Das Pfingst-Wochenende: Für viele Anhänger der Gothic-Szene in Deutschland und weltweit ist klar, in welcher Stadt man sich an diesen Tagen zu befinden hat. Zum 32. Mal färbte sich das Stadtbild Leipzigs schwarz, fast 200 Bands und Solo-Acts spielten quer über die sächsische Metropole verteilt, hinzu kamen zahlreiche Partys, Lesungen, Panels und andersartige Zusammenkünfte, die zum größten Teil mit Festivalbändchen zugänglich waren.
DONNERSTAG
Dies gilt beispielsweise für das traditionelle EBM-Warm-up im Felsenkeller am Donnerstag vor dem Beginn des eigentlichen Treffens. Für die Organisatoren war spontanes Handeln gefragt. Mit Verrottet und Coinside mussten gleich zwei Acts wenige Tage respektive Wochen vorher absagen. Der eine Ersatz, der den langen Abend eröffnen sollte, passte musikalisch nur mäßig. Denn Oszylayter, das noch recht neue Projekt von Full Contact69-Fronter Andreas Schubert, ist eher im Big-Beat-Bereich anzusiedeln. Heißt: Wer es mit The Prodigy, den Chemical Brothers oder Pendulum hält, dürfte hier mächtig Spaß gehabt haben – das Debütalbum „Hate This Day“ ist seit November 2023 erhältlich. Das Publikum reagierte größtenteils aber noch recht zurückhaltend. Die Meisten schienen auf klassischen Sequenzer-Stampf gewartet zu haben. Den gab es im Anschluss aber von den einsprungenen NordarR, die mit „Ein Mann mehr“ oder „RIP“ schon deutlich lautere Reaktionen ziehen konnten.
Von Oldschool-EBM ein gewisses Stück entfernt ist auch die Musik des Australiers Marc Dywer. Allerdings traf Buzz Kull, so sein Künstlername, gehörig den Nerv des nun dicht vor der Bühne gestaffelten Publikums. Hämmernde Drums und minimale Synths treffen auf New-Beat-Einflüsse und Cold-Wave-Gesang, nicht allzu weit von Ultra Sunn entfernt. Gerade „Into The Void“ an fünfter Stelle wurde laut bejubelt, das Stück hat sich in der jüngeren Vergangenheit zu einem Club-Hit gemausert. Von Buzz Kull dürften wir, entsprechende Live-Präsenz auf Szene-Festivals vorausgesetzt, sicher noch einiges hören – zu sehen gab es auf der fast völlig ausgedunkelten Bühne leider nichts. Im Anschluss präsentierte sich mit Kreign ein rarer Gast auf deutschen Bühnen. Die im Band-Kontext stets maskierten US-Amerikaner veröffentlichten im vergangenen November die LP „Kreign II“ und stehen für EBM-Instrumentals der alten Schule. Der Gesang? Irgendwo zwischen Gehauche und Gefauche und leider überhaupt nicht dem Geschmack des Schreibers dieser Zeilen entsprechend. Da sich langsam auch die fast sieben Stunden Anfahrt in den Knochen bemerkbar machten, verzichtete ich schwer gähnend und schweren Herzens auf die noch folgenden Kontravoid und Absolute Body Control, die bis nach 2 Uhr für Sauna-Temperaturen im bestens gefüllten Felsenkeller sorgten.
FREITAG
Eine dringend nötige Mütze Schlaf, ein supernettes Fan-Treffen mit Honey und M.A. Peel von Welle:Erdball in der Innenstadt-Kneipe Dr. Faustus und knappe 16 Stunden später ging es dann so richtig los. Im Täubchenthal ergab sich tatsächlich die Möglichkeit, einem alten Studienfreund beim Musizieren (präziser: Schlagzeug spielen) zuzuschauen und zuzuhören – das passiert im Rahmen eines Events wie dem WGT wahrlich nicht alle Tage. Sweet Ermengarde eröffneten in der schnieken Location im Leipziger Westen mit elegischen Gothrock. Auf der Setlist standen vielen Songs des 2024er-Albums „Sacrifice“ – kein Wunder, ist es doch das erste mit dem neuen Sänger Drew Freeman. Nicht nur wegen dessen rauen, tiefen Timbre passt wohl am ehesten der Vergleich mit Fields Of The Nephilim. Denn auch Sweet Ermengarde trauen sich gerne mal an komplexe, lange Stücke, aber auch knackige Hymnen mit eingängigen Refrains. Dass technisch nicht alles glatt lief und beispielsweise kurz vor Schluss Freemans Mikro für mehr als eine Minute ausfiel, verlieh der Begeisterung des Publikums keinen Abbruch.
