Ach, was soll man sagen? Ehrlich damit umgehen, dass man zu Annett Louisan ins Konzert geht, kann man ja meist eher nur, wenn man darauf gefasst ist, mindestens skeptische Blicke zu bekommen. Warum das so ist, wird schnell erklärt sein. Weil man nicht weiß, was einen bei Annett erwartet.
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An diesem dunklen grauen Donnerstag zeigt sich Hannover wieder von seiner düstersten Seite. Die kleine Masse an Menschen vor dem Hannoveraner Kuppelsaal zieht den Kragen höher und man hofft, baldigst ins Warme zu kommen. Der Kuppelsaal ist zumindest im Innenraum bis auf den letzten Platz gefüllt, wie auch der erste Oberrang nahezu voll besetzt ist. Als pünktlich um 20.00 Uhr der Gong ertönt und das Saallicht gelöscht wird, beginnt ein Abend voller Spaß, Wehmut, Emotionen, Trennungsschmerz und unerfüllten Wünschen nach sexuellen Erlebnissen.
Annett Louisan freut sich sichtlich über das Publikum, ist sie doch für diese Tour in den prachtvollen Saal aufgestiegen und wird warmherzig begrüßt. Sie hält den Kontakt zu ihren Gästen und schenkt Winker und Küsschen und lächelt. So naiv, wie sie Ihre Freundin Eve beschreibt, ist sie aber schon lange nicht mehr. Das Muttersein hat seine Spuren hinterlassen. Sie wirkt auch schon mal nachdenklich, und aus ihren Worten spricht eine große Prise Dankbarkeit. Dankbar, Mutter zu sein, dankbar eine Tochter zu sein und dankbar, bisher so ein abwechslungsreiches Leben führen zu dürfen.
Kleine Liebe
Der Abend ist in zwei Akte unterteilt. Der Mittelpunkt des Abends besteht überwiegend aus Songs des aktuellen Albums Kleine große Liebe und sie distanziert sich ein wenig von den Frühwerken, mit denen sie immer noch unberechtigterweise am ehesten identifiziert wird. Sie hat die ersten amüsierten Lacher auf ihrer Seite, als sie von den Two Shades of Torsten erzählt, obwohl da doch auch ein Stück Wahrheit mitschwingt, wie mir meine Sitznachbarin zur rechten mit einem schmunzelnden „Wo sie recht hat…“ bestätigt. Etwas später schafft Annett Louisan es tatsächlich, dass einige im Saal die Taschentücher rausholen müssen, da sie mit Ende Dezember eines der rührendsten Lieder ihrer Karriere anstimmt. Ja, auch ich muss einmal tief durchatmen, so gefühlvoll verletzt, wie Annett das Stück vorträgt.
Da in einem Konzert von Annett Louisan jetzt nicht ausgiebig getanzt wird, hat man ordentlich viel Zeit, zuzuhören und die Gedanken schweifen zu lassen. Und es gibt die Möglichkeit, mit Annett auf Tuchfühlung zu gehen. Zu Klein kommt sie von der Bühne und dreht eine Runde durchs Publikum, um auch weiter hinten mal Hallo zu sagen. Kurz vor Ende des ersten Aktes muss dann auch die Pflicht erfüllt werden, und schmunzelnd fragt sich Annett, wie es wohl ist, wenn sie mit achtzig Jahren noch Das Spiel anstimmt. Alles gut, auch dann darf sie das noch machen.
Große Liebe
Zur Eröffnung des zweiten Aktes rückt nun auch immer mehr Annetts Begleitband in den Fokus. Das lange Intro zu Belmondo gibt einen Vorgeschmack auf größeres. Schon bei der Interpretation von Haie kommt die Band mehr aus sich raus, und Annett tritt gerne auch einmal in den Hintergrund. Der Star ist das komplette Ensemble an diesem Abend. Annett Louisan nimmt sich an diesem Abend immer wieder Zeit, auch kleine Geschichten zu ihren Liedern zu erzählen. Besonders die Wendezeit und ihre Erfahrungen mit dem Westkonsum wird sehr humoristisch erzählt, und da die Stimmung gerade so aufgelockert ist, startet sie auch gleich mal zur Straße der Millionäre eine Polonaise durch den Saal.
Die Setlist ist mit feiner Hand ausgesucht, und so ist es ein Auf und Ab der Emotionen an diesem Abend. Ein besonderes Highlight ist gewiss das Charles Aznavour-Cover Spiel Zigeuner, wo Annett und auch die Band zur absoluten Höchstform aufläuft. Was stimmlich in der kleinen Frau steckt, beweist sie bei dem spaßigen Stück 24 Stunden, wo sie im Mittelpart gesanglich alles aus dem kleinen Körper rausholt und in bester Titanic-Pose mit wehendem Haar eine Opernarie schmettert, die ich definitiv nicht erwartet hätte.
Und, würde ich es nochmal machen, ein Annett Louisan-Konzert? Definitiv, da sie weit weg von dem Schlagerimage ist, was ihr anhaftet. Sie ist Liedermacherin, Chansonette, sie ist Pop. Eigentlich schade, dass sie vergeben ist, diese Frau würde ich mit nach Hause nehmen. ??
Setlist ANNETT LOUISAN @ Hannover, Kuppelsaal (21.11.2019):
Kleine Liebe:
01. Kleine große Liebe
02. Wir sind verwandt
03. Zweites erstes Mal
04. Eve
05. Ein besserer Mensch
06. Two Shades of Torsten
07. Klein
08. Eine Frage der Ehre
09. Ende Dezember
10. Das Gefühl
11. Das Spiel
12. Saboteur
Große Liebe:
13. Belmondo (Overtüre)
14. Belmondo
15. Haie
16. Daddy
17. Straße der Millionäre
18. Meine kleine
19. 24 Stunden
20. Borderline
21. Dings
22. Spiel Zigeuner (Charles Aznavour Cover)
23. Die schönsten Wege sind aus Holz
24. Das alles wär nie passiert (Z)
25. Drück die 1 (Z)
26. Reality (Richard Sanderson Cover) (ZZ)
Weblinks ANNETT LOUISAN:
Homepage: www.annettlouisan.de
Facebook: www.facebook.com/Annett.Louisan
