Konzertbericht: 12.03.2016 – HAMBURG, MARKTHALLE
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Mit gebührender Vorfreude auf das Konzert in Hamburg sattelte ich gegen 16:00 Uhr die Pferde. Endlich war es soweit, meine erste LAI-Tourshow seit Herbst 2008… Verdammt, wie hatte es nur so weit kommen können?! Schon auf der Piste ging es hoch her. Lebhafte Einstimmung zu kühlem Muntermacher aus der Dose. Klar, ist ungesund, schmeckt beschissen, macht aber Laune. Was ich im Eifer außer Acht gelassen hatte, war die allgemeine Anspannung, nach langer Abstinenz mal wieder reporterisch tätig zu sein. Als Landei vom Dienst jagt mir zudem der Moloch Großstadt noch immer Schauer über den Rücken. Folglich ging mir kurz vor dem Ziel in einem Ausmaß die Pumpe, dass ich vor lauter Aufregung die Zufahrt zur Markthalle verfehlte und schnurstracks durch den Tunnel Richtung Glockengießerwall abrauschte. Bingo! Die nächstbeste Wendemöglichkeit herbei sehnend, schlug mir das Herz bis zum Hals. Verfickte Energyplörre, jetzt halt doch mal den Rappel!
Hamburch meine Peeehrle! Schweißgeperlt am Parkplatz angelangt, galt es zunächst eine moralische Entscheidung zu fällen. Die ersten 2,50 € hatten schon ihren Weg in den Schlitz des Automaten (an der Burchardstraße) gefunden, als mir diese kleine unschuldige Notiz ins Auge fiel. Maximalparkdauer: 1 Stunde, Gebührenpflichtig bis 20:00 Uhr. Ein Blick auf den Chronographen der Maschine verriet: 18:14 Uhr, dann machte es *klick* als sich auch schon das kleine Fach am unteren Ende mit einem weißlich-roten Zettelchen füllte. Ja leck die Tanne! So kam ich doch nie hin bis 20:00 Uhr! Es half nichts. Als braver Erdenbürger mit wenig Bock auf Knöllchen zog ich mich ins Gefährt zurück, um mir die Feier des Tages nicht von einem Bußgeldbescheid vermiesen zu lassen. Außerdem zog es in den Straße wie Hechtsuppe, was die Entscheidung um einiges leichter machte. Im Auto vertrieb ich mir die Zeit mit Schabernack. Selfie-Videos drehen und so’n Zeug, das Übliche halt. Schlag 18:58 Uhr unternahm ich einen zweiten Versuch den Parkschein zu verlängern, nur um um festzustellen dass die Uhr am Automaten 6 Minuten nach ging. Tolle Wurst! Mich weiter in Geduld übend meldete sich nun erneut der Koffeingehalt aus der Dose zu Wort — dieses Mal eine Etage tiefer. Wieder Perlen auf der Stirn, dazu unruhiges Wippeln von links nach rechts. Mensch schalt um, du elende Drisskiste, nörgelte ich den Automaten an, als hätte er das hören können. Dann endlich *bing*: 19:00 Uhr! Erlösung! Eilig die Parkgebühr entrichtet, dem Radio den Hahn abgedreht und Kameras geschnappt, hastete ich zum Ort des Geschehens. Fest entschlossen wenn mir jetzt hier einer ein Knöllchen verpasst, dann kotz ich auf die Straße und komm hier nie wieder hin! 😉
Der Schleier der Dunkelheit hatte sich inzwischen über die fröstelnden Straßen gelegt. Für die Crew der Markthalle kein Grund zu übertriebener Eile. Mit 15-minütiger Verzögerung begann sich die Menschenkette vor dem Eingang allmählich vorwärts zu schieben. Umgebaut hatten sie hier. Ein stattliches U wie Umleitung ward in den Einlassbereich integriert und die Abendkasse zusammen mit der Garderobe in einen Raum links des Treppenaufgangs vorgelagert. Etwas knubbelig bisweilen, doch dankenswerter Weise ging der Einlass ins gemütliche Nest relativ zügig von Statten. Notgedrungen suchte euer Tippelbruder Ritti auf direktem Wege die lokalen Örtlichkeiten auf. Wat mot das mot, and it mot a lot!
Meine nächste Station war der Merchandise Stand, hinter dem der umtriebige Chris Kavanaugh bereits eifrig Devotionalien an zahlungskräftige Kunden absetzte. Der Plattenhändler aus Leidenschaft hatte so einiges am Start. Neben obligatorischen Fanshirts und verschiedenen L’Âme Immortelle-Artikeln fanden sich dort auch ausgewählte Exponate der Kollektionen von Nachtmahr, Persephone und Coma Divine. Der Rundumschlag für den geneigten Fan, nebst interessanten Geschichten als gratis Beigabe. So erfuhr ich an diesem Abend, dass das jüngst zu neuem Leben erweckte Rainer-Projekt Siechtum wohl inzwischen der letzte Schrei im Langhaarlager sei und demnächst nun die ersten Termine auf Metalfestivals angepeilt würden. Etwas ungläubig schauend wechselte ich das Thema, da mir noch eine organisatorische Feinheit auf der Seele lag, die es zu klären galt. Auf dem kurzen Dienstweg ließ ich mir von Tourbegleiter Marcel – ein netter Kerl mit Kappe – kurzerhand den Fotopass auf Konzertlänge erweitern und ab gings durch den Tunnel of Love in die Halle.
