wer nach über eine Stunde Sarin noch einen klaren Gedanken fassen kann, ist nicht da gewesen. Bei dem ansonsten eher konservativen Line-up des WGT ist dieses Konzert ein erfrischendes Highlight, von dem es in Zukunft ruhig etwas mehr geben könnte. (JB)

20:30 Uhr – AUTHOR & PUNISHER (USA, Kuppelhalle)

Wir erreichen den Volkspalast etwa 20 nach neun. Eigentlich hatten wir vor, uns den schwedischen Künstler Trepaneringsritualen und seinen fatalistischen Blick auf das Ende der Welt anzuschauen, aber man teilt uns mit, dass man in beiden Locations rund eine Stunde hinter dem Plan ist. Und da man die Feste ja bekanntlich feiern soll, wie sie fallen, kommen wir somit grade richtig zum Start des Sets von Author & Punisher. Zum Glück, wie sich herausstellen soll, denn zumindest ich hatte das US-Amerikanische Ein-Mann-Projekt bisher noch nicht auf dem Zettel. Tristan Shone verwirklicht seine Interpretation von Industrial-Doom/Drone, indem er sich selbst in die Maschine begibt. Mit dieser, einem Ungetüm aus Voice-Verzerrern, Klangerzeugern, diversen Synthesizern und allerlei weiteren Apparaturen, die man besser dem TÜV in diesem Land nicht zeigen sollte, interagiert er quasi symbiotisch und entwirft eine Dystopie aus Inferno, metallischem, ohrenbetäubendem Weltuntergang in einem poetischen, eisernen Reigen. Tristan Shone hat als Maschinenbauingenieur dieses metallene Ungetüm selbst entworfen und Author & Punisher dadurch zu einer Art Trent Reznor der industriellen Post-Apokalypse gemacht. Im Hintergrund laufen die verstörenden Bilder der U-Bahn-Szene aus Andrzej Zulawski’s Possession (1981) mit der erstaunlichen Isabelle Adjani. Author & Punisher ist auf jeden Fall meine persönliche Neuentdeckung des diesjährigen WGTs! Wer nicht da sein konnte, sich aber mal einen Eindruck verschaffen möchte, kann einen Blick auf das Boiler Room Berlin Live Set riskieren. Unbedingt empfehlenswert! (KS)

21:35 Uhr – TREPANERINGSRITUALEN (S, Kantine)

Wir bleiben sehr speziell und werden sogar noch finsterer. Trepaneringsritualen aus Göteborg verbindet in seiner Kunst Bild, Ton und Aktion. Musikalisch ist Thomas Martin Ekelund dem Ritual-Ambient und Death-Industrial zuzuordnen. Spontan fällt dabei den Älteren unter uns nur ein Label ein, das wie kein anderes Heimat für diese und ähnliche Art von Ausdruck war: Cold Meat Industry. Alles an der Performance von Ekelund scheint das zu atmen und steht in der Tradition dieser alten Schule. “We hang ourself from trees and crosses. We bleed and suffer. All in roaring silence. Eternity is but an instant. The world is agony.” – lesen wir auf der Facebook Präsenz von Trepaneringsritualen. Und tatsächlich die Musik ist klaustrophobisch und voller Selbstzerstörung. Da ist keine Hoffnung und auch der Tod scheint keine Erlösung zu sein. Die menschliche Existenz wird zu einem endlosen, stampfenden, kreischenden Reigen der Qual, der Dunkelheit, des Schmerzes und in einem ewigen Betteln um Erlösung zu einem Lehrstück in dem, was sich Menschen gegenseitig anzutun vermögen. Die ersten beiden Songs performt Ekelund, das Gesicht verborgen hinter einem schmutzen Leinensack, von seinem Gürtel baumeln seltsame Fetische, Knochen und andere ritualisierte Symbole. Im dritten Stück offenbart er sein Antlitz: eine blutverschmierte, schmerzverzerrte, bärtige, halbwahnsinnige Fratze. Im Hintergrund laufen abwechselnd religiöse Hinrichtungsszenen, mal ritualisiert nachgeahmt aus der Gegenwart, mal authentisch erstarrt auf Kupferstichen aus der frühen Neuzeit, dann wieder Fotos von Séancen aus dem Symbolismus, dann eine Ecce Homo-Darstellung aus der Renaissance. Bilder, Aktion und Musik verschmelzen hier zu einem Gesamtkunstwerk und hinterlassen einen verstörenden und tiefen Eindruck, der mich bestimmt noch sehr lange begleiten wird. Sehr beeindruckend, aber nicht für jeden aushaltbar. (KS)

