15 Jahre Burgfolk – ein fulminanter Abschied
Auch die schönste Zeit geht einmal zu Ende, dieses Jahr fand das Burgfolk im Schloss Broich in Mülheim a.d. Ruhr das letzte Mal statt. Es waren 15 wunderbare Jahre mit vielen tollen Bands, toller Atmosphäre, einem gut gelaunten Publikum und einem Veranstalter, der mit Herz und Seele dabei war.
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Diese 11 Bands haben dieses Jahr mit uns gefeiert:
Reliquiae, Pyrates!, Folk Noire, Saltatio Mortis, Krayenzeit, Mythemia, The Aberlours, Ingrimm, Ski’s Country Trash, Rapalje und Russkaja
… und wie.
Freitag, den 19.08.2016:
Freitag 17:00 Uhr, die Tore in den Schlossinnenhof öffneten sich, zahlreiche Besucher haben längst vor der Kasse auf den Einlass gewartet. Vorbei an gut gelaunten Ordnern ging es dann für einige direkt Richtung Bühne, für andere zu den Getränkeständen. Um 17:30 Uhr startete dann das musikalische Programm pünktlich mit Reliquiae. Als Opener hat man es nicht immer leicht, aber die Band lieferte nicht nur einen souveränen Auftritt ab, sondern schaffte es sogar um diese “frühe” Zeit das Publikum für sich zu begeistern. Ihr Sound ist leicht rockig mit historischen und neuzeitlichen Instrumenten, die deutschen Texte eingängig. Sie lassen sich was einfallen und so stand Sänger Bastus der Graf auch mal mit Grubenlampe und Bergarbeiterkluft auf der Bühne. Das Publikum spendete Applaus und Jubel, die Spiele sind eröffnet!
Stimmgewaltige Piraten kaperten um 18:30 Uhr die Bühne und sie machten keine Gefangenen. Die Räuber von Pyrates! waren auf Raubfang nach feierwütigen Festivalbesuchern und sie machten damit jede Menge Beute. Ob einstimmig, zweistimmig, mehrstimmig, die Piraten haben es drauf. Nicht nur auf der Bühne bewegte sich eine Menge, das Publikum entdeckte zunehmend die Möglichkeit seine Gliedmaßen im Takt zu bewegen. Der kurzzeitig einsetzende leichte Regen wurde wegignoriert und statt dessen lieber mit und zu Pyrates! geklatscht. Die Folk Band aus Holland macht gute Laune, ihre Lieder sind kraftvoll und mitreißend und sie machen auch gern mal den ein oder anderen Spaß auf ihre Kosten oder – dank Wasserpistole – “zuleide” des amüsierten Publikums. Sänger Captain Gallows stellte zwar fest, das Publikum sei noch nicht betrunken genug, aber Spaß hatte es auf jeden Fall so oder so.
Zwischen den Auftritten hatten die Festivalbesucher zum einen die Möglichkeit am oben beschriebenen “Zustand” etwas zu ändern oder sie schauten sich an den Händler- und Merchandise-Ständen um. Viele kennen sich schon aus den Jahren zuvor, die Atmosphäre ist gelöst und familiär. Nicht selten mischen sich auch die Musiker unter das Publikum.
Nach einem ausgedehnten Soundcheck klangen gegen 19:40 Uhr wieder angenehme Laute von der Bühne, diesmal von Folk Noire. Einige Bandmitglieder dürften dem ein oder anderen bereits von der Band Faun bekannt sein. Anders als bei den Piraten zuvor ging es hier ruhiger zu, die melodischen Folk-Songs rieselten durch die Ohren in die Gehörgänge und nisteten sich hier ein. Der laute Beifall zum Ende des Auftritts bewies: es gefiel!
Der Headliner des Abends ist dagegen angetreten um den altehrwürdigen Burginnenhof in einen wahren Hexenkessel zu verwandeln und das können sie – Saltatio Mortis! Zu keiner Stunde des Tages war es so voll vor der Bühne, eigentlich schade, denn wer jetzt erst gekommen ist, der hat zuvor was verpasst. Ihr Album Zirkus Zeitgeist rockte nicht nur die Charts, sondern ließ an dem Abend die Steine der Burgmauern wackeln. Mit ohrenbetäubendem Applaus wurden die Jungs empfangen und die Euphorie für Saltatio Mortis hielt sich den ganzen Auftritt lang. “Ich bringe euch Feuer” aus Prometheus ist hier kein leeres Versprechen, die Pyrokanonen gaben ALLES. Alea der Bescheidene fegte ohne Unterlass über die Bühne, vereinnahmte das Publikum ganz, das nenne ich eine Rampensau im besten Sinne. Zwischen Band und Publikum ging es hoch her, fast alle Lieder wurden mitgesungen, es wurde getanzt, geklatscht, gejubelt und immer wieder hörte man “Saltatio Mortis”-Sprechchöre. Mit den Worten “Ran an die Fleischtheke” gönnte sich Alea ein Bad in der Menge, bzw. über der Menge, denn die trug ihn kreuz und quer durchs Publikum und wieder zurück zur Bühne. Zum Ende des Auftritts holten Saltatio Mortis Michael Bohnes, den Veranstalter des Burgfolk, auf die Bühne. Sichtlich bewegt richtete er Worte des Dankes für die letzen 15 Jahre an das Publikum und musste sich die ein oder andere Träne verdrücken.