Vom tiefen Westen Leipzigs ging es per Linie 31 in den tiefen Süden. Für Viele stellt der Agra-Messepark das Herzstück des WGTs dar. Dort wird gecampt, dort steht die größte Devotionalien- und Fashion-Auswahl, dort spielen die bekanntesten Bands. Raum für ungruftige Experimente blieb trotzdem. Das Bossa-Nova-Coverprojekt Nouvelle Vague verorten die meisten Musikhörer sicher nicht bei Schwarze-Szene-Events. Doch die reduzierten, von Mélanie Pains und Phoebe Killdeer gesungenen Versionen von Wave-Klassikern wie Tears For Fears’ „Shout“, Depeche Modes „Just Can’t Get Enough“ oder Grauzones „Eisbär“ kommen gut an. Ein glamouröser Farbtupfer in all dem Schwarz.
Es ging weiter mit tollen Frauenstimmen. Genauer gesagt: einer tollen Frauenstimme. Skynd aus Australien sind rare Gäste auf deutschen Bühnen. Hinter dem Projekt, deren Sängerin sich weiterhin in Anonymität hüllt, steht ein Konzept: Die Songs thematisieren True-Crime-Geschichten, tragen oft einschlägige Titel wie „Columbine“, „Richard Ramirez“ oder, ganz frisch veröffentlicht, „Aileen Wuornos“. Auf das Zeigen der oft mit viel Aufwand produzierten Musikvideos, die nicht immer ganz jugendfrei sind, wurde verzichtet, Skynds Stimme allein war aber packend genug. Die Dame wechselt mühelos zwischen kindlichem Gesäusel, opernhaften Diven-Gesang und kraftvollem Rock-Organ, die Hooks auf zumeist Industrial-rockigem Unterbau sitzen. Ein frühes Highlight des diesjährigen WGT. Beim Amphi und bei Wacken werden Skynd noch zwei weitere Auftritte in Deutschland absolvieren, Hingehen lohnt!
Mittlerweile war es im Inneren der Agra sehr voll geworden. War es der tolle Auftritt von Skynd? Oder doch schon die pilgernde Schar von Neugierigen, die unbedingt die Performance des prominentesten und international erfolgreichsten Acts des WGT 2025 verfolgen wollten? Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Jedenfalls kam es bei Alphaville zum Einlassstopp. Marian Gold, der die 70 mittlerweile durchschritten hat, wird mittlerweile von zwei Gastsängerinnen unterstützt, die ihren Job deutlich hörbar, aber nicht zu aufdringlich erledigten. Live-Auftritte von Alphaville sind ohnehin Geschmackssache. Einige Lieder durchlaufen auf der Bühne eine klangliche Metamorphose, ein „A Victory Of Love“ beispielsweise ist im Vergleich zur Albumversion von 1984 kaum noch zu erkennen. Darüber hinaus neigt Marian Gold manchmal dazu, mehr zu schreien denn zu singen. Was er sich am späten Freitagabend diesmal zum Glück kniff. Das Alter machte sich dennoch stellenweise bemerkbar. Schon witzig, wie der gebürtige Herforder an zweiter Stelle zu „Dance With Me“ wild tanzte – um die darauffolgende Zwischenansage schwer schnaufend ins Mikro zu japsen. Die Kondition war aber da, in der Folge lieferten Alphaville ein Hit-Feuerwerk mit den wichtigsten Klassikern. Gerade das Doppel aus „Sounds Like A Melody“ und dem ewigen „Forever Young“ wurde wenig überraschend sehr laut mitgesungen und kreierte Jubelstürme in der Agra. Was sich auch bei den Schweden Kite, den vielleicht beliebtesten Vertretern der aktuellen Synthie-Pop-Generation, im Anschluss zur Geisterstunde nicht ändern sollte.