22:40 Uhr – TEHO TEARDO & BLIXA BARGELD (I/D, Kuppelhalle)

Die markerschütternden Weltuntergangsvisionen von Ekelund noch in den Knochen stolpern wir wieder rüber zur Kuppel. Dort hat sich, als letzter Act und Headliner des Abschlussabends eine lebende Legende angekündigt. Unter der Kuppel falten sich die Besucher wie Origami in den seltsamsten Verrenkungen um die noch leere Bühne. Die Luft flirrt vor gespannter Erwartung. Jeder will nachher zumindest einmal einen kleinen Blick auf den Meister erhaschen. Dessen letztes Ergebnis aus der Zusammenarbeit mit Teho Teardo, der heute Abend zu schlichtem Schmückwerk verkommen soll, trägt den Titel Nerissimo (das, der Schwärzeste). Damit hat es das Duo sogar in die Feuilletons geschafft. Jahaa! Somit ist man ganz ernsthaft unterwegs, ab jetzt gewissermaßen sogar zertifiziert. Es hält sich standhaft das Gerücht, dass jeder Besucher, ob unter der Kuppel oder in der Kantine, ob Künstler (Debütant oder alter Hase), Staff oder Besucher, seit die Türen geöffnet hat warten müssen, weil Blixa einfach mal noch n bissl üben wollte und dabei vergessen hatte, dass er eben nicht auf seinem Blixa-Konzert, sondern auf einem Festival ist.  Aber ein so ernsthafter Künstler darf das und man kann davon ausgehen, dass es sich lohnt. Oder? Selbstverständlich! Der Klang ist überwältigend, der Sound ist ohnegleichen. Stopp!!! Die Miene von Teho Teardo ist eine einzige Entschuldigung. Das Lächeln der übrigen Musiker die exakte Kopie von dem Millionen Hotelangestellter rund um den Globus. Blixas Stimme: Wie Fingernägel auf ner Tafel, als er die Leute von der Technik anpöbelt … Verzeihung, maßvoll zurechtweist, dass er seinen Text auf dem Monitor nicht lesen kann. Mensch Leute, da hattet ihr ja ne richtig konstruktive Arbeitsatmosphäre heute Nachmittag. Dann geht’s aber wirklich los. Der Klang ist überwältigend, der Sound ist ohnegleichen – wie aus dem Studio … gähn, was? Und da sind wir bei der musikalischen Manöverkritik. Nerissimo ist nun mal leider lauwarmes, bemühtes Arthouse-Theater. Das Genre der Neo-Klassik, wenn man das denn grob zum Vergleich bemühen möchte, hat in den letzten Jahren deutlich innovativerer Perlen zutage gefördert. Die obligatorischen, musikalisch aber wenig geschätzten Streicher weben vor sich hin, ohne erkennbare Muster zu erzeugen oder Spannungspunkte zu setzen und spinnen einen meditativen Teppich, mit der Aufgabe einen einzulullen, aber nicht so viel, dass man wegdämmert. Dann Teardo: Ohne Zweifel ein exzellenter Komponist und Meister an der Gitarre, aber Mensch, Junge: Wo bist du? Setzt eher auf stimmigen, runden Wohlfühl-Minimalismus, als auf Dein Können und schaffst es nicht einen Kontra-Punkt zu setzen, zur Blixa-Show. Das wäre doch mal spannend gewesen: Zwei Musiker dieses Kalibers, die aneinander Reibung erzeugen. So gibt es wenig Kontrast für Bargelds anstrengende Exaltiertheit, der merkwürdigen, verquasten Elfenbeinturmlyrik, die den Zuhörer einfach mal nirgends abholt und einer Musik, die plätschert wie ein warmes Bad und dabei die Tiefgründigkeit nur vorgaukelt. “Oh Father, Tell Me Are You Weeping?” (KS)

