Interview: NOISEED

Interview: NOISEED
Geschätzte Lesezeit: 6 Minute(n)

Als Musikliebhaber weiß man: Ausflüge ins Ausland sind auch immer wieder gut dafür geeignet, seinen eigenen musikalischen Horizont zu erweitern. So war es beispielsweise im Januar der Fall, als es mich nach Spanien verschlug, um in Barcelona der Show von Project Pitchfork beizuwohnen. Zuvor stand jedoch erst einmal der Support-Act, der direkt überzeugen konnte. Noiseed aus Teneriffa begeisterten mit elektronischen Sounds und rockigen Einflüssen, was das Publikum sehr zu schätzen wusste. Nach der Show fanden viele Besucher den Weg zur Band, um die aktuelle EP Almost Human zu kaufen und mit den Musikern zu sprechen. Schnell war die Idee geboren, ein Interview mit dem Duo zu führen.

Lass Dir den Beitrag vorlesen:

Zunächst gefragt: Unsere Leser kennen Euch vielleicht noch nicht. Könnt Ihr Euch und Eure Musik ein bisschen vorstellen?
Wir sind Noiseed, ein elektronisches Pop-Rock Duo aus dem letzten Winkel, wo man sich eine solche Band vorstellen würde, nämlich aus Teneriffa (Kanarische Inseln), bestehend aus Sergio Torres (Synthesizer) und Omar García (Vocals). Nachdem wir lange Zeit darüber gesprochen haben, eine Band zu gründen, haben wir diese Idee 2014 auf eine neue Stufe gehoben.
Nach dem Sieg bei einem lokalen Contest im vergangenen Jahr, haben wir die EP Almost Human auf El Hombre Bala Records (Teneriffa) veröffentlicht.

Ich habe Euch als Support-Act bei Project Pitchfork in Barcelona kennengelernt. Wie kam es dazu, dass Ihr dort als Support spielt?
Die „Spanish artists society“ (AIE) wählt jedes Jahr einige Bands aus, um ihnen Auftritte außerhalb ihrer Region zu ermöglichen. Wir waren eine Band davon. Wir haben dann Sergio Lirio, einen guten Freund von uns, gefragt, wo es in Barcelona gute Orte zum Auftreten gibt, da er schon lange Zeit Live-Shows promoted – und er kennt sich gut in der Elektro-Szene in Barcelona aus. Er hat uns von der Möglichkeit erzählt, Project Pitchfork zu supporten und wir haben sofort JA gesagt.

Wie habt Ihr die Show erlebt?
Fantastisch. Nicht nur, weil es eine Ehre ist, eine Band wie Project Pitchfork zu supporten, sondern auch, weil es eine großartige Erfahrung war, in einer der historischen Konzerthallen des Landes zu spielen, vor einem sehr enthusiastischen Publikum.

Wie waren die Reaktionen auf die Show? Habt Ihr auch einige neue Fans und Hörer dazugewonnen?
Sicher! Viele haben unsere Platte gekauft und kamen, um sich mit uns zu unterhalten. Einige dachten, wir wären auch aus Deutschland. Ich denke, es ist nicht üblich, eine neue Band mit einem solchen Sound in Spanien zu finden und sie wussten unsere Musik wirklich zu schätzen. Sogar Dirk und Jürgen von Project Pitchfork kamen, um uns zu gratulieren. Das Feedback war sehr positiv.

Würdet Ihr sagen, dass es in Spanien eine Szene für diese Art von Musik gibt? Wie würdet Ihr sie beschreiben?
Es gibt sie, aber es ist leider eine Minderheit. Wie ich schon sagte: Elektronische Rock-Bands wie wir sind nicht angesagt in Spanien. Die größten Städte in Spanien wie Barcelona oder Madrid haben ihre Pubs für Elektro, Gothic oder Rock-Fans, aber die meisten Leute hören eher oberflächlich Musik. Die konsumieren nur das, was im Radio läuft: Soft Pop, Latin Music, Reggaeton…

Interview: NOISEEDIch habe mir Eure Musik angehört und gelesen, was die Hörer dazu geschrieben haben. Ein Name, der dort häufig begegnet, ist Nine Inch Nails. Sind die Nine Inch Nails ein Einfluss für Euch oder ist das nur ein Zufall?
Es ist definitiv ein Einfluss. Wir lieben die Nine Inch Nails – und auch den Rest der Bands, die wir mögen, wird man möglichweise in der einen oder anderen Weise in unserer Musik finden oder daran erinnert werden. Wir lieben auch Bands wie Depeche Mode, IAMX, Nitzer Ebb oder CHVRCHES, aber auch viele nicht elektronische Acts wie PJ Harvey, Johnny Cash, The Cure, Joy Division oder David Bowie… Deren Einfluss ist nicht so offensichtlich, aber auch sie begegnen in irgendeiner Weise.

Wie Ihr schon sagtest, habt Ihr beim Konzert Eure EP verkauft. Ich würde gerne ein bisschen mehr darüber erfahren. Warum habt Ihr Euch entschieden, sie Almost Human zu nennen?
Das ist ein Gefühl. Wenn man sich die Nachrichten anschaut und sieht, was in der Welt passiert, mit all den Kriegen, sexuellen Übergriffen, Korruption, Klimaerwärmung… Man versteht nicht, wie Menschen so etwas tun können, also möchte man kein Teil davon sein. Man fühlt sich, als wäre man ganz und gar nicht menschlich.