SAMSTAG
Der Samstag hielt in der Agra unter anderem zwei ganz besondere Highlights für Liebhaber von Oldschool-EBM parat. Spetsnaz, die das totgeglaubte Genre mit ihrem Album „Grand Design“ 2003 quasi wiederbelebten, spielen nach jahrelanger Pause wieder einzelne Konzerte. Nach dem E-Tropolis in Oberhausen Ende März reisten Drummer Stefan Nilsson und Sänger Pontus Stahlberg nun zu einem zweiten Deutschland-Gig nach Leipzig, um vorwiegend Klassiker zu performen. Mit „Hate“ schaffte es immerhin ein unveröffentlichtes Stück in die Setlist, zuvor entzündeten „Allegiance“, „Silence Implies Consent“ oder „Free Fall“ den Pit. Spätestens mit „Apathy“ erreichte die Stimmung ihren Höhepunkt und etwaige Mensch-Maschinen (die mit trainiertem nackten Oberkörper, nicht die mit roten Hemden und schwarzer Krawatte) tobten sich wie gewohnt ohne Rücksicht auf Verluste aus. Hat Spaß gemacht – und zumindest für Pontus sollte der Arbeitstag noch nicht beendet sein.
Zeit für musikalische Abwechslung, auf in Richtung Heidnisches Dorf. Was für ein Kontrastprogramm, denn dort spielten Kupfergold. “Fasan Alarm“, das aktuelle Album der Folk-Gruppe um Sängerin Bonnie Banks, kletterte eine Woche vor dem WGT auf einen bemerkenswerten Chartplatz 14. Wenn man bedenkt, wie erfolgreich musikalisch ähnlich gelagerte Gruppen wie Versengold oder Mr. Hurley und die Pulveraffen aktuell sind, dürfte dies noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Starke Stimme, sympathisch-lockere Zwischenansagen und griffige Mitsing- und Schunkel-Refrains, die sich vor Kraftausdrücken nicht immer scheuen (Anspieltipp: „Am Arsch“) – das Erfolgsrezept hat in der jüngeren Vergangenheit schon bei vielen reinen Männerbands funktioniert. Im Dezember sind Kupfergold Teil von Subway To Sallys „Eisheiliger Nacht“ und dürften ihre Fangemeinde dort weiter vergrößern. Der vom vormittäglichen Regen leicht angeschlammte Platz vor der Bühne war bestens gefüllt, die Stimmung großartig.
Das sollte sich bei den nachfolgenden Stahlmann nicht ändern. Bei Martin Soer und Mitstreitern weiß man eben, was man bekommt. Neue Deutsche Härte in Reinform, mit allen Stärken und Schwächen, die dieses musikalisch wie lyrisch zumeist recht limitierte Genre so mit sich bringt. Hits schreiben können Stahlmann zweifellos, wie „Der Schmied“, „Süchtig“ oder „Schwarz“ vor euphorischem Publikum einmal mehr bewiesen. Dass Soer & Co. nie so richtig den großen Sprung schafften, dürfte vermutlich am Überangebot im Genre liegen. Für grundsolide Performances sind die Herren mit Vorliebe für silberne Gesichtsschminke aber immer zu haben, so auch an diesem Samstagabend.
Nach gut 60 Minuten voller Stakkato-Tieftöner-Riffs stand der Rückweg zur Agra-Halle an. Denn uns erwartete nicht mehr und nicht weniger als die Wiedergeburt einer EBM-Legende. Im Februar 2020 veröffentlichten Pouppée Fabrikk ihr Album „Armén“, spielten auf dem E-Only-Festival in Leipzig ein Konzert – und dann legte Corona die Welt lahm. Tourpläne wurden verworfen, Frontmann Henrik Björkk kümmerte sich um Nebenprojekte wie das Ritual-Dark-Ambient-lastige Maschinenzimmer 412. Die Fans des Hauptprojekts schauten in die Röhre, Pouppée Fabrikk gaben keinen Mucks mehr von sich. Nun also nach fast 5,5 Jahren endlich wieder ein Auftritt – und was für einer. Knaller von „Armén“ wie „Only Control“ oder das in Muttersprache verfasste „Kom ta min smärta“ gesellten sich zu Klassikern wie „Watch Your Sex“, „Weak Men“ oder dem unerbittlich hämmernden „Stahlwerk“. Zum Brecher „T.O.T.D.N.“ von 1991 erhielt der Zwei-Meter-Hüne Björkk Unterstützung von Spetsnaz-Pontus, der in einem unfreiwillig komischen Moment offensichtlich gut angeheitert erst einmal ein funktionierendes Mikro suchte, sowie Torny Gottberg von Project-X. Und hinten raus? „Summon The Spirits“, „Die Jugend“ und „Keine Zukunft“. Ein Auftritt, der wohl jeden Fan der Brachial-EBMer zufrieden stellte. Hoffentlich verschwinden Björkk, Leif Holm und Christian Riemslag jetzt nicht wieder über einen derart langen Zeitraum von der Bildfläche – immerhin ein weiterer Auftritt mit Spetsnaz beim „Bodyfest“ in der schwedischen Heimat für Oktober wurde bereits angekündigt.