Westbad

17:00 Uhr – SEELENNACHT (D)

Den letzten WGT-Tag starten wir im Westbad düster-romantisch. Seit 2010 steht Marc Ziegler hinter dem Dark Romantic Electro-Pop Projekt Seelennacht und sämtlichen textlichen, wie musikalischen Kompositionen der Band und die konnte sich bis zum aktuellen Album Lebenslinien in ihren Songs immer weiter verbessern. Diese erinnern zwar frappierend an Blutengel und frühe Werke des Grafen, trotzdem fühlt sich Ziegler, wie er selbst gern schreibt vor allem dem Gaslicht und dem Steampunk verbunden. Hoch emotionale Texte mit elektronischen Klängen im Spannungsfeld von atmosphärischen Träumereien und club-tauglichen Synth-Pop zu verweben ist bei sein Ziel. Ins Westbad ist er zusammen mit René-Eric Widukind gereist, um uns den Esprit seiner Vision näher zu bringen. Das ist zu Anfang gut zur Hälfte mit Besuchern gefüllt, die jedoch sehr begeistert und klatsch-freudig von der ersten Minuten mit dabei sind. Die zweiköpfige Live-Formation wirkt etwas verloren auf der großen Bühne der Location. Gerade Ziegler, der trotz seines tiefen, flächigen Timbre in der Stimme von eher zierlicher Gestalt ist, scheint sich hinter seinem Textbuch förmlich zu verstecken und für Interaktionen mit Widukind kilometerweit entfernt. Trotzdem versucht der Sänger immer den Augenkontakt mit seinen Zuhörern zu halten. Während des etwa 60-minütigen Konzerts wird das Westbad immer voller mit andächtig lauschenden Fans, die zum Ende sogar ihre leuchtenden Handys in die Höhe halten. (DS)

18:20 Uhr – KAIZER (D)

Das noch sehr junge Dark-Rock Projekt Kaizer hat im letzten Jahr mit Lebenszeitverschwendung gerade erst ihr Debüt vorgestellt und dabei schon ordentlich für Aufsehen gesorgt. Bei den WGT-Besuchern, scheint diese Neuigkeit, die am besten mit einer märchenhaften mit viel Blattgold dekorierten Mischung aus Mono Inc. und Neuschwanstein beschrieben werden könnte, noch nicht gänzlich durchgedrungen zu sein, denn das Westbad hat sich ein wenig geleert. Die Kaizers beginnen pünktlich auf die Minute und lassen es ordentlich mit gut gemachtem deutschem Dark Rock krachen. Die Set-List setzt sich fast ausnahmslos aus Songs ihres Debüt-Albums zusammen. Die sind sehr eingängig, aber auch durchaus harte Riffs und epische Klangteppiche kann man darunter finden, die jetzt schon zukünftige Hymnen wie Engel vorwegnehmen. Trotzdem ebbt die Begeisterung ungefähr nach Reihe drei etwas ab. Woran liegt das? Sind die Berliner noch nicht so bekannt? An der Musik kann es nicht liegen. Besonders zu Herzen geht die Ballade Saker Som Hon Gör, einem Imperiet Cover, bei dem uns vor allem Nina von Ackselis Gesang verzaubert. Sänger Alexander Göran Freiherr von Sperling bedankt sich trotzdem für den herzlichen Empfang und wir uns für das gute Konzert, obwohl die große Zeit für Kaizer wohl noch nicht gekommen zu sein scheint. (DS)

Tracklist KAIZER @ Westbad, WGT (21.05.2018)
  1. Willkommen
  2. Engel
  3. Ganz weit weg
  4. Feuerland
  5. Wenn die Sonne untergeht
  6. Ich befrei´ Dich
  7. Träumegrab
  8. Wann werden wir uns wiedersehen
  9. Der letzte Vorhang
  10. Du denkst an mich
  11. Question of Time
  12. Saker Som Hon Gör
  13. Ganz weit weg

19:40 Uhr – TRAUMTAENZER (D)

