DESPERATE JOURNALIST – Köln, Blue Shell (12.04.2017)

Fotos: DESPERATE JOURNALIST
Desperate Journalist, © Michael Gamon
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Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Temptation Club fanden sich am Mittwoch die Postpunk-Briten von Desperate Journalist nebst Support Precious Few ein. Während das Bonner Acoustic-Indie Gespann mit Mundharmonika, Melodika und Akustikgitarre mit gemütlicher Lagerfeueratmosphäre den Abend eröffenete, entpuppten sich Desperate Journalist hingegen als kleines Inferno: Nicht nur optisch inspiriert durch The Cure, The Smiths und einem leichten Hauch Cranberries hatte man das Gefühl, mit Sängerin Jo Bevan die gemeinsame Tochter von Morrissey und Dolores O’Riordan singen zu hören, während Caroline Helbert stoisch an den Drums den Takt vorgab. Dazu addierten sich Simon Drowners knarziger Fender Jaguar Bass und die wabernde, effektschwangere Rickenbacker Rob Hardys zu einem modernen 80s-Sound. Modern deshalb, weil die vier selbstverständlich keine Zeitreisenden aus den Achtzigern sind, sondern sich auch gegen gegenwärtige Einflüsse wie beispielsweise durch die Savages nicht erwehren können. Seit der Gründung im Jahr 2012 erfolgte im November 2014 die Veröffentlichung des selbstbetitelten Debüts, welches bereits einen kleinen Hype loszutreten vermochte. Es folgten zahlreiche Singles und EPs, ehe im März diesen Jahres dann der zweite Longplayer Grow Up das Licht der Welt erblickte, der dem Erstlingswerk in nichts nachsteht.

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Bemerkenswerterweise schaffte das junge Quartett es, die Zuhörerschaft mit ihrer explosiven Liveperformance noch tiefer in ihren Bann zu ziehen als sie es mit der düsteren Atmosphäre auf den Platten ohnehin schon tun. Gleich der Opener I Try Not To packte das Publikum und ließ es bis zum Schluss des Auftritts nicht mehr los. Es folgten 10 weitere Songs, inklusive der Singles Hollow, Happening und der aktuellen Auskopplung Be Kind, sowie eine Zugabe von drei Songs, die neben Radiating auch die Singles Resolution und Organ beinhaltete. Fast gänzlich ohne Ansagen spielten sie ihr Set durch, wobei insbesondere Bevan faszinierte Blicke auf sich zog. Immer wieder wickelte sie sich das rote Mikrofonkabel um den Hals und auch ihre übrige Gestik und Mimik machten deutlich, dass die Texte aus ihrem Inneren kamen und nicht einfach nur belangloses Lalala waren. Helbert an den Drums, die mit ihrem blassen Teint und den feuerroten Haaren ein wenig einer Mangafigur glich, zeichnete sich auch für Backing Vocals verantwortlich, die sich sehr gut einfügten. Laut eigenen Angaben wurde sie übrigens zur Drummerin der Band, ohne vorher jemals wirklich gespielt zu haben. Drowner, mit seiner Statur das geborene Bassisten-Klischee, erweckte kleidungstechnisch den Eindruck, unmittelbar nach Schulschluss ins Blue Shell gekommen zu sein. Seine ausgeklügelten, verspielten und druckvollen Basslines waren maßgeblich für den Sound der Band, während Hardy diese mit seiner Gitarre umspielte. Hardy selbst sah aus wie James Dean, wenn er Mitglied bei The Cure gewesen wäre: Ein einfarbiges Shirt mit hochgekrempelten Ärmeln, leicht wirres, abstehendes Haar und dazu viel Eyeliner um die Augen. Bei allem Raum für Individualität ergab sich dennoch ein stimmiges Gesamtbild, was sich mit dem harmonischen, mitreißenden Zusammenspiel auf der Bühne deckte. So übertrug sich die Energie von der Bühne bis zur Eingangstür des schmalen aber gut gefüllten Blue Shells und sollte so einigen tief im Gedächtnis bleiben.

Setlist DESPERATE JOURNALIST – Köln, Blue Shell (12.04.2017):

01. I Try Not To
02. Happening
03. Hollow
04. Why Are You So Boring
05. Lacking In Your Love
06. Be Kind
07. Control
08. Your Genius
09. Distance
10. Cristina
11. All Over
12. Radiating (Z)
13. Resolution (Z)
14. Organ (Z)

Fotos: Michael Gamon

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