Auch am zweiten Festivaltag wurden wir vom Soundcheck des Headliners geweckt, wenngleich allein die Vorstellung, wie Johan Hegg und Konsorten in Jogginghosen als echte Wikinger vor 10:00 Uhr morgens auf der Bühne standen, durchweg für Erheiterung sorgte. Äußerst schade, dass wir diesen gedanklichen Erguss nicht visuell verifizieren konnten. Nach einem ausgiebigen Frühstück begaben wir uns dann pünktlich zur ersten Band Of Colours aufs Festivalgelände. Die Frankfurter Truppe qualifizierte sich über den Sieg eines Bandwettbewerbs für den Opener-Slot, doch die vermeintliche Unerfahrenheit auf so einer großen Bühne merkte man ihr nicht an. Mühelos dominierten sie die gesamte Stage, sodass der Funke schnell auf das leider nur spärlich vorhandene Publikum übersprang. Nach gut 35 Minuten wurde man mit der Hoffnung, noch mehr von den fünf Musikern zu hören, glücklich zurückgelassen.
Als nächstes stand mit The Charm The Fury Metalcore aus den Niederlanden auf dem Programm. Auch diese lieferten 35 Minuten lang eine kompromisslose Show ab, sodass das Infield gut eingeheizt und prall gefüllt hinterlassen wurde. Um 14:05 Uhr stand dann mit Bury Tomorrow ein vorläufiger Höhepunkt auf dem Tagesprogramm. Das Quintett aus Southampton sorgte für ordentlich Bewegung in den Zuschauerreihen, sodass der Ackerboden für die nachfolgenden Acts schon mal ordentlich vorgepflügt wurde. Als nächstes betrat mit Massendefekt wieder eine Band aus Deutschland die Bühne, welche einen bunten Mix aus älterem sowie neuem Material präsentierte. Man merkte ihr die mehr als 15 Jahre Bühnenerfahrung an, sodass niemand enttäuscht zurückgelassen wurde.
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Pünktlich um 16:15 Uhr lief dann das Intro zur erwartungsgemäß eigensinnigsten Band des Tages: Knorkator. Die Truppe, nach eigenen Aussagen “Deutschlands meiste Band der Welt”. bestritt einen für sie typischen herausragenden Auftritt. Obschon Sänger Stumpen den Sprung vom Boxenturm diesmal nicht wagte, war seine Bühnenpräsenz einzigartig, sowohl im Tanga als auch im Plüsch-Tarnkostüm. Als besonderes Schmankerl durften die Fotografen ausnahmsweise mal die Bühne erklimmen, nur um sogleich von dannen zu eilen. Falls jemand vorher noch kein Fan dieser bunten Musikkapelle oder sie ihm gar unbekannt war, wurde dies mit dem Auftritt definitiv geändert.
In der Umbaupause nach Knorkator gab die Reload-Organisation dann eine Pressekonferenz für die Vertreter ebenjener. Ohne zu sehr in die Details zu gehen, war die Quintessenz, dass das Reload-Festival 2017 bei ähnlichen Verkaufszahlen zum Vorjahr so gut lief wie noch keines zuvor. Es gab von Seiten der Veranstalter nichts zu beanstanden und die Überlegung weiter zu wachsen und an der Sache festzuhalten, wurde bestätigt. Konkretisieren, was dies genau heißen sollte, wollte man noch nichts, allerdings wurde mit Prong, welche dieses Jahr absprangen, der erste Act für 2018 bereits bestätigt. Ferner sei man bereits an einigen großen Namen dran, habe aber noch keine definitive Bestätigung. Wenn eine eingehen würde, wolle man diese aber schnell öffentlich kommunizieren.
Pünktlich zum Ende der Pressekonferenz wurde es dann mit Whitechapel wieder richtig laut. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich mittlerweile jenseits der 30 bin, fehlte mir bei dieser Band etwas der Ohrwurmcharakter. Tatsächlich war ich mir nicht mal sicher, ob die Lieder wirklich Texte hatten, verstanden habe ich zumindest kein Wort. Musste man aber auch nicht, denn der brachiale Ton der Jungs aus Knoxville genügte, um das härteste Material des Tages auf die Bühne zu tragen, welches im Publikum mehr als nur gefeiert wurde.
