Bizarr und schräg wurde es neulich im Gebäude 9 in Köln: Xiu Xiu und Kee Avil als Support bannten das Publikum mit ihrem experimentellen Avant-Pop und bewiesen, dass Musik wirklich Kunst ist.
Support: KEE AVIL
Eingeleitet wird der Abend von der kanadischen Produzentin Kee Avil. Sie macht Musik, die wirklich in keinem Genre festzuhalten ist: Experimentelle, elektronische Klänge, multi-rhythmische Glitches, verzerrte Gitarrenriffs, und alles getoppt mit emotional-melancholischen Vocals. Man kann sie mit vielen Artists vergleichen, aber das würde sie in der Summe niemals ausreichend beschreiben: Vom Vibe her hat ihr Gesang viel von Chelsea Wolfe, irgendwie Folk, aber in Düster, sie haucht ihren Mezzosopran wie Billie Eilish, aber mit dem wirren Electro, à la Aphex Twin, erinnert man sich dabei eher an Fever Ray oder Björk. Auf der Bühne bewegt sie sich langsam und bedacht, mit einem hämischen Lächeln auf den Lippen und geschlossenen Augen – man sieht, wie sie ihre eigene Musik spürt und sich darin verliert; und das steckt an!
Lass Dir den Beitrag vorlesen:
Ihre Musik passt perfekt zu der von Xiu Xiu. Mit einem männlichen Support an den E-Drums wirkt der Auftritt sowieso wie der einer Gender-Bender-Tribute-Band zu Xiu Xiu, in der Kee die weibliche Version von Jamie Stewart stellt und ihre Begleitung die männliche Version von Angela Seo. Sie lebt ihre Musik auf eine ähnliche Art und Weise und lässt die Musik für sich selbst sprechen, als wäre sie lediglich das Sprachrohr für die Stimme der Kunst, die wie ein Werkzeug der Kommunikation benutzt werden möchte.
Weblinks KEE AVIL
Webseite: keeavil.com
Bandcamp: keeavil.bandcamp.com
Instagram: instagram.com/keeavil
Facebook: facebook.com/keeavil
YouTube: youtube.com/@keeavil
Spotify: open.spotify.com/artist/178F3Nm61BKsUtDP3egSoR
XIU XIU
Als Xiu Xiu auf die Bühne treten, ist sofort gute Stimmung: Jamie Stewart, Langzeit-Kollaborateurin Angela Seo, und seit kurzer Zeit auch Drummer David Kendrick (Sparks, Devo) konnten das Gebäude 9 bis zum Anschlag füllen und die Fans waren sofort in Jamies Bann. Anders als bei anderen Bands ist auch zu bemerken, dass das Publikum so wild und divers ist, wie die Musik von Xiu Xiu: Vom Alter her sehr durchmischt, aber auffällig sehr junger Schnitt, besonders für eine Band, die demnächst ein Vierteljahrhundert alt wird. Individuen könnte man nicht mit einem Begriff wie “Goth”, “Punk”, oder “Hipster” einfangen, Erscheinung und Gender-Representation waren zum größten Teil so schwer einzusortieren wie Xiu Xiu’s Sound in ein Genre.
Jamies Performance ist unter Fans bekannt für seine extreme Energie und schlagartigen Wechsel an Stimmungen. Und dieses mal wird über die Bühne getobt, umher geschrien, herum gealbert (auf eine ernste Art und Weise), und sich verausgabt, wie man es sonst nur von einer jungen Punk-Band erwarten würde. Da nimmt man ihm auch nicht übel, dass die Pausen zwischen den Songs besonders lange dauerten im Vergleich zu herkömmlichen Pop-Bands – Jamies hartes nach Luft schnappen war in der Stille zwischen den Stücken mit Sicherheit bis nach ganz hinten zu hören. Der Schweiß stand ihm bereits nach dem dritten Song im Gesicht. Ein harter Kontrast dagegen Seo, die mit ihrer stoischen Erscheinung, komplett ohne Regung im Gesicht, sich kaum mehr bewegte, als das aktuelle Instrument ihrer Wahl es nötig hatte. Umso gewaltiger, wenn sie dann bei einigen Stücken nicht nur spricht und singt, sondern lautstark schreit! Das fühlt man dann in den Knochen um so mehr.
Kreatives Instrumentarium
Stichwort Instrumente: Es ist auch immer wieder spannend zu beobachten, welche merkwürdigen, teilweise selbstgebastelten Instrumente in den Avantgarde-Stücken so zum Einsatz kommen. Kaum welche davon kann ich benennen, entweder weil ich keine Ahnung habe, um welches Instrument es sich handelt, oder ob es sich überhaupt um ein Instrument handelt, das einen Namen hat. Eine Kuhglocke, an die ein vibrierendes Ei geklebt wurde…? Eine lange, dehnende Spirale, in die reingesungen wird…? Was auch immer, die Hauptsache ist, es klingt gut und passt zum Song und zum emotionalen Klang.
Und zum Thema Kunst: Ich finde, man sieht an einem Song ganz besonders, wie Jamie zur Musik als Ganzes steht: Sad Pony Guerrilla Girl wurde ungefähr im Jahr 2000 erstmalig für seine Band Ten In The Swear Jar geschrieben (Originaltitel: Sad Girl) und später für Xiu Xiu weiterentwickelt. Diese Weiterentwicklung hat keineswegs dort Schluss gemacht, denn der Song hat sich seitdem stetig weiterentwickelt: Bei jedem Live-Konzert scheint es, als hätte Jamie seinen eigenen Song nochmal neu gecovert, und genau so verhält es sich mit all seinen Songs. Musik ist fluide, Musik muss fließen und sich entfalten, fernab von festgelegten Wegen und Barrieren. Die Kunst hierbei ist, die Musik zu befähigen, sich gemäß ihren eigenen Bedürfnissen zu entfalten – genau das gelingt Xiu Xiu. Das Konzert wurde mit nur einer einzigen Zugabe beendet, für die Jamie alleine auf deiner Bühne steht, mit der E-Gitarre in der Hand und einer zittrigen, verletzlichen Gesangsstimme im Mund. Somit endet der Abend auf einer emotionalen Note.
Weblinks XIU XIU
Webseite: xiuxiu.org
Bandcamp: xiuxiu.bandcamp.com
Instagram: instagram.com/xiuxiuforlife
Facebook: facebook.com/xiuxiuforlife
YouTube: youtube.com/xiuxiuforlife
Spotify: open.spotify.com/artist/5JLqvjW3Nyom2OsRUyFsS9