TRUE NORD – Spot-Festival 2017 – DK-Aarhus, Radar (06.05.2017)

TRUE NORD - Spot-Festival 2017 - DK-Aarhus, Radar (06.05.2017)
True Nord, © Esther Mai
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True Nord: Nordischer Elektro, der unter die Haut geht

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Kondenswasser tropft von den Wänden, es ist warm, voll und laut. Und dennoch strahlen die Zuschauer übers ganze Gesicht. Sie reißen die Hände nach oben, jubeln, schreien und klatschen den Takt der Songs mit. Noch kennt keiner die Band, die heute auf der Bühne steht. Und trotzdem ist das Eis schon nach ein paar Minuten gebrochen, die Zuschauer und die Band feiern zusammen eine kleine, intime, aber musikgewaltige Party. Der erste Live-Auftritt der neuen, dänischen Band True Nord ist ein voller Erfolg.

Vor dem Auftritt ist die Angespanntheit der Musiker absolut greifbar. Zwei Minuten bevor die Türen für die 300 Zuschauer aufgehen, stehen sie noch beim Soundcheck auf der Bühne. „Noch eine Minute“, brüllt dann jemand vom Personal. Die Zeit vergeht viel zu schnell. Und dann ist es schon so weit, die Türen sind offen, die Menschen strömen ins Innere des Radar. Kurz vor Beginn des Showcases ist dann auch schon Einlassstopp, die Warteschlange zieht sich einmal komplett um das Gebäude. 300 glückliche Menschen sind drin, Hunderte stehen draußen.

Nicht nur im Konzertraum, sondern auch auf der Bühne ist es eng: vorne stehen sich zwei Schlagzeuge gegenüber, die Mikrofone für die Gastsänger dazwischen. Hinten gibt es noch Platz für Gitarre, Bass, Keyboard und jede Menge Percussions. Bis auf die Schlagzeuger hat niemand eine komplett feste Rolle. Gastsänger kommen und gehen oder bleiben – als Gitarrist, als Bassist, als Backgroundsänger oder mit einem Percussionsinstrument.

Illuminiert wird die Bühne nicht nur mit dem Hauslicht der Venue, sondern auch mit einer Videoinstallation, die die Bühne immer wieder in ein interessantes und weiches Licht taucht.

Düster, nordisch, elektronisch – so beschreiben True Nord ihre Wurzeln. Dazu kommen verschiedene Gastmusiker, die mit ihren Stimmen, Instrumenten und ihren kulturellen Einflüssen die Songs zu einzigartigen Kunstwerken machen. Nichts klingt gleich und dennoch wird das Set von einem roten Faden zusammengehalten. Diese Konstante sind Kristian Riis und René Thalund, Bandkollegen bei der erfolgreichen dänischen Band Nephew. Die macht gerade Pause und so schnappten sich die beiden einen Laptop und ein USB-Mikro und reisten zwei Jahre lang um die Welt, trafen Musiker, jammten mit ihnen und nahmen Songs auf. Sechs dieser Songs, die im Herbst auf einem Album erscheinen, darf das Publikum in Aarhus nun schon live hören.

Erinnerungen an IAMX, Jamie XX oder The Prodigy werden wach

Mucksmäuschenstill ist es, als der Geigenpart von Kelly Halloran aus den Boxen erklingt. Leider nicht live, sondern nur vom Band. Dennoch verfehlt die Geige ihre Wirkung nicht. Die Unterhaltungen stoppen, die Köpfe drehen sich Richtung Bühne. Sie sehen Mathias Bertelsen, den Sänger der Rockband The Entrepreneurs, am Mikrofon. Und dann hören sie ihn auch. Er singt vom Ende einer Liebe, legt viel Gefühl in seine Stimme, versinkt in Musik und den Text und vergisst das Drumherum. Als er wieder die Augen aufschlägt und in der Realität ankommt, sieht er in begeisterte Gesichter und hört laute Jubelrufe. It is not about forever, die erste Single der Band, funktioniert auch live.

Besonders gut kommt aber auch das Duett Step by Step, gesungen von Nikolas Frandsen und Kate Havnevik, letztere bekannt durch ihre gelungene Zusammenarbeit mit Röyksopp und Schiller, beim Publikum an. Sie singen sich an, bedauern, dass ihre gemeinsame Liebe zu Ende geht. Perfekter geht es kaum. Und dann legen True Nord doch noch einmal einen Zahn zu. In der Probe sagen sie, dass Bleeding gerade erst beim Jammen entstanden ist, wieder mit Mathias Bertelsen am Mikrofon. Der Sound ist düsterer, die Gitarren lauter und die Elektronik animiert zum Tanzen. Mich erinnert der Song spontan an IAMX, Chris Corner hätte solch eine Nummer nicht besser schreiben können. Die Band spricht von Jamie XX und The Prodigy – passt. Mathias lässt endlich den Rockstar in sich frei, singt, schreit und fühlt die Musik.

Nach 29:47 Minuten ist alles schon vorbei. Laute Zugaberufe werden von Musik aus der Konserve unterbrochen, die Lichter gehen an. Schnell wird die Bühne aufgeräumt und noch lange stehen alle Beteiligten vor der Venue und nehmen Glückwünsche entgegen. Das Publikum ist begeistert. René und Kristian sind es auch. Und für mich wird es mit Sicherheit nicht das letzte Konzert von True Nord gewesen sein, das ich besucht habe.

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