Als nächstes im Programm folgte dann mit Caliban neben Heaven Shall Burn wohl einer der wichtigsten Vertreter der deutschen Metalcore-Szene. Die mittlerweile nicht mehr ganz so junge Truppe spielte ein eher modernes Programm, ließen dabei aber Niemanden zurück und ihr Mix aus brettharten Gitarren, aggressiven Shouts und sich in die Ohren einfräsenden Refrains wurde im Publikum mit viel Bewegung vor der Bühne gefeiert. Definitiv sehr Fan-nah zeigte sich insbesondere Sänger Andreas Dörner, welcher nach dem Konzert einige Zeit neben dem Bühnenrand verbrachte und sich nicht vor Kontakt mit neuen und alten Fans zierte.
Um 19:40 Uhr startete dann mit Betontod eine Art verfrühtes Kontrastprogramm. Die Band trug fast 30 Jahre Bühnenexpertise hinaus ins Publikum und das vorgetragene Repertoire wies entsprechend viel Abwechslung auf, sodass für viele Geschmäcker etwas dabei war. Mit Jasta, dem Soloprojekt des Hatebreed-Sängers Jamey Jasta, stand abermals ein erfahrener Musiker der älteren Generation auf der Bühne. Er spielte eine gute Show, welche mit Anleihen an andere Bands wie Carcass garniert wurde. Interessant war dabei, dass der Frontmann selbst beim Reload-Festival anfragte und extra seine Musiker einfliegen ließ, um das Konzert spielen zu können. Hut ab vor so viel Engagement und Fan-Liebe, dass man solche Strapazen nur für ein Konzert auf sich nimmt.
Mit Run To The Hills kündigten dann Trivium ihr Bedürfnis an die Bühne zu zerlegen. Trotz eher moderater Lautstärke kochte das Publikum bei jedem Song und moderne Klassiker wie In Waves wurde mit jeder Pore des Körpers genossen. Es ist schon faszinierend wie viel Können sich in diesem Quartett vereint, wo jeder einzelne Musiker mehr Qualität mitbringt, als so manche andere Band insgesamt.
Dennoch galt der Platz des Headliners zurecht den Wikingern von Amon Amarth. Des Nächtens mag man die Straßenseite wechseln, wenn man fünf langhaarige Recken mit Trinkhörnern vor sich sieht. Im Publikum fiel höchstens auf, dass zunehmend mehr Menschen mit Trinkhörnern und Helmen zugegen waren. Die Schweden machten einige Ansagen auf Deutsch, sodass selbst der letzte Festivalbesucher über die musikalischen Geschichten um Thor, Odin und Valhalla informiert wurde. Neben Showkämpfen, gigantischen Trinkhörnern und dem vermehrten Einsatz von Feuer war der Höhepunkt der Bühnenshow ein vermeintlich Nidhöggr darstellender aufblasbarer Schlangendrachen, welcher zu Twilight of the Thunder God emporstieg. Seinem Bruder im Geiste nacheifernd kämpfte Sänger Johan Hegg, einen großen Hammer schwingend, während eines Instrumentalparts theatralisch mit der Schlange. Obschon dies Bühne hernach keine Band mehr betrat, schien er die Schlacht für sich entschieden zu haben, da zumindest meines Wissens nach keiner der Besucher unter Folgeschäden des Drachenangriffs litt.
Für die nimmersatten Festivalbesucher gab es im Anschluss noch weitere Bespaßung im Zelt vor dem eigentlichen Gelände, das Gelände selbst wurde jedoch nach dem Konzert geräumt, sodass die Aufräum- und Abbauarbeiten zügig beginnen konnten. Davon können wir leider nicht mehr berichten, da uns die Festival-Müdigkeit langsam überkam, sodass wir uns zur letzten Nacht ins Zelt begaben und den Abend ruhig ausklingen ließen.
Was bleibt abschließend noch zum Reload-Festival zu sagen? Zunächst möchte ich mich persönlich bei der wunderbaren Security und dem herrlichen Personal bedanken, welches an keiner Stelle, egal wie stressig es wurde, genervt war oder unprofessionell erschien. Überhaupt war es das vielleicht entspannteste Festival, welches ich bisher besuchen durfte. Wer also einmal zwei Tage Urlaub mit guter Musik in einer entspannten Atmosphäre verleben möchte, sollte definitiv das Reload-Festival auf dem Schirm haben. Gratulation an die Veranstalter für ein tolles Jahr 2017, vielleicht sieht man sich ja 2018 wieder. Lohnen würde es sich bestimmt und die ersten Early Bird Tickets (79 € inkl. Gebühren & Camping) für die 2018er Ausgabe am 25./26. August sind schon erhältlich.
Webseite: reload-festival.de