Der erste Festivaltag endete mit einer bombastischen Stimmung, das änderte auch der vor einiger Zeit einsetzende Regen nicht.
Samstag, den 20.08.2016:
Frisch gestärkt und getrocknet fanden sich die Festivalbesucher am Samstag wieder auf Schloss Broich ein. Sieben Bands standen heute in der Running Order und darunter so einige Highlights.
Krayenzeit eröffneten heute den lustigen Reigen. Mit ordentlich Feuer unterm Hintern musizieren Sie die Festivalbesucher, die schon da sind, wach. Sie überzeugten mit Spaß auf der Bühne, beherrschen ihre zahlreichen Instrumente perfekt (tolle Gitarrensolos) und die stimmliche Kombination von Sänger Markus Engel und Jessica Kondermann an der Geige war super. Sie machten mit ihrem Auftritt Lust auf das neue Album Tenebra und spielten daraus u.a. den Song In Vino Veritas, ein Lied mit absolutem Ohrwurm-Potential. Das Publikum signalisierte durch sein rhythmisches Winken – es war wach – und mit Spaß bei der Sache.
Im Anschluss hieß es Bühne frei für Mythemia, eine Band aus der Stadt, die es eigentlich nicht gibt. Sängerin Shilan Anderson gab auf sehr charmante Weise zu verstehen, man kenne mittlerweile jeden, aber auch wirklich jeden Witz darüber also mache man lieber sofort Musik. Direkt im ersten Song ertönte immer wieder ein Klang, der an einen Eulenruf erinnerte, dieses kleine Detail schien den Festivalbesuchern so zu gefallen, dass er ihrerseits kurzer Hand auch in andere Lieder der Band “eingebaut” wurde. Mythemia bezogen ihr Publikum in den Auftritt ein und glänzten stimmlich nicht nur bei Balladen. Ihre Lieder besingen Mythen, Reisen und Legenden und sind dabei absolut tanzbar. Unter Beifall und Jubelrufen wurden sie von der Bühne verabschiedet.
“Keltic Folk Beat” stand um 15:10 Uhr an, präsentiert von The Aberlours. Sie waren zum ersten Mal beim Burgfolk dabei und wie gut dass sie es nach 600 km Fahrt geschafft haben, denn sie waren ein echtes Highlight. Beschwingt und mit viel Witz und Charme rockten sie die Bühne. Ihre Musik ist leichtfüßig und eingängig. Das traf den Nerv der Besucher und sie steuerten dem Auftritt Klatschen und Jubel bei. Immer wieder sorgte Klaus Adolphi mit seinen lockeren Sprüchen für Lacher und so wurde aus Steffen Thomas am Akkordeon auch schnell mal der “Hütchenspieler aus Absurdistan”. Gegen Ende überraschten Sie mit einem ausgedehnten Schlagzeugsolo und verließen die Bühne mit großem Beifall.
Völlig anders kamen um 16:20 Uhr Ingrimm daher. Die düsterste und härteste Combo des Festivals bietet alles was das Metal-Herz sich wünscht, sie selbst bezeichnen ihre Musik auch als Metal aus dem Mittelalter. Der Sound ist schnell und treibend aber man kombinierte ihn neben Gitarren und Schlagzeug auch mit dem klassischen Dudelsack, nur eben nicht ganz so klassisch gespielt. Der Dampfhammer aus Regensburg feierte bereits sein 10jähriges und erspielte sich bei bestem Wetter und strahlender Sonne Zugaberufe, erfolgreiche Zugaberufe, denn ein Lied gab es noch obendrauf, bevor es dann wieder in den Backstage ging.
