Eine beschwerliche Reise durch die Baustellen und Staus NRWs lagen vor uns, um zum Bahnhof Langendreer nach Bochum zu kommen. Was genau in diesem Bundesland immer dafür sorgt, dass man auch mit einem Vorlauf von über einer Stunde nie pünktlich ankommt, wird mir wohl auf ewig verborgen bleiben.
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Fakt ist: Selten bin ich so knapp vor Konzertbeginn eingeflogen, wie an diesem Tag. Und was tut man als Beifahrer, wenn nichts mehr geht? Den schon in der Warteschlange stehenden Kumpel bitten, zwei Plätze in Gangnähe (damit der Fototgraf nicht so stört) freizuhalten und sich mit ihm über die so gar nicht zu Frau Lesch passenden Gäste austauschen. Da waren an jenem Abend echt kiebige Gestalten unterwegs, es wurde gepöbelt, es wurde gemotzt und das alles nur, weil zwei der Sitzplätze frei gehalten wurden. Liebe Mitmenschen, wenn ihr zu Sarah Lesch geht und miese Stimmung verbreitet, solltet ihr ernsthaft überlegen, warum ihr zu diesem Konzert geht. Wollt ihr Spaß haben oder nur cool sein, weil Sarah echt ein paar coole Sachen zu sagen hat? Und wie gechillt seid ihr hinter euren Batikhemden wirklich, wenn euch zwei leere Stühle und eine freundliche Auskunft so anpissen?
Nunja, ungefähr fünf Minuten bevor Sarah samt niedlichem Pfotentier die Bühne betrat und ihren Support Benni Benson ankündigte, haben wir es dann doch zu unseren Plätzen geschafft und uns auch riesig gefreut, noch pünktlich gewesen zu sein. Herr Benson, seines Zeichens Augsburger, fügte sich perfekt ins Vorprogramm ein und gerade sein Lied über seinen schönsten Finger (den Mittelfinger *hust*) sorgte doch für allerlei Erheiterung im Saal. Ans Herz zu legen sei an dieser Stelle sein 2016 erschienenes Album Alles ist ehrlich und natürlich ein Konzertbesuch. Mega cool, gelassen und witzig, was der Herr Benson da ablieferte und wesentlich hübscher als all die anderen Indie-Liedermacher-Typen ist er auch noch.
Zuckersüß wie immer kam dann Sarah Lesch auf die Bühne, hing sich ihre Gitarre um und entzückte mit breitem Grinsen den kompletten Saal. Weder (betrunkene) Zwischenrufe wie “Lass alles raus, du bist hier im Ruhrpott”, noch die unhöflichen Postpubertären im Publikum, die statt zuzuhören, lieber den neuesten Uni-Tratsch austauschten und einfach nicht verstanden, dass es nicht nur tierisch unangebracht und nervig ist, sondern respektlos, konnten das elfengleiche Fräulein davon abhalten Geschichten und die dazugehörenden Lieder zu präsentieren.
Da wäre die Story, wie sie sich in einen Bestatter verknallte, in die Uckermark fuhr und ihn für seinen traurigen Blick einfach toll fand und weil er kein Englisch konnte, sang sie ihm das Lied vom Lieblingsbeatle, das nur durch ein weiteres “Lass alles raus” unterbrochen wurde. Da waren Lieder über Matrosen, schmutzige Küchen und ein bisschen Weltverbesserungsfeeling kam bei Testament auf. Das Lied, das wirklich alle kennen und kannten und das im Bahnhof Langendreer bei allen für ein bisschen “Ja, wir müssen was machen” in den Gedankengängen sorgte – außer bei den Laberstudentinnen vor uns.
Wenn man sich schon fast für seinen Fotografen und seine Knips-Geräusche schämt, weil er die Kamera teilweise direkt über die kuschelnden Damen vor uns hielt und abdrückte und dann solche Ignoranz bei so tollem, unterhaltsamem Programm vor sich hat, fragt man sich welchen Teil von Konzertbesuch und Anstand solche Menschen nicht verstanden haben. An dieser Stelle nochmal ein großes Danke an die Damen vor uns fürs Aushalten von Klick-Geräuschen und ein bisschen Hut ziehen. Und während Frau Leschs breites Grinsen immer wieder ansteckend wirkte und gegen Ende des Konzertes Der Kapitän gespielt wurde, ärgerte man sich fast, dass Benni Benson am Schlagzeug nicht doch noch eines seiner Lieder zum Besten gab. Außerdem erwischte man sich beim Gedanken, dass Lukas Meister, der Sarah ebenso auf der Bühne unterstützte, doch auch noch ein Solo-Liedchen spielen könnte und das Konzert doch bitte noch ein bisschen länger gehen könnte, weil die Mischung aus Geschichten erzählen und Lieder spielen so unsagbar toll war.
Wer auch immer von euch die Chance hat, sich Sarah Lesch einmal live anzugucken: Nehmt die 15 Euro in die Hand, schnappt euch eure Liebsten, setzt euch mit einem Bier in ihr Konzert und hört ihr einfach nur zu. Auch wenn ihr sonst nur elektronisches Zeug hört oder Metal, ja von mir aus auch NDH. Es lohnt sich und ist besser als jeder Yoga- und Entspannungskurs und die Geschichtenstunde gibt es gratis obendrauf.
Weblinks SARAH LESCH:
Homepage: www.sarahlesch.de
Facebook: www.facebook.com/sarahlesch