Konzertbericht Leipzig Teil 2
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Übrigens hatte Herr Borkowski auf der Tour wohl schon zwei Mal das seltene Kunststück vollbracht, das Publikum mit der falschen Stadt anzusprechen. Nicht dass so ein Fauxpas irgendwie nicht irgendwie sympathisch und auch schon einem großen wie Peter Heppner widerfahren wäre, der mal vor dem ausverkauftem Capitol in Hannover die Wolfsheim-Fans freundlich mit Hallo Bremen begrüßte. Heuer hatte man ihm daher direkt ein Schild auf den Boden gegaffert, auf welchem in großen Lettern das Wort LEIPZIG getintenstrahlert war. Bevor aus “Danke Helsinki” noch “Servus Bornholm” werden mochte. Sicher ist sicher!
Zahlenmäßig den Hamburgern ohnehin haushoch überlegen, machte sich die Stimmung der versammelten Täubchenthaler überwiegend durch körperliche Ertüchtigung, denn durch Lautstärke, bemerkbar. Die Gewaltenteilung brettwärts war derweil fest definiert. Keyboarder Thomas beschränkte sich zumeist darauf, an seinem Instrument die passenden Eingaben zu tätigen, während Jan die Show machte. Aber wie jener da so schwungvoll ausholte, um mit dem kompletten Mikrostativ zu hantieren, hatte ich manchmal schon ein wenig Sorge, er könnte sich das Ding im Eifer irgendwann noch an die Omme hauen. Ein Blick auf die Uhr und in das applausfreudige Auditorium attestierte dem Kronacher Zweier einen kurzweiligen Achtungserfolg. Stolzen Hauptes entschwanden Jan und Thomas daher in Richtung Bühnenabgang, auf direktem Wege in die Backstagegarderobe um von dort, wie angekündigt, zügig den Merchstand aufzusuchen. Ich wisst schon, Eisen schmieden und so…
Next up: Metallspürhunde! Auch die Schweizer traten mit identischem Programm in Leipzig an. Da ich mich zu Beginn des Gigs plötzlich und unerwartet auf dem Balkon des Hauses wiederfand, entging mir der Anfang ihren Auftritts. Da sich die erhöhte Position entgegen der ursprünglichen Hoffnung als überraschend wenig effektiv für eine ausgewogene Fotoreihe herausstellte und es nicht meine Art ist, Menschen auf der Pelle zu hängen, die sicher gerade noch etwas Wichtigeres zu tun hatten, begann ich, mir einen Weg zurück in den Saal zu bahnen. Doch dieser Weg sollte kein Leichter sein. In Gedanken versunken übersah ich flugs eine Treppenstufe und hätte beinahe den Eingang zum Auditorium mit mir als Fettfleck verschönert. Während die Metallspürhunde ihre wilde Schau abzogen, wühlte ich mich einmal im großen Bogen durch das inzwischen gut gefüllte Rund zurück vor die Bühne, wo justamente Sänger Michel ansetzte, Gitarrist Sebastian mit Liebesgrüßen aus der Lederhose zu bedienen. Juhu, Love is in the Air!
Als plötzlich auch noch Marion und Sebastian miteinander zu schäkern anfingen, zog Michel spontan über Land. Schon in Hamburg eng auf Tuchfühlung mit den Rezipienten, nahm er den Mangel an Bühnengraben zum Anlass für einen Schnupperkurs am lebenden Subjekt. Schnell noch die Kimme mit einer Banknote poliert, hüpfte er zum Bad in die Menge. Hatte es der Metallspürhund vielleicht auf Münzgeld abgesehen?! Für eine beträchtliche Weile verschluckte ihn der Moloch vollständig.
Angesichts derartigen Körpereinsatzes fand Leipzig reichlich Vergnügen an dem Treiben. Die Schweizer scheuchten die versammelten Fledermäuschen gehörig auf und lieferten so den rotzigen Gegenpol zur merklich gediegeneren Show L’Âme Immortelles. Von entsprechender Überzeugung begleitet, schossen am Schluss von Kalaschnikow-Liebe folglich die Mittelfinger in die Höhe, als abermals die Geißel unserer Zeit, der globale Terror, zum Feindbild der Schweizer ausgerufen wurde. Allgemein lässt sich über die Helveten berichten, dass sie selten ein Blatt vor den Mund nehmen. Das halbe Dutzend Songs zielte durchweg darauf ab, den Finger in diverse Wunden zu legen — zornige Utopien, gepaart mit unverblümter Gesellschaftskritik. Im Safte des Angesichts empfahl sich das Trio nach einer halben Stunde mit Moloch abgerundet von einer höflichen Verbeugung. Es war geschafft, die Menge tobte – Zeit für eine Pa… Pa… Pause!