Während meines letzten Besuches bei L’Âme Immortelle in der Markthalle, es war Montag der 20. Oktober 2008, waren die Reihen vor der Bühne relativ luftig besetzt gewesen. Damals hatten vielleicht 250 Fans den Weg zum Konzert gefunden. Gut, es war bereits die Rückrunde der Namenlos-Phase und unter der Woche. Am heutigen Samstag lag der obere Teil des Zuschauerraumes trotzdem vorsorglich von einem Vorhang verdeckt und der FOH-Platz stand ein Stück vorgelagert, um das Geschehen zu komprimieren und insgesamt stimmungsvoller erscheinen zu lassen.
Als erster aus dem Gebüsch sprang *tamtaratam* heute Abend allerdings nicht Jan Delay, sondern JanRevolution – mit bürgerlichem Namen Jan Christian Borkowski, still beglitten von seinem Partner in Crime Thomas Rumpelt an allem, was Tasten hatte. Als kleiner Supportact tut man sich ja gerne mal schwer dem angestammten Publikum beizukommen. Unter dem Motto Return to Sender — so der Titel der jüngst vollendeten und von Gregor Beyerle (Nachtmahr / L’Âme Immortelle) gemasterten Veröffentlichung — stapelte das Duo allerdings unnötig tief. Klar, der schunkelige Futurepop, den die Kronacher servierten klang alles andere als revolutionär, dafür aber potent ansteckend. Dat ies de’ Riehtmus wo de miet muss’, wie man auf Schalke sacht. Nach Hause geschickt wurde an diesem Abend folglich niemand. Man muss das System eben unauffällig unterwandern bevor man die Revolte zünden kann.
Um die 150 Hamburger und kurzfristig Zugereiste hatten aktuell im Saal Platz gefunden — manche auch genommen. Überwiegend im hinteren Teil der Markthalle aalten sich noch einige Versprengte auf den einladenden Stufen des Rocktempels. Andere wiederum wollten ES frontal an der Bühne und ließen sich vom munteren 4/4 Takt in Schwingung versetzen. Man without return schmückte den Auftakt des auf ein halbes Dutzend Songs ausgelegten Sets. Aufhorchen ließ im Speziellen das deutschsprachige Freier Fall an Startnummer Drei. Jepp, dieser Stampfer ging direkt ins Ohr. Damit konnte man arbeiten. Ein paar Damen im Auditorium hatte es der mit schmalen Oberlippenbärtchen entfernt an Ronan Harris erinnernde Jan offenbar ganz besonders angetan. Vergnügt wie ein Becher Zitronensaft quittierten sie jeden Song mit lautstarkem Schlachtengebummel. Joah, da war dann mal Stimmung in der Hose – sehr zur Freude des ausführenden Personals, das sich überrascht gab, was in der Hansestadt an diesem Abend so alles möglich war. Einsatz und Ertrag standen zweifellos in ausgeglichenem Verhältnis.
Our Time, Reminiscence und eine Amnesia später reichten JanRevolution den Staffelstab an die Metallspürhunde weiter. Das Trio la Toblerone zog direkt mal andere Saiten auf. Von wegen die tun nix, die wollen nur spielen! Vollkontakt im Rockertrakt war angesagt, als Maid Marion das Theremin ersummen ließ, Sebastian Hausmann an der Gitarre auf die Bühne huschte und last but not least Michel Frasse im Zentrum die Rampensau von der Kette ließ. Ein dankbarer Umstand, eröffnet er dem geneigten Rezensenten doch die Möglichkeit seine Beobachtungen effizient mit nur einem Wort zu umschreiben: völligdurchgeknallt.
Ok, das waren zwar eigentlich zwei Worte, aber jetzt ging wirklich die Luzie ab. Zwischen springendem Punk und hüpfendem Koma setzte es das volle Programm Gesichterfasching. Da Frontmann Michel entsprechend mit Gesang beschäftigt war, zog vor allem Gitarrist Sebastian, entfernt an Heath Ledgers Joker erinnernd, eine kranke Schau ab. Doch auch der Fronter gab sich entsprechend exaltiert und volksnah. Disharmonie und Blut und Spiele komplettierten just die erste Hälfte des Programm, als Frasse auf dem Gitterpodest am Bühnenrand in Position ging, wie Graf Koks ein Bündel Geldscheine hervor kramte und sich mit den Worten Huldigt eurem neuen Gott, den ersten Lappen an die Stirn klatschte, während er mit dem Rest genüsslich seinen Poppes shampoonierte. Tja, erst wenn der letzte Wald gerodet und das letzte Öl gefördert ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht ficken kann…! Obszöne Neue Welt!