Wo wir gerade bei „brachial“ waren: Für den Agra-Abschluss sorgten Combichrist. Im Gegensatz zur Tour in 2024, wo die Setlist fast ausschließlich aus der aktuellen LP „CMBCRST“ bestand, packte Andy LaPlegua nun glücklicherweise wieder zahlreiche Klassiker aus. „All Pain Is Gone“, „Throat Full Of Glass“ und „Get Your Body Beat“, allesamt minimum 15 Jahre alt, sorgten für Top-Stimmung bis in die hinteren Reihen. Später folgte noch „Electrohead“, traditionell eines der beliebtesten Lieder in der an Genre-Wechseln reichen Bandgeschichte. Eine Handvoll „CMBCRST“-Songs gab es hinten raus doch noch, dazu einen brandneuen Song. „Desolation“ wurde erst tags zuvor veröffentlicht und überrascht mit elektronisch-melodiösem Tönen, die an LaPleguas andere Band Icon of Coil erinnern. Zweifelsohne ein Stück mit Hit-Potenzial! Zum Abschluss gab es noch ein fett peitschendes „Never Surrender“ um die Ohren – dann war Tag 3 des diesjährigen WGT-Wochenendes Geschichte.
SONNTAG
Der Sonntag machte es mir einfach: Haus Leipzig von Anfang bis Ende, mit einem elektronischen Höhepunkt nach dem anderen. Dahinter mussten weitere Highlights und Raritäten wie Light Asylum oder das Silke-Bischoff-Comeback mit Veljanov und Sven Friedrich am Mikro leider zurückstecken – man kann sich eben nicht drei- oder gar vierteilen. Kalt aus Frankreich setzten im schon gut gefüllten Venue erste prägende Akzente, dann ging die Party mit Sturm Café und Hits wie „Europa!“, „Scheissnormal“ und insbesondere „Der Löwe ist zurück“ so richtig ab. Noch mehr „Elektronisk kropps musik“ kam von Container 90, bei denen Frontmann Ron leider immer mal wieder Probleme mit den In-Ears hatte, was er tags darauf via Social Media auch zugab. Die daraus entstehenden Timing-Schwierigkeiten taten der Stimmung aber keinen Abbruch – der Schlachtruf „NORTH! SOUTH! EAST! WEST! EBM UNITED!“ erklang aus Hunderten Kehlen.
Ganz so lang wie der nun folgende Act ist das schwedische Duo aber nicht im Geschäft. Thomas Lüdke versprach zum 40. Geburtstag von The Invincible Spirit eine Jubiläumsshow mit Gast – hierbei sollte es sich um Chris von Chrom handeln, der einen Tag später mit seinem regulären Projekt im Felsenkeller auftreten sollte und Lüdke bei „Hate You“ stimmgewaltig zur Seite stand. Die Setlist ließ kaum bis keine Wünsche offen: „Love Is A Kind Of Mystery“, „Contact“, „Provoke You“, „Irregular Times“ oder auch das Joy-Division-Cover „Atmosphere“ – Lüdke, begleitet durch Anja und Tank an den Keys, sang sich durch sein beeindruckendes Œuvre, während die Temperatur vor der Bühne immer weiter stieg. Bei „Push!“ gab es dann erst recht kein Halten mehr, und das zackige „Make A Device“ sorgte für den fulminanten Schlusspunkt. Eine wahrlich gelungene Zeitreise!