Die nächste 180 Grad-Wende folgte in Form von Ski’s Country Trash. Ehrlicher, handgemachter Rock’n’Roll mit einer Hammerstimme von Ski King. Da passierte eine Menge auf der Bühne, die Band rockte das Haus und hat sich sogar extra für das Burgfolk nach 2 Jahren wieder in dieser Formation zusammengefunden. Nicht nur musikalisch wurde der Rock’n’Roll bedient, auch drum herum entstand ein Flair von Jack Daniels und ner guten Zeit mit Party unter Freunden. Der gute alte Jack bekam aber nicht nur in Flaschenform seinen Auftritt und wurde in der Front Row brüderlich geteilt, nein, ihm wurde ein ganzer Song gewidmet. Man merkte allen Bandmitgliedern an, dass sie am Auftritt genau so viel Spaß hatten wie das Publikum vor der Bühne, da wurden Selfies gemacht, wurde auf den Kontrabass geklettert und sich selbst nicht so ernst genommen. Im Publikum bildete sich sogar ein Mosh-Pit, die Besucher waren hellauf begeistert, das selbst gebastelte “Lauter-Klatschen”-Schild wäre nicht ansatzweise nötig gewesen, war aber lustig. Ski King richtete letztendlich einige sehr rührende Worte an Michael Bohnes, erklärte ihn zum Familienmitglied und so wechselten sich die Zugaberufe mit Michael-Sprechören ab. Ski’s Country Trash waren ein absolutes Highlight des Tages und der erste Grund für mich heute mal am Merch-Stand vorbeizuschauen.
Das Line-Up bewies Mut zu Gegensätzen, denn nach dem fetzigen Rock’n’Roll wurden die Dudelsäcke von Rapalje ausgepackt. Die Jungs aus Holland verstehen ihr Handwerk. Die überzeugten Kiltträger präsentierten ihre Irish and Scottisch Celtic Folk Music auf hohem Niveau und trafen damit den Nerv des Burgfolk. Die Hände gingen in die Höhe, es wurde vor der Bühne getanzt und als ob das nicht reichen würde, steckten Sie auf der Bühne auch noch kunstvoll einen Dudelsack in Brand. Die rhythmisch hervorschießenden Flammen machten Eindruck. Die abermals geforderte Zugabe setzt die Band dann in einen großartigen Abschluss um, verließ die Bühne, begann im Publikum eine Polonaise, lüftete sogar für einen winzigen Augenblick das Röckchen und verließ mit großem Dank und einem Augenzwinkern die Bühne.
Blieb nur noch eine Band für den heutigen Tag und nur noch eine für den Rest des Burgfolk… aber was für eine! Michael Bones hat sich mit Russkaja den perfekten Headliner für einen perfekten Abschluss ausgesucht. Der Auftritt war so abwechslungsreich, dass man kaum alles nennen kann. Mit Pauken und Trompeten betrat die Band aus Österreich die Bühne und gab mit ihrer Mischung aus Ska und Crossover der unterschiedlichsten Stilrichtungen Vollgas. Das was dort alleine während des Auftritts auf der Bühne passierte wäre für manch anderen das Sportprogramm eines ganzen Monats. Die gewaltige Stimmfarbe von Sänger Georgij Alexandrowitsch Makazaria machte sprachlos, wo nimmt er das her? Der Mosh-Pit war zurück. Russkaja waren zum zweiten Mal beim Burgfolk dabei und mit ihrer Aussage “russische Musik ist gut für die Gesundheit” konnten sie so falsch nicht liegen, überall im Publikum wurde getanzt, es wurde sogar ein Festivalbesucher auf Händen über die Menge getragen. Wenn ich mir vorstellen müsste wie Vodka KLINGEN würde, dann wüsste ich es jetzt. Als ob die Masse vor der Bühne nicht eh schon voll dabei gewesen wäre, band die Band sie immer wieder auf unterschiedlichste Art in seinen Auftritt ein, mit die lustigste Weise war dabei wohl die sportliche Betätigung beim Lied Psycho Traktor. Warum? Schon mal einen ganzen Platz voller Menschen fröhlich im Kreis joggen gesehen? Die Erklärung warum das so gut ist lieferte die Band auf dem Fuße und lüftete dabei direkt die inoffizielle Übersetzung des KGB = “Kollektivbewusstseinserweiterung”. Die Stimmung auf dem Burgfolk kochte, aber die Jungs von Russkaja können auch Balladen und Coversongs wie Wake me up von Avici.
Alles hat zwar ein Ende, aber immerhin ging man mit einem lauten Knall und viel Jubel. Burgfolk 15 – ein würdiger Abschied.
Foto: Markus Felix // PushingPixels