Fast neun Jahre ist es her, dass sich Dordeduh mit ihrem ersten Langspieler Dar De Duh (2012) ins Licht der schwarzmetallischen Öffentlichkeit wagten. Drei Jahre zuvor wurde die Band von Edmond Karban (Hupogrammos) und Christian Popescu (Sol Faur) gegründet, nachdem diese das Urgestein der rumänischen Black Metal Avantgarde Negura Bunget überraschend verließen. Offenbar konnten Dordeduh ihre Sehnsucht nach Spiritualität (verzeiht das Wortspiel) in Dar De Duh verwirklichen und auch die Fans nahmen diese Geistesgaben (verzeiht abermals) enthusiastisch auf. Denn die Rumänen zeichnet stilistisch eine elementare Spiritualität aus, die sich in jedem Song authentisch wiederfindet.
Was sich in Dar De Duh bereits abzeichnete, war der fast natürlich anmutende Rückgriff auf traditionelle Elemente, der sich vor allem in der Instrumentierung zeigte, sich aber auch in jede Verästelung des komplexen Songwritings ausbreitete. So war es möglich, dass ein Song wie das meditative, folkloristische und friedvolle Dojana, neben dem episch ausufernden, rasenden und visionären Metal-Stück Jind De Tronuri nicht deplaziert, sondern synergetisch auf das gesamte Albumkonzept wirkte. Nach diesem wirklich überwältigendem Einstand liegt die Latte an Erwartungen selbstverständlich hoch. In der Zwischenzeit waren Hupogrammos und Sol Faur, weniger bemerkt von der Metal-Szene, in ihr Zweit-Projekt Sunset In The 12th House und dessen Debüt Mozaik (2015) involviert. Das liegt aber nun auch bereits sechs Jahre hinter uns. Lange haben wir auf ein weiteres Album der Rumänen gewartet und was soll ich sagen:
Das Warten hat sich gelohnt …
Eigentlich kann man es kurz machen: Auf die Frage, was man beim dordeduhschen Zweitling denn erwarten kann, trägt das Album selbst die Antwort bereits im Titel. Har – Anmut, Gabe. Das mag pathetisch klingen, aber es ist wahr. Mit Har ist Dordeduh, um das Fazit bereits jetzt vorweg zu nehmen, ein ganz großer Wurf gelungen. Auf ihrem neuen Album, das im weitesten Sinne immer noch ein Metal-Album ist, hat sich die Band noch weiter von ihren Negura Bunget-Ursprüngen emanzipiert und scheint nun endgültig ihren eigenen Stil gefunden zu haben. Und dieser lässt sich nun überhaupt nicht mehr durch irgendwelche Grenzen, sei es durch Instrumentierung, Songwriting oder einzelne Genres, von der übergeordneten, künstlerischen Konzeption einengen.
So lassen sich Einflüsse aus vielen Musikgenres auf Har finden: von Progressive Rock, der sich wie ein handwerkliches Fundament vor allem unter die längeren Songs legt, bis hin zur sinfonischen Dichtung des 19. Jahrhunderts, die ganz klar bei Vraci de nord hervortritt, ohne auf die entsprechende Orchestrierung zurückzugreifen. Dazwischen blitzen auch Elektronika, Goth und Pop hervor und immer wieder rumänische Folklore, die getragen wird von den historischen Instrumenten, deren Ursprung sowohl in den Gipfeln der entlegenen Karpaten zu suchen ist oder deren Verwendung sich im traditionellen rumänischen Gottesdienst findet und deren Namen ich im Traum nicht versuchen würde auszusprechen. Sie heißen Tulnic (eine Art Alphorn), Toacă (hölzernes Schlagbrett), Tambal (Hackbrett) oder Mandola, um nur einige zu nennen. Und die ergießen sich wie selbstverständlich in die einzelnen Songs. Mal vordergründiger, mal subtiler.
Dabei ist Har vom plumpen Abgreifen eines Exotenbonus des von einigen immer noch als rückständig verrufenen, von anderen als naturbelassen ursprünglich verklärten Dracula-Gebirges in etwa so weit weg, wie die Sonne vom Pluto. Das Album erzählt vielmehr, beobachtet durch einen tief spirituellen Spiegel, den langen Weg vom Suchen und Finden von Erkenntnissen, vom Reifen, vom Scheitern und vom Sich Häuten. Auf der Internet-Präsenz der Band kann man die Texte der Songs in englischer Sprache nachlesen. Das macht Har über weite Strecken zu einer Reise, in der sich harsche und düstere Passagen mit klaren, offenen, feierlichen Stücken des Aufbruchs und schließlich meditativen, träumerischen Episoden abwechseln.
Es lohnt sich, Har als Ganzes zu hören. Und es lohnt sich das Album wieder und wieder zu befragen, denn es scheint immer wieder neue Erkenntnisse zu liefern. Sei es nun in Bezug auf das außerordentlich gute Songwriting, die fließende, natürliche Instrumentierung oder die geheimnisvollen, spirituellen Texte.
Har ist am 14. Mai in unterschiedlichen Formaten bei Prophecy Productions erschienen.
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Tracklist DORDEDUH – Har:
01. Timpul întâilor
02. În vieliștea uitării
03. Descânt
04. Calea magilor
05. Vraci de nord
06. Desferecat
07. De neam vergur
08. Văznesit
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Weblinks Dordeduh:
Official: https://www.dordeduh.ro
Facebook: https://www.facebook.com/Dordeduh
Instagram: https://www.instagram.com/dordeduhband
Bandcamp: https://dordeduh.bandcamp.com/album/har
Label: https://de.prophecy.de/kuenstler/dordeduh
Label/YT: https://www.youtube.com/user/prophecyBC