Dieses Wort passt auch perfekt zum letzten Act des Abends. Ohne die Hits von Calva Y Nada kam in den 90er-Jahren kaum ein Düsterdisco-DJ aus, nach dem 1998er-Album „Schlaf“ war es aber vorbei mit der Herrlichkeit. Ein Vierteljahrhundert ließ Constantin Warter alias Breñal sein Projekt ruhen, bevor es beim Amphi Festival 2023 völlig überraschend wieder auf der Bühne stand und rundum begeistern konnte. Es blieb aber seither ruhig, im Folgejahr stand ein Auftritt in Zwickau an, nun mit der Performance am WGT-Sonntag eine von Zweien in 2025 (die andere gab es im Mai in Gent). So legte Warter gut erholt los und füllte die 90 Minuten Spielzeit durchgehend mit viel Energie. An der Setlist gab es nix zu meckern, „Fernes Leid“, „Rascheln“ und „Der Sturm“ gegen Ende sorgten für lauten Jubel. Besonderer Erwähnung bedarf hier noch die Leistung der Keyboarderin, dem Vernehmen nach Warters Tochter, die an den Tasten voll überzeugte. Großer Jubel brandete abschließend auf, als Breñal zur Verabschiedung eine weitere Show ankündigte. Am 28. Februar sind Calva Y Nada nach zwei Jahren erneut Headliner beim „Elektrisch Festival“ im Zwickauer Club Seilerstrasse – mit dabei sind Tyske Ludder, Prager Handgriff und The Psychic Force.
MONTAG
An gleicher Stelle sollte der Montag beginnen. So ein Festival soll ja dazu da sein, neue Bands zu entdecken. Was mit A Cloud of Ravens formidabel funktionieren sollte. Matthew McIntosh und Beth Narducci gehörten zu den Acts mit der längsten Anreise, das Duo stammt aus New York und befindet sich aktuell zum zweiten Mal in der erst jungen Bandgeschichte auf einer kurzen Europa-Tour. Musikalisch ist das Gebotene irgendwo zwischen Dark Wave, Post Punk und Alternative Rock einzuordnen, McIntosh bringt einen Großteil des Gesangs und Gitarre, Narducci ergänzende Vocals und Bass. Die Drums kommen aus der Dose – nicht ungewöhnlich in diesen Genres. Die Songs, größtenteils vom aktuellen Album „Lost Hymns“ stammend, sind gespickt mit starken Melodien und Refrains. Wenig überraschend also war der Jubel lauter Natur und die Schlange am Merchstand nach der Show recht lang. McIntosh und Narducci verkauften CDs, Vinyl und Shirts gänzlich selbst und waren sehr empfänglich für Small Talk. Ein rundum gelungener Auftritt, auf den hoffentlich weitere in Deutschland folgen werden. Kurios: Wenige Meter weiter tauchte plötzlich John „Johnny Rotten“ Lydon auf. Der frühere Sänger der legendären Sex Pistols war tags zuvor mit Public Image Ltd. beim WGT aktiv und hatte es mit der Abreise offenbar nicht zu eilig. Gut gelaunt setzte er seine drei Kreuze unter einige Bücher und Platten – schön, wenn sich so eine Ikone so fannah präsentiert.
Was für Punker die Sex Pistols sind, sind womöglich KMFDM für Industrial-Rock-Anhänger. In den 90ern prägte die Hamburger Formation das Genre wie kaum eine andere. 1999 gingen die Stamm-Mitglieder Sascha Konietzko, Günter Schulz und En Esch aber getrennte Wege. Letzterer musiziert seit 2009 gemeinsam mit Sängerin Mona Mur. Letztere ist mit ihrem unverwechselbar düsteren Diva-Timbre seit Anfang der 80er-Jahre unterwegs. Im wunderschönen Volkspalast spielte das Duo von Live-Drums unterstützt eines seiner seltenen Konzerte und war erstmals seit 2010 beim WGT zu Gast. Mal schnell und rockig, mal langsam und lasziv spielt sich Mur und Esch durch ihre Platten und erhielten vom leider nicht allzu zahlreich anwesenden Publikum kräftigen Applaus. Ein besonderer Auftritt mit kurzweiligem, abwechslungsreichem Cabaret-Rock, ein sehr interessanter Farbtupfer im Line-up.
