Eine letzte große Party im alten Jahr: Die gab es im Oberhausener Kulttempel vier Tage vor dem Jahreswechsel. Wer dabei sein wollte, musste aber zeitig Karten kaufen. Die intime Clubshow der schwedischen Synth-Ikonen Covenant war auf Monate ausverkauft. Im Voraus versprach die Gruppe aus Helsingborg eine besondere Setlist mit vielen Raritäten – und hielt Wort. Zuvor regierten aber erstmal rund 40 Minuten lang schmetternde Beats.
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Denn Ultra Sunn wurden eingeladen, ihr bislang erfolgreichstes Jahr gebührend abzuschließen. Rund um die Veröffentlichung des Debütalbums Us im April gab es gleich zwei Headliner-Touren in den USA – absolut bemerkenswert für einen musikalischen Nischen-Act aus Belgien. Immer wieder standen darüber hinaus Konzerte in verschiedensten europäischen Ländern an, zahlreiche Festivals inklusive. Nun also der Support-Slot für Covenant, deren Fanbasis zumeist mehrere Stimmungs- und Stilwechsel während Konzerten gewohnt ist.
Bei Gaelle Souflet, Sam Huge und Live-Mitglied Alexis Andrigo herrscht hingegen noch eine eher kompromisslose Attitüde. Vier-Viertel-Takt-Stampf-EBM-Beats, Eurobeat-Bässe und die melancholische Stimme von Sam geben eine ins Tanzbein hämmernde, aber eben auch recht homogene (kritischere Zungen würde sagen: abwechslungsarme) Mischung ab. Wer darauf steht, mal schmetternde Body Music zu hören, die nicht wie die siebenundsiebzigste DAF-, Nitzer-, oder Front-Kopie klingt, müsste hier dran seine wahre Freude haben. Dass Ultra Sunn in diesem recht eng gehaltenen musikalischen Konzept die Melodien und Hooks für tolle Songs nicht ausgehen, bewiesen sie jedenfalls auf Us, von dem es überraschenderweise lediglich drei Stücke sowie das hier als Intro genutzte Album-Outro The House ins Set schafften.
Spaß hatten dann letztlich scheinbar recht viele der Anwesenden. Mit fortschreitender Auftrittsdauer wurde der Applaus lauter und gerade die älteren Stücke Keep Your Eyes Peeled und Night Is Mine kannte dann doch wohl schon der eine oder andere Fan aus den einschlägigen Szene-Diskos. Mit ausgiebigen Zwischenansagen hielt sich Sam zurück, oft lassen Ultra Sunn in ihrem dreiköpfigen Live-Line-up für solche aber ohnehin keinen Raum, da die Lieder nicht selten direkt ineinander übergehen, wie in einem Techno-DJ-Set. Nach 40 Minuten konnte man auch der eher elegant-zurückhaltend agierenden Keyboarderin Gaelle ein freundlich-fröhliches “Merci beaucoup” von den Lippen ablesen, Sam drückte dem wohl einzigen Fan im Kulttempel mit Ultra-Sunn-Bandshirt am Körper zu dessen großer Freude die Setlist in die Hand – und dann ging das Licht wieder an.
Setlist ULTRA SUNN – Oberhausen, Kulttempel (27.12.2024)
01. The House (Intro)
02. Some Ghost Could Follow
03. Young Foxes
04. The Speed
05. Broken Monsters
06. Lost & Found
07. Out Of The Cage
08. Can You Believe It?
09. Keep Your Eyes Peeled
10. Night Is Mine
Covenant-Sänger Eskil Simonsson verfolgte Teile des Ultra-Sunn-Auftritts übrigens ebenfalls aus dem Publikum raus, dies lächelnd und mitwippend. Immer schön, wenn Mitglieder etablierter Bands dem Nachwuchs den nötigen Respekt zeigen und diesen unterstützen. Gut aufgelegt zeigte sich Eskil dann auch während des fast zweistündigen Auftritts, der auch für Covenant der letzte im Kalenderjahr 2024 war. Noch tags zuvor fragte der Sänger in den Sozialen Medien nach Songwünschen – die kurze Tournee mit Shows beim Chemnitzer Festival Dark Storm, in Frankfurt sowie in Oberhausen stand im Zeichen der Raritäten. Und was soll man sagen, Covenant haben nicht enttäuscht.
Die meisten im dicht gestaffelten Publikum dürften sich eher nicht mehr daran erinnern können, wann sie Phoenix vom Sequencer-Album oder die Ballade Not To Be Here von der Leaving Babylon-LP zum letzten Mal live hören durften. Vor ersterem gab Eskil sogar zu “that this is a surprise song for you. But it was also a surprise for us that some of you want to here that“. Covenant gehören traditionell zu den leider immer weniger existierenden Bands, die immer mal Raritäten und älteres Material abseits der bekannten Clubhits auspacken. An diesem Abend trieben Simonsson, Daniel Jonasson und Daniel Myer das Ganze aber auf die Spitze. Auch Lieder wie Thy Kingdom Come, No Mans Land (hier hat sich Myer in Sachen Instrumental hörbar sehr verdient um eine Auffrischung gemacht) oder das in der ersten Zugabe enthaltene Voices vom Debütalbum Dreams of a Cryotank stehen eher selten in den Setlists.
