Amplified History oder schamanistische Wunschvorstellungen
Das deutsch-dänische Pagan-Folk Projekt Heilung hat es in seinem doch noch recht jungem Bestehen, die Band wurde 2014 gegründet, zu einiger Berühmtheit gebracht. Ihr erstes Studioalbum Ofnir, das Heilung 2015 vorerst in Eigenregie veröffentlichte und das 2018 noch einmal via Season Of Mist erschien, interpretierte die Band als maskulines Album. Und so war es laut den Künstlern folgerichtig nun ein weiteres, weibliches Album zu veröffentlichen. Dies trägt den Namen Futha, orientiert sich zum einen an den ersten drei Buchstaben des Futharks und zum anderen an genau dem, wonach es klingt. Und so lautet der Albumtitel wie die Bezeichnung eines primären weiblichen Geschlechtsorgans. Passend dazu wurden archaische Darstellungen in die vier Ecken des Covers platziert, auf denen ebenfalls deutlich zu erkennen ist, worum es sich dreht.
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Heilung verdanken ihren schnellen und steilen Aufstieg zum größten Teil ihren Aufsehen erregenden Live-Auftritten, die eher paganen Spektakeln ähneln. Das brachte die Band immerhin schon nach Roadburn und Wacken. Darüber hinaus umgibt Heilung ein gewisser Hauch von schamanistischer Bronzezeit, oder eben dem, was sich der romantische Freund der Generation Vikings von allem was neo-pagan ist und dem Faun zu kommerziell und Forndom zu langweilig sind von jener längst vergangenen Zeit erträumt. Heilung tragen die Geweihe des Gehörnten und die charakteristischen Mini-Röcke germanischer Mädchen, die im Völkerkundemuseum ausgestellt werden, sie beherrschen die einschlägigen Gesangstechniken und benutzen selbstgebaute Instrumente aus Knochen (Als ob man die irgendwo kaufen könnte.). Gegen Vorwürfe etwaiger Unauthentizität sichern sie sich ab, in dem sie das Ganze Amplified History nennen, scheuen sich aber trotzdem nicht, wie jetzt auf Futha, detaillierte Erläuterungen zu jedem Song zu geben, inklusive wackeliger historischer Einordnung. Eine weitere Widersprüchlichkeit schien mir die Betonung politischer Distanzierung unter Verwendung des politisch aufgeladenen Begriffs des Gender Mainstreamings. Warum setzt man einen solchen Fokus, wenn man diesen eigentlich vermeiden möchte? Es hat doch durchaus seine Berechtigung das Weibliche in der Retrospektive mystisch und mythologisch mehr aufzuladen, als es historisch tatsächlich nachweisbar ist oder durch Diskurse und Wissenschaft getragen wird. Also lasst die wilden Weiber doch nackig verzaubern. Künstlerische Freiheit ist doch künstlerische Freiheit, oder?
Aber möglicherweise bin ich auch wieder zu kritisch, immerhin wurde selbst vom Deutschlandfunk den Klängen von Heilung, ja nun eben Heilkräfte zugesprochen. Das gibt Hoffnung in Zeiten, in denen jeder von seiner inneren Urkraft entkoppelt zu sein scheint. Und das haben selbst Bands wie Forndom und Wardruna, mit denen Kai Uwe Faust und Kollegen oft verglichen werden, noch nicht geschafft. In Hinblick auf historische Authentizität müssen Heilung da wie oben erwähnt zurückstecken. In puncto Musik, kommen wir mal auf das Wesentliche, aber leider auch. Wie auch schon auf Ofnir gibt es bei Futha wenige Songstrukturen. Die Stücke mäandern ziellos irgendwo in die schwüle Trance einer Schwitzhütte, bleiben letztendlich redundant, bauen selten einen Spannungsbogen und hinterlassen Benommenheit. Herausragende Momente, wie das wundervolle perlende Traust, das klassische Othan oder das stimmungsvolle Norupo bleiben die Ausnahme. Besonders hervorzuheben ist die kräftige, klare und gleichzeitig warme Stimme von Sängerin Maria Franz, die auf dem weiblichen Album nun deutlich häufiger zu hören ist und zum Dreh- und Angelpunkt wird. Man verlässt sich auf Rituelles, Pulsierendes, Meditatives und Repetitives, reduziert auf den Selbstzweck. Es wird getrommelt, einsam geflötet und mit jenen atmosphärischen Geräuschen unterlegt, die Stimmung erzeugen sollen, aber im heimischen Wohnzimmer nicht so recht zünden. Das mag insgesamt auf der Bühne wieder alles ganz anders wirken. Dort hat die Band unbestreitbar ihre Stärke. Dort entfaltet sie einen mesmerisierenden Sog. Und der Erfolg scheint ihr ja recht zu geben.
Futha ist am 28. Juni in verschiedenen Formaten bei Season Of Mist erschienen.
Tracklist HEILUNG – Futha:
1. Galgaldr
2. Norupo
3. Othan
4. Traust
5. Vapnatak
6. Svanrand
7. Elivagar
8. Elddansurin
9. Hamrer Hippyer
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Weblinks HEILUNG:
Official/Facebook: https://www.facebook.com/amplifiedhistory/
Label: http://www.season-of-mist.com/bands/heilung
Bandcamp: https://heilung.bandcamp.com/