Gleiches gilt für Mode in Gliany, der in der Kantine des Volkspalasts zu sehen und zu hören war. Durchaus minimalistisch, aber doch variantenreich musizierte sich Boris Völt, bei einigen Stücken unterstützt durch eine Sängerin mit sphärischer Stimme, durch sein Set. Sein Sound ist irgendwo zwischen Minimal Wave, Dreampop und Techno einzuordnen. Das perfekte Konzert für alle, die einfach mal elektronische Musik zum Entspannen, aber nicht Einschlafen hören wollten.
Dann stand die letzte von zahlreichen Straßenbahnfahrten des Wochenendes an. An dieser Stelle seien die Leipziger Verkehrsbetriebe ausdrücklich gelobt, die über vier Tage logistische Höchstleistungen vollbrachten und angenehm zuverlässig unterwegs waren. Ziel war der Felsenkeller – ein letzter Tanz zu Sequenzer-Sounds und Stampfbeats musste noch sein. Orange Sector, mittlerweile verstärkt durch Zweite-Jugend-Fronter Eli van Vegas an den Drums, lieferten 60 Minuten EBM in Reinkultur. Natürlich durfte dabei der Überraschungs-Social-Media-Hit „Farben“ nicht fehlen, der, wie Sänger Martin Bodewell stolz feststellte, inklusive aller Remixe „nun schon die 40-Millionen-Grenze auf Spotify knackte“. Was für ein Erfolg für einen kleinen Szene-Act. So ging es unter anderem mit „Der Maschinist“, „Alles dreht sich im Kreis“, „Gold“ und dem abschließenden „Für immer“ in die Vollen, in Reihe eins hüpfte Andrea, Ehefrau von OS-Mitglied Rene, kräftig mit und machte abschließend noch ein Foto der Band mit den Fans – Zeit für Live-Auftritte des gemeinsamen Projekts Ad:Key wäre übrigens auch mal wieder. Aber das nur nebenbei. Funfact: Von Orange Sector gab es am Merchtisch Badelatschen zu kaufen. Falls noch jemand welche für den Sommerurlaub braucht …
Und dann war das 32. Wave-Gotik-Treffen zu Ende. Es gab noch so viele weitere tolle Konzerte, Partys und Gespräche, die wir hier gar nicht alle aufzählen und beschreiben können. Den Organisatoren ist es zweifelsohne einmal mehr gelungen, ein abwechslungsreiches Line-up mit Top-Acts wie vielversprechenden Newcomern zu booken – die Nachfrage war vielerorts so groß, dass es zu stundenlangen Einlassstopps kam. Die lassen sich in den zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten leider nicht verhindern. Von daher: Sehen wir das Positive. Und davon gab es ganz viel. Wer schon mal in Vorfreude schwelgen und eines der leider immer teurer werdenden Hotelzimmer buchen mag: Ausgabe 33 folgt vom 22. bis 25. Mai 2026.
Viele weitere Fotos von verschiedensten Bands sowie den wie immer gut besuchten Picknicks findet Ihr in unseren Galerien:
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Freitag 06.06.2025 (Danny Sotzny)
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Freitag 06.06.2025 (Christine Heinrich)
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Freitag 06.06.2025 (Thomas Bunge)
Fotos: VIKTORIANISCHES PICKNICK Teil 1, 32. Wave-Gotik-Treffen (WGT), 06.06.2025
Fotos: VIKTORIANISCHES PICKNICK Teil 2, 32. Wave-Gotik-Treffen (WGT), 06.06.2025
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen vom Samstag 07.06.2025 von Danny Sotzny
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Samstag 07.06.2025 von Christine Heinrich
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Samstag 07.06.2025 von Thomas Bunge
Fotos: Steampunk Picknick @ 32. Wave-Gotik-Treffen vom Samstag 07.06.2025
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Sonntag 08.06.2025 von Danny Sotzny
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Sonntag 08.06.2025 von Christine Heinrich
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Sonntag 08.06.2025 von Thomas Bunge
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Montag 09.06.2025 von Danny Sotzny
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Montag 09.06.2025 von Christine Heinrich
Fotos: 32. Wave-Gotik-Treffen – Montag 09.06.2025 von Thomas Bunge Thomas Bunge