Und das Beste an der Sache: Die Hits, die jeder hören will, kamen dennoch nicht zu kurz. Dead Stars, Ritual Noise, Bullet, Der Leiermann und natürlich das ewige Call The Ships To Port nahmen auch diejenigen im Kulttempel mit, die vielleicht nicht ganz so tief in der Diskographie drinstecken. Zwischendurch nahm sich Eskil die Zeit, das neueste Werk seines Bandkollegen Myer zu bewerben (“Listen to the new Haujobb album if you haven’t“) – gut, schließen wir uns dem doch einfach mal an: The Machine And The Ghost erschien im vergangenen September.
Zum Bühnengeschehen: Der berühmt-berüchtigte Nebel, unverzichtbarer Bestandteil jedes Covenant-Konzerts und Albtraum eines jeden Konzertfotografen, hielt sich diesmal in Grenzen. Dass man dennoch öfters nicht unbedingt nach vorne schauen wollte, lag an einem schon arg übertriebenen Einsatz von LED-Technik. Nicht selten flackerte es derart grell hinter Eskil, Daniel und Daniel auf, dass das Offenhalten der Augen zur quasi unmöglichen Aufgabe wurde. Beim nächsten Gig wird jedenfalls die Sonnenbrille eingepackt!
Gejubelt wurde allerdings laut, kein Wunder, war die musikalische Performance doch über jeden Zweifel erhaben. Die Zeiten, in denen man bei Covenant Angst um die Qualität der Auftritte haben musste, scheinen vorbei zu sein. Eskil präsentierte sich text- und taktsicher, Daniel Jonasson ergänzte immer wieder kräftige, verzerrte Shouts und Daniel Myer hielt an Tasten, Knöpfen und Percussion alles Weitere zusammen. Kurz nach 23 Uhr wandte sich der Leipziger dann auch mal kurz ans Publikum: “Müsst Ihr nicht langsam mal zu Euren Kindern nach Hause? Es ist doch schon spät.” Ja, war es, aber die Tanzlust wollte nicht abebben. Zum Beispiel fehlte noch das ewig euphorisch klingende und aktivierende (Anglophone würden das Wort “uplifting” benutzen) We Stand Alone an, das dann um kurz vor halb Zwölf den grandiosen Schlusspunkt setzte.
So ging es zur Geisterstunde entweder auf den Nach-Hause-Weg, zur Aftershowparty mit artverwandten Klängen von unter anderem VNV Nation oder an den Merchandise-Desk. Dort blieb einem allerdings ein Kloß im Hals hängen. Auf einem sehr schlicht gehaltenen schwarzen Shirt stand in weißen Buchstaben der Satz “Take care and control” geschrieben, darunter ein Zettel, der erklärte, was es mit diesem Satz auf sich hat. Über mehrere Jahre war Andreas Catjar-Danielsson Live-Keyboarder bei Covenant, verabschiedete Crew und Bandkollegen nach jedem Auftritt mit eben diesen Worten. Er starb Ende Juli 2024 an Krebs. Mit dem Shirt erinnern Covenant an ihn – eine sehr rührende und schöne Geste. Wünschen wir uns für 2025, dass die Band und wir alle von ähnlichen Schicksalsschlägen verschont bleiben!
Setlist COVENANT – Oberhausen, Kulttempel (27.12.2024)
01. Monochrome
02. I Close My Eyes
03. Brave New World
04. Dead Stars
05. Thy Kingdom Come
06. Leviathan
07. No Mans Land
08. Not To Be Here
09. Phoenix
10. Bullet
11. Go Film
12. The Last Dance
13. Edge Of Dawn
14. Ritual Noise
15. Invisible & Silent (Z)
16. Der Leiermann (Z)
17. Voices (Z)
18. Call The Ships To Port (Z)
19. Happy Man (a cappella, ZZ)
20. We Stand Alone (ZZ)
COVENANT & THE FOREIGN RESORT – Gelsenkirchen, Circus Probst (06.08.2021)
Weblinks COVENANT
Homepage: covenant.se
Facebook: www.facebook.com/profile.php?id=100044425239763
Instagram: www.instagram.com/covenant_sweden
Weblinks ULTRA SUNN
Homepage: www.ultrasunn.com
Facebook: www.facebook.com/ULTRASUNN
Instagram: www.instagram.com/ultrasunn
Bandcamp: ultrasunn.bandcamp.com/album/us