Schon vor zweieinhalb Jahren war das Palladium restlos ausverkauft, als Massive Attack in Köln-Mülheim einen Tourstopp einlegten. Schade, dass auch für die nur zwei Deutschlandkonzerte umfassende Folgetour im Frühsommer 2018 wieder der ungeliebte und völlig überfüllte Bau auf der Schanzenstraße ausgewählt wurde. So war die Show noch schneller ausverkauft als 2016. Wer mit dem Ticketkauf früh genug dran war, erlebte einen exquisiten Konzertabend, der ungewöhnlich früh um 19 Uhr mit dem nigerianischen Liedermacher Azekel eröffnet wurde. Der lieferte als Einstimmung auf die deutlich hektischeren Töne im Anschluss sehr entspannten Soul-Pop mit angenehmer Stimme. Man hörte heraus, warum Massive Attack den Wahl-Londoner als Gastsänger für ihren Song Ritual Spirit gewinnen wollten – Stimme und Sound passen gut zusammen.
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Doch die Fülle und das „Ausverkauft“-Schild am Office sollten nicht die einzigen Parallelen zur 2016er-Show bleiben. Auch der Support kam uns bestens bekannt vor. Apropos bekannt: Die Diskussionen um die mehr als umstrittene BDS-Kampagne brachten Young Fathers kürzlich sogar in den Feuilleton-Bereich großer deutscher Tageszeitungen. Die Gruppe aus Edinburgh, Schottland, wurden von der Bochumer Ruhrtriennale erst ein-, dann aufgrund der Unterstützung der BDS-Bewegung wieder aus- und zuletzt doch wieder eingeladen. Weit weniger skandalös ging der rund 30-minütige Supportauftritt im Palladium vorbei. Die typisch eklektisch-hektische Mischung aus HipHop, Pop und Electronica ging mit pumpenden Percussions wie immer gut nach vorne. Eine durchaus mitreißende Performance von Alloysious Massaquoi, Kayus Bankole, ‚G‘ Hastings und ihrem Percussionisten, die im späteren Verlauf des Abends die Bühne noch zweimal für den gemeinsam mit Massive Attack aufgenommenen Tracks Voodoo In My Blood und Way Up Here entern sollten.
Die Umbaupause danach fand kurz nach 21 Uhr ihr Ende. Zunächst entzückte die siebenköpfige Live-Band um die Massive Attack-Masterminds Robert „3D“ Del Naja und Grant „Daddy G“ Marshall die Fans der ersten Stunde. Denn das mit Hymn Of The Big Wheel mal ein Song vom 1991er-Debütalbum Blue Lines den Weg ins Set findet, der nicht Unfinished Sympathy oder Safe From Harm heißt, passierte in den vergangenen Jahren doch sehr selten. So konnte Roots-Reggae-Legende Horace Andy das Publikum direkt zu Beginn mit seiner unverwechselbaren Stimme betören, wie er es später noch drei weitere Male bei Girl I Love You, dem abschließenden Splitting The Atom und dem unfassbar mächtig drückenden Angel tun sollte. Den Gaststars damit nicht genug. Für die bereits erwähnten Blue Lines-Klassiker, im Original von Shara Nelson eingesungen, wurde erneut Deborah Miller mit auf Tour genommen, die ihren Job ausgezeichnet erledigte.
Achtung, Ablenkung!
Die Visuals waren Massive Attack-typisch farben- und wortgewaltig wie immer. Für jeden Tag neu in Landessprache und aktuell einprogrammiert, flirrten in der Rheinmetropole unter anderem „Blamage gegen Suedkorea“ und „Union droht an Fluechtlingsfrage zu zerbrechen“ nebst allgemeineren, eindeutigen Appellen an die Menschlichkeit über die beeindruckend opulente LED-Wand. Wie immer gilt: Man droht, davon abgelenkt zu werden und nicht mehr auf die Musik zu achten – was der Trupp aus Bristol aber möglicherweise genau so beabsichtigt.
Der einzige Wermutstropfen an diesem Abend, an dem das Palladium zumindest in der vorderen Hallenhälfte mit glasklarem Sound bestach, war die Länge. Im Vergleich zur 2016er-Show gestaltete sich der Gig mit nur knapp 90 Minuten recht kurz, insbesondere die ewige Gänsehautballade Teardrop fehlte zum Leidwesen vieler Besucher.
Setlist MASSIVE ATTACK @ Köln, Palladium (28.06.2018)
01. Hymn Of The Big Wheel
02. Risingson
03. United Snakes
04. Ritual Spirit
05. Girl I Love You
06. Eurochild
07. Future Proof
08. Voodoo In My Blood
09. Way Up Here
10. Angel
11. Inertia Creeps
12. Safe From Harm
13. Take It There
14. Unfinished Sympathy
15. Splitting The Atom