ENTER SHIKARI – Köln, Palladium (03.12.2017)

Fotos: ENTER SHIKARI
Enter Shikari, © Michael Gamon
Geschätzte Lesezeit: 3 Minute(n)

Die Shows von Enter Shikari auf deutschem Boden werden größen und größer. Nun musste es also schon das Palladium sein, um die zahlreichen Fans in NRW unterzubringen. Es sei den Jungs gegönnt. Für Musikhörer, die mit offenem Visier durch die Weltgeschichte laufen und sich nicht nur auf bestimmte Stile festlegen, gab es in den letzten Jahren wohl kaum eine wichtigere Band. Bevor sich die knapp 3.000 Zuschauer an dem irrsinnigen Genre-Mix der Engländer erfreuen durften, lenkte sich die Aufmerksamkeit auf zwei Vorbands, die – passenderweise – unterschiedlicher kaum hätten sein können.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Noch recht frisch unterwegs sind die Astroid Boys. Die Waliser brachten erst Ende September ihr Debütalbum Broke auf den Markt. Musikalisch lässt sich das Dargebotene irgendwo zwischen Alternative Rock und Grime einordnen und erinnerte an härtere Momente in der respektablen Karriere eines Dizzee Rascal.  Klingt in der Theorie erstmal nach einem passenden Einheizer. So richtig wollte der Funke beim Großteil des Publikums aber nicht überspringen, obwohl den Musikern handwerklich kein Vorwurf zu machen war.

25 Minuten Umbau, danach war es Zeit für Lower Than Atlantis aus Watford, England. Im Promo-Schreiben vollmundig als „Post-Hardcore-Band“ angekündigt. Nun denn. Wir ziehen den Vergleich zu wahren Größen des Genres, die bei der Inspiration für Enter Shikaris Debütalbum Take To The Skies vor einem knappen Jahrzehnt eine große Rolle gespielt haben dürften. At The Drive-In, Refused, Quicksand… Und kommen zu den Entschluss, dass das ganz sicher kein Post-Hardcore ist, sondern stinknormaler Alternative Rock. Der ist blöderweise so stinknormal, dass er im linken Ohr rein und direkt im rechten Ohr wieder rauskommt. Alles irgendwie grundsolide, nur nicht geil. Fazit: Dieses Support-Paket war sicher kein Vergleich zu dem Totalabriss, den Modestep im vergangenen Jahr auf der anderen Straßenseite abgeliefert haben.

Awake for the liftoff

Halb zehn, endlich entern Enter Shikari (Muahahaha, was ein Wortspiel) die Bühne. Die ans Album-Artwork von The Spark angelehnte Stage-Deko war diesmal etwas spartanischer als bei der Mindsweep-Tournee. Irgendwie passend, kommt die Platte im Vergleich zu früheren Werken doch deutlich reduzierter und ruhiger daher. Fans vergrault hat das Quartett aus St. Albans dem ersten Anschein nach aber kaum. Sonst wäre der Mitsingchor beim Opener The Sights wohl nicht mal annähernd so laut gewesen. „Are you staying awake for the liftoff tonight?“

Klare Antwort: Ja. Und wie wach das Publikum war. Solidarity und die dicke Überraschung Anything Can Happen In The Next Half Hour holten im Anschluss die Fans der ersten beiden Alben ab und sorgten für die ersten mächtigen Pits. Ein buntes Potpourri von Songs aller fünf Platten regnete auf die Fans herab, das Energielevel wurde erstmal durchgehend hoch gehalten. Bis Sänger Rou Reynolds von den meisten Anwesenden unbemerkt die Bühne verließ, um urplötzlich auf einer Bühne mitten im Publikum wieder aufzutauchen. Wer Enter Shikari in den letzten Jahren schon mal live sehen konnte, kennt das Spielchen. Der bei den Konzerten äußerst schnieke gekleidete, dafür umso weniger schnieke frisierte Reynolds setzt sich ans Klavier und singt ein oder zwei der wunderschönen Balladen, die sich immer wieder vereinzelt auf den Alben befinden. Diesmal waren es Airfield (Reynolds: „Dieses Lied ist all denen gewidmet, die das schlimmste Jahr ihres Lebens hinter sich haben.“) und – erneut überraschend – Adieu vom Debütalbum. Gänsehaut pur.

Was folgte, war ein Hit-Feuerwerk erster Güte. Anaesthetist, ein Medley aus vier Knüllern, die es allesamt verdient hätten, in voller Länge ausgespielt zu werden, Zzzonked und nach einer kurzen Pause noch die recht frischen Über-Mitgrölhymnen Redshift und Live Outside.

Nach knapp 90 Minuten war der Spaß leider wieder vorbei. Einmal mehr ein überragender Auftritt der vielleicht experimentierfreudigsten Band dieses Jahrtausends. Wir freuen uns jetzt schon aufs Vainstream!

Setlist ENTER SHIKARI @ Köln, Palladium (03.12.2017)

01. The Sights
02. Solidarity
03. Anything Can Happen In The Next Half Hour
04. Take My Country Back
05. The Last Garrison
06. Radiate
07. Undercover Agents
08. Arguing With Thermometers
09. Rabble Rouser
10. Airfield
11. Adieu
12. Anaesthetist
13. Sorry, You’re Not A Winner, Sssnakepit, System Meltdown, Antwerpen (Medley)
14. Zzzonked
15. Redshift (Z)
16. Live Outside (Z)

Fotos: Michael Gamon

Autor