Der Auftritt auf dem diesjährigen WGT ist der vorläufige Höhepunkt auf der Reise zurück ins Leben der Band Traumtaenzer, aber vor allem für Sänger Marco Blum. Dieser hatte nach dem Debüt mit Der Weißer Raum (2010) am Ende des für die Band glänzend verlaufenden Live-Jahres 2012, zu dessen Höhepunkten auch der Auftritt auf dem damaligen WGT gehörte, wirklich schlimme Schicksalsschläge hinnehmen müssen. Fünf Jahre dauerte der Kampf, an dessen Ende die im Dezember 2017 erschienene Single Hab Keine Angst (Was für ein Titel!) und nun der Slot auf dem WGT stehen. Viele sind schon während dem Auftritt der Dark-Rock Formation Kaizer gekommen, um sich ihre Plätze für dieses außergewöhnliche Comeback zu sichern. Traumtaenzer haben während ihrer erzwungenen Pause nichts verlernt: Die Mischung aus dunklem Goth-Rock und tanzbaren Beats garniert mit Streichwerk und dem spannungsgeladenen Gesang einer männlichen dunklen und einer weiblichen verletzlichen Stimme haben sie immer noch drauf. Die Performance sitzt, auch wenn Traumtaenzer vergleichsweise nur wenig Material präsentieren. Es gilt einfach viel aufzuholen. Marco Blum hat es sichtlich genossen wieder unter den Lebenden zu weilen und mit den Fans zu interagieren. Willkommen zurück! (DS)

Setlist TRAUMTAENZER @ Westbad, WGT (21.05.2018):
  1. Traumtänzer
  2. Fremdes Land
  3. Sehnsucht
  4. Fuer die Nacht
  5. Maschine
  6. Schattenspiel
  7. Monolith
  8. Krieger
  9. Stigmata
  10. Die Wahrheit

Foto / Author: Danny Sotzny (DS), Dietmar Grabs (DG), Joanna Babicka (JB), Katja Spanier (KS), Michael Gamon (GM), Thomas Papenbreer (TP)

Zelebrieren schwarz-romantischen Lebensgefühls oder Zurschaustellung voyeuristischer Dekadenz? Fakt ist: Kein WGT hat eigentlich so richtig angefangen ohne ein Stippvisite im Clara-Zetkin-Park, um auf einen Sekt und eine Petite Four bei den schwarz-bunten Paradiesvögeln wenigstens kurz vorbeizuschauen. Dieses Jahr scheinen die Teilnehmenden der inoffiziellen Veranstaltung mit dem Wetter zwar etwas Pech zu haben – zwar regnet es nicht, aber es ist recht kühl – dafür gibt es aber eine kurzfristige und hochkarätige Überraschung. Szene-Legende und WGT-Urgestein Oswald Henke rollt ein Piano auf die Wiese vor dem Musik-Pavillon, um allen, die es wollen mit einem exklusiven Goethes Erben Kammerkonzert in diesem ausgesuchten Ambiente zu beglücken. Wer die Vorbereitungen des Konzerts in den sozialen Medien mitverfolgt hat, weiß, wie aufgeregt der Künstler im Vorfeld war.

Das alles hat natürlich zur Folge, dass sehr viele Leute sich schon sehr früh im Clara-Zetkin Park eingefunden haben, um mit ihren eigenen Vorbereitungen, die mitunter äußerst aufwendig ausfallen können, zu beginnen. Das Konzert, das entgegen der ursprünglichen Planung doch mit zwei Lautsprechern verstärkt wird, um mehr Besucher zu erreichen, findet dann bei diesen auch sehr viel Anklang. Oswald wird kurz vor drei Uhr mit stürmischem Applaus entlassen. Insgesamt, so unser Eindruck, ist zwischen den Decken, Tischen und Bänken in diesem mehr Platz zum Spazieren und Flanieren. Ob’s an den kühlen Temperaturen liegt? Auch scheint sich das Verhältnis zwischen “Schwarzen” und Schaulustigen immer mehr in Richtung zweitere zu verschieben. (DS, KS)

Leipzig, Clara-Zetkin-Park (18.05.2018)

Seit ein paar Jahren ist das Leichenwagentreffen eine obligatorische, feste Größe auf dem WGT. Die rund 20 Gefährte aus verschiedenen Epochen, von unterschiedlichsten (teilweise gar nicht mehr existierenden) Herstellern fahren dafür wie in jedem Jahr beim Taxistand vor dem Hauptbahnhof los. Es schließt sich ein halbstündiger Curso durch die Stadt an, nach dem man sich auf dem Parkplatz vor dem Nordtor der Südfriedhofs vor dem imposanten Kulisse des Völkerschlachtdenkmals zum allgemeinen Fachsimpeln und für Fotos einfindet.