Ich habe mich auch über das Cover der EP gewundert. Die Person darauf sieht recht seltsam aus. Welche Bedeutung steckt hinter dem Cover?
Das ist ein Foto von Omar, der auch Fotograf ist. Es gibt verschiedene Bedeutungen dahinter. Am Anfang stand die Idee, ein menschliches Wesen ohne Geschlecht zu zeigen, das zu etwas Künstlichem geworden ist, mit nichts als Kabeln in sich. Aber man kann auch etwas friedliches und schönes Androgynes sehen, das raus lässt, was er/sie in sich trägt. Das ist im Grunde das, was wir auch mit unserer Musik machen.

Ihr eröffnet die EP mit C.I.S. (Collective Intellectual Suicide). Worum geht es hier? Würdet Ihr sagen, dass diese Art von Suizid heutzutage vorzufinden ist?
Es ist eine Art Absichtserklärung. Verführt von TV Shows und dem MTV-Stil ist es wie ein schleichender Selbstmord. Teneriffa ist ein fantastischer Ort, aber für gewöhnlich assozieren die Leute damit Sonne, Strand, Ferien, Latin Music… Aber da ist so viel mehr als das. Es ist eine Art von: „Hey, Du fühlst Dich anders? Wir sind hier, Du bist nicht allein.“

Zudem ist da Double Edged Pleasure. Um welches Vergnügen geht es hier?
Alle streben nach Vergnügen, aber manchmal finden wir dies an Orten oder bei Leuten, die nicht zu uns passen. Die Grenze zwischen Schmerz und Vergnügen kann sehr dünn sein und dann muss man sich entscheiden, ob der Schmerz das Vergnügen wert ist. Ich denke, es ist genug Schmerz für den Charakter in diesem Stück.
Wenn wir noch einmal zu der Frage nach unseren Einflüssen zurückgehen: Man hört „Swallow my pride“ im Chorus. Das ist der Name eines Ramones-Songs. Und das ist kein Zufall!

Zu A Place In The Sun habt Ihr auch einen Videoclip gedreht. Könnt Ihr ein bisschen über die Story davon erzählen?
Klar, es ist eigentlich der zweite Videoclip, der erste war für Action/Reaction. Der zweite Videoclip für A Place In The Sun wurde von Zuri Medina gefilmt. Er handelt von einer Person, die versucht, sich etwas Unbekanntem zu stellen, etwas, das draußen spielt und wie das Ende der Welt aussieht. Er war für lange Zeit alleine in diesem Raum und denkt sich jetzt, es wäre besser, das Risiko einzugehen, und rauszukommen, weil er seine letzten Minuten nicht dort verbringen will.

Ich hatte mich gewundert, dass Ihr das Stück nicht live gespielt habt. Ist es für Euch kein guter Live-Song?
Das war nur, weil wir 45 Minuten für die Show hatten und uns daher entschlossen, die härteren Stücke zu spielen, oder die tanzbarsten. Wenn man vor einem neuen Publikum steht, ist eine kurze und effektive Show besser – wie ein Schlag ins Gesicht. Daher war A Place In The Sun nicht in der Liste. Aber wir sind sehr stolz auf das Stück.

Almost Human ist eine EP. Ist auch ein Album in Planung?
Ja, wir arbeiten aktuell an zehn Stücken für ein neues Album namens Dark Matter. Wir nehmen aktuell den Gesang auf. Wenn die Produktion nicht zu viel Zeit beansprucht, hoffen wir, es im September oder Oktober zu veröffentlichen.

Interview: NOISEEDNun ist es so, dass ich Euch in Barcelona gesehen habe, aber in Deutschland lebe. Sind weitere Konzerte geplant? Plant Ihr eventuell sogar, nach Deutschland zu kommen und ein paar Shows zu spielen?
Nein, wir haben fünf Shows im Mai und Juni, dazu kommen einige in der zweiten Jahreshälfte. Wir arbeiten am Album, daher mussten wir uns mit Touren etwas zurückhalten, um das Album aufzunehmen, das Artwork zu erstellen und die ganzen Sachen.
Wir würden sehr gerne in Deutschland spielen! Wir sind uns sicher, dass uns dort eine Menge von Leuten verstehen und Gefallen an unserer Musik finden würden.

Am Ende würde ich gerne rein spekulativ wissen: Wo seht Ihr Euch und Eure Musik in fünf Jahren?
Die Musikindustrie ist echt hart… Vor allem, wenn man tut, was man wirklich tun will und nicht das, was die meisten Leute wollen. Aber wir machen uns da keine Gedanken drüber, oder über das, was in fünf Jahren sein wird. Das wichtigste für uns ist, weiterhin die beste Musik zu machen, die wir können, hart zu arbeiten, um damit möglichst viele Leute zu erreichen und eine gute Zeit dabei zu haben, Stücke zu schreiben und sie live zu spielen.

Weblinks NOISEED:

Bandcamp: www.noiseed.bandcamp.com
Facebook: www.facebook.com/noiseedmusic
Twitter: www.twitter.com/Noiseedmusic

Autor