Alles nur noch Kommerz?
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Es kam, wie es kommen musste. Kommerziell konnte das Album nicht an seinen Vorgänger anknüpfen. Es landete irgendwo in den 40ern und später auf dem Wühltisch. Zudem schien auch die Zusammenarbeit mit Sony gerüchteweise zunehmend schwieriger geworden zu sein. Als erster Vorbote des Albums ward Phönix auserkoren (bis heute einer der stärksten Songs der Band), welcher jedoch nach kurzer Zeit zugunsten der fluffigen Alternative-Single Nur Du verschwand. Dieser seltsame Cartoon-Look ohne einen Auftritt der beiden. Hatten sich LAI künstlerisch in eine Ecke manövrieren lassen, in der sie sich, man möge mich da gerne eines besseren belehren, nicht 100%ig wohl fühlten? Wo kamen sie her, wo wollten sie hin. Ergab das alles noch einen Sinn? Oder hatten die Asse ihr Blatt am Ende selbst überreizt? Das Herz war ins Stocken geraten.
Ende 2006 ging es erst einmal wieder auf Tour. Zumindest live hielt der Name LAI, was er versprach. Stattliche Häuser, wie das Capitol in Hannover, mischten sich in den Spielplan, die Bühnenshow arbeitete mit Projektionen, das Bandkonzept wurde endgültig vollendet und die Performance der beiden Hautptakteure zu Der Letzte Akt hätte dem viel zu früh verstorbenen Hans Hölzl ganz sicher einen anerkennenden Griff durch die Pomade abgetrotzt – stark!
*** THE CLEANSING ***
Was bleibt von uns übrig, wenn der letzte Ton verklingt… (aus Requiem) lautete Ende 2007/Anfang 2008 der Slogan jener frappierend an eine Traueranzeige erinnernden PR-Kampagne zum Album Namenlos. Ein provokanter Schachzug, angesichts der schwierigen Phase und sich mehrenden Gerüchten über das vorzeitige Ende der Major-Ära, den längst nicht alle Anhänger der Wiener durchschauten, geschweige denn mit dem entsprechenden Humor nahmen. Wieder einmal wurde kontrovers debattiert. War es das jetzt?, wie viel Provokation ist eigentlich erlaubt? und ist es nicht geschmacklos seinen Fans einen solchen Schrecken einzujagen?. Dabei gab es an L’Âme Immortelles Rückkehr zum Indie-Label Trisol wenig zu deuteln. Thematisch um den Wiener Friedhof der Namenlosen geflochten, jener geschichtsträchtigen Ruhestätte, die seit dem frühen 20. Jahrhundert unzählige anonyme Flussleichen aus der angrenzenden Donau begraben hält, fanden LAI musikalisch zu ihren Stärken zurück. So entpuppte sich auch der doppelbödige PR-Tango nachträglich als cleveres Menetekel des inhaltlichen Konzepts, während sich musikalisch mit 1000 Voices und Lost offen Einflüsse aus Thomas Rainers inzwischen gegründetem Seitenprojekt Nachtmahr und Sonjas Persephone ins Klangbild mischten und der Titelsong Namenlos gar mit Darkfolk-Elementen überraschte.
Es folgten zwei umfangreiche Tourneen im Laufe des Jahres 2008. Dayour und Lirsch waren wieder mit dabei, sowie auf der ersten der beiden Adamer on Drums und Autor Thomas Manegold, der als clownigen Erzähler das poetisches Element zwischen den Akten beisteuerte. Ermutigt durch die gefeierten Konzerten im Frühjahr folgte Teil 2 der Reise im Herbst. Hierfür hatte man sich noch einige Songs des Namenlos-.Albums aufgespart. Doch aus heutiger Sicht zeichnete sich hier bereits jener Zäsur ab, die schließlich Ende 2009 eintreten sollte. Nach verflixten 13 Jahren kam das Herz von L´Âme Immortelle — so erweckte es den Anschein — zum Stillstand. Sollte es das wirklich gewesen sein?
Während Thomas sich provokativ die Uniform überstriff und mit Nachtmahr (man möge mir die Spitze Bemerkung verzeihen) darin aufging, das Genre des musikalischen Verkehrsunfalls salonfähig zu machen, zementierte Sonja im neoklassischen Gewand der Persephone weiter ihren Ruf als Ausnahmesängerin. Dazu hob sie gemeinsam mit Ashley Dayour, den es seinerseits mit Whispers In The Shadow in die Gefilde des Okkulten zog, Martin Höfert und Francis Lirsch das Rockprojekt Coma Divine, aus der *räusper* Taufe (Stichwort M’era Luna 2011). Dazu arbeitete sie am Theater, gab Musical Kurse an einer Schule und tauchte nach der Zusammenarbeit mit Oswald Henke schließlich in das aktuelle Ensemble von Goethes Erben ein.