Damit das alles reibungslos vonstatten geht, greifen die Lenker dieser außergewöhnlichen Automobile zu einem cleveren Schachzug: Sie melden ihren Ausflug kurzerhand als “Demonstration für den Erhalt der Bestattungskultur” an und bekommen so eine Polizeieskorte noch mit oben drauf. Die teilweise bis zur Selbstaufgabe gepflegten und mit so viel Liebe und Kreativität gestalteten Wagen sind auch auf diesem WGT erneut ein beliebter Anziehungspunkt für rund 300 Besucher und Schaulustige. Trotzdem gab es, aufgrund des Platzmangels auf dem Parkplatz die ein oder andere Auseinandersetzung mit den regulären Besuchern des Friedhofs, die man sicher hätte vermeiden können, wenn man das Treffen als richtige Veranstaltung ins WGT-Tableau aufnehmen würde. Den kulturellen und künstlerischen Anspruch dafür sehe ich allemal erfüllt.

Galerie: Thomas Papenbreer

Nach einem Jahr Pause gab es dieses Jahr wieder ein Victorian Village auf dem WGT. Als Location wählte man dieses Mal das Gohliser Schlösschen. Das bürgerliche Landhaus aus dem Spätbarock befindet sich nördlich des Leipziger Zoos und ist für die Besucher mit öffentlichen Verkehrsmitteln schnell zu erreichen.

Das Victorian Village startete am Samstag bereits um 10:00 Uhr. In den nächsten Stunden füllte sich der Garten des Schlösschens mit Besuchern. Deren Kleidung und Gewandungen waren vielfältig und kreativ. Neben klassischen, authentischen, viktorianischen Outfits gab es auch Gewandungen in Steampunk-, Lolita-, Fantasy- oder schwarz-elegant-Optik.

Zur Untermalung des Events gab es verschiedene Aussteller, bei denen die Besucher Kleidung und Accessoires kaufen konnten. Für das leibliche Wohl war auch gesorgt. Für musikalische Untermalung der Veranstaltung sorgten unter anderem Stimmgewalt, Double Cello und Feline & Strange.


Am Samstag ab 14 Uhr trafen sich wieder die zeitreisenden Freunde des Steampunks. Mit dabei Frauen und Männer aus den Epochen von Jules Verne und H. P. Lovecraft und ihre mit Dampf betriebenen Maschinen. Für viele war dies aber mehr als nur ein Picknick und bei manchen hätte man meinen können, sie seien mit ihrem ganzen Besitz gekommen. Da wurden Tische und Stühle aufgebaut – ja fast ganze Wohnzimmer. Und viele kleine Erfindungen erfreuten die Besucher. So die Kombination aus einem kleinem Ventilator, ein paar Gummis und kleinen Rädern und fertig ist die Seifenblasenmaschine.

Bis 14 Uhr war der Kleingartenverein nur spärlich gefüllt – aber danach ging es Schlag auf Schlag und die Wiese und der Biergarten füllten sich Menschen. Mit dabei natürlich auch viele Zaungäste. Der nahegelegene Spielplatz war dabei eine willkommene Abwechslung für die Kleinen und Großen.

Aufwarten kann dieses Picknick auch mit vielen passenden Verkaufsständen entlang der Wiese. Für Essen und Trinken sorgten dieses mal ein extra aufgestellter Imbisswagen mit Grill. Und so musste niemand lange warten. Für die musikalische Unterhaltung sorgte die Band Jessnes mit ihrem ganz eigenen Steamfolk- bzw. Mittelalternativ-Sound – dieses Jahr mit Unterstützung aus zwei Lautsprechern.

Die mobile Version verlassen