Den Freitag haben wir ja schonmal gut überstanden. Das Wetter hat gehalten und auch, wenn es zur späten Stunde etwas kühl wurde, haben wir bis spät in die Nacht gefeiert. Da sind wir ja mal gespannt, was der Samstag für uns bereithält. Der erste Blick aus dem Hotelfenster zeigt schonmal an, es ist Sommer in Halle, oder? Die Wetteraussichten sind nicht die besten. Auch wenn die Sonne gerade vom Himmel brennt, sind für den Nachmittag noch Regen, Gewitter und Sturmböen angekündigt. Also lieber mal den Regenponcho einpacken. Sicher ist sicher…
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Als man sich gegen 15.00Uhr dann am Festivalgelände eingefunden hat, sah es schon nicht mehr ganz so sonnig aus, wie am Vormittag. Eine leichte Wolkendecke hat sich vor die Sonne geschoben. Es sah aber alles noch recht harmlos aus. Also keine Panik, Kaltgetränk in die Hand und wieder das familiäre Flair genießen. Einen Blick zum Merch gemacht und mit Schrecken festgestellt, dass es am Samstagnachmittag schon keine Festivalshirts mehr für die etwas stabileren Herren. Schade eigentlich!
ALIENARE
Punkt 16.00 Uhr wird es nordisch auf der Stage. ALIENARE kommen auf die Bühne und eröffnen Tag Zwei des EASTSIDE Festivals.
Ich habe Tim Schulschenk und seine fröhliche norddeutsche Art schon vor Jahren in mein Herz geschlossen. Er hat eine frische Art und bringt schnell das Publikum auf dem schon gut gefüllten Festivalgelände auf seine Seite. Er stürmt von einer Bühnenseite zur anderen und ich habe den Eindruck, dass seine Sangesfähigkeiten mit den Jahren immer besser wird. Seiner Schüchternheit, die er früher gerne überspielt hat, ist eine Professionalität gewichen. Das Duo, welches aus dem Mono Inc.-Stall kommt, hat sich seine Eigenständigkeit hart erspielt und anhand der grünen Krawatten im Publikum kann man erahnen, dass Tim und Timo Hanusch (Machines) mittlerweile auf eine gute stabile Fanbase blicken können.
Im Zuge des Auftritts gab es einen Vorgeschmack auf das neue Album Lumen, welches am 16.August in die Shops kommt. Die beiden neuen Stücke Green Light und Fire fügen sich perfekt in das Set ein und regen den Appetit auf die Tour im Herbst an. Wie es leider als Opener so ist, haben Alienare nur einen sehr kurzen Slot an diesem Tag. Gerade mal sieben Stücke Zeit gibt es, um gerade noch rechtzeitig vor dem Regen die Bühne zu verlassen.
BLACK NAIL CABARET
Der Wettergott hat während der Umbaupause dann doch kein Erbarmen mit dem Festival und öffnet seine Schleusen soweit, dass viele Festivalbesucher Unterschlupf unter den wenigen Möglichkeiten suchen. Wer aber hart gesotten ist, harrt vor der Bühne aus und freut sich auf BLACK NAIL CABARET. Gegen 17.00 Uhr kommt das Duo aus Ungarn auf die Bühne. Frontfrau Emese Arvai-Illes mit rotem Regenmantel und passend dazu roter Maske, welche an den Karneval in Venedig erinnern lässt, zaubert eine mystische Stimmung auf die Bühne und vertreibt nach wenigen Minuten auch die Regentropfen. Letztmalig habe ich sie vor vielen Jahren mal live erleben dürfen und doch, Black Nail Cabaret haben ihren Zauber auch bei Tageslicht nicht verloren.
Im Gepäck hatten Black Nail Cabaret natürlich auch Stücke ihres aktuellen Albums Chrysantemum, welche vom Publikum ebenso abgefeiert wurde, wie ältere Stücke. Das Publikum hat den Regen vergessen und feiert diese extravagante Band verdienterweise ab.
TORUL
Gegen 18.00 Uhr ist es dann endlich Zeit für die slowenischen Ausnahmekünstler von TORUL. Ich habe sie schon öfters live gesehen und ja, sie waren gut aber für mich ohne bleibenden Eindruck. Bis heute. Als die drei auf die Bühne kommen und alle ihre Positionen an den Synthies eingenommen haben, bin ich noch etwas skeptisch. Auf Platte funktioniert Torul sehr gut. Als Sänger Maj Valerij den Opener The Balance anstimmt, trifft es mich genau zwischen die Augen. Ich bin erstaunt, wie gut seine Liveperformance klingt und wie gut der Sound insgesamt an diesem Nachmittag doch ist. Weitaus besser als am Freitag. Hier muss man mal ein Lob an die Technik aussprechen.
Doch zurück zu Torul. Das Wechselspiel zwischen Maj und Mastermind Torul Torulsson am Mic ist interessant und gerade auch der Mut, mit Le Replika und Mnenje O Vsem gleich zwei Tracks in Slowenisch zu performen macht diesen Auftritt nochmal Interessanter für mich. Das Eastside feiert Torul dann auch so ab, wie es dieser Gig verdient hat. Und mit mir gibt es dann auch einen Fan mehr. 😉
SONO
Ich weiß ja nicht, welchen Draht Lennart Salomon zum lieben Gott hat, aber als Anchorman Jens Domgörgen die Jungs von SONO ankündigt, kommt tatsächlich die Sonne durch die Wolken. Sono, leider nur als Duo on Stage – Florian war verhindert – starten gleich durch und eine feine Danceparty soll beginnen. Doch weit gefehlt. Während es am Freitag mehrere technische Pannen gab, ging am Samstag bis jetzt alles gut. Nach gut der Hälfte des Openers Supersonic gab es einen totalen Stromausfall auf der Bühne. Nichts geht mehr? Die Ursache wurde schnell gefunden und Lennart nahm das ganze mit Humor. Er ließ das Publikum entscheiden, ob Supersonic nochmal gestartet wird oder sie mit dem Set so weitermachen. Natürlich entscheidet sich das Publikum dafür, nochmal mit Supersonic zu starten. Lennart, nicht auf den Mund gefallen, spult das ganze Programm nochmal zurück, inklusive dem Gang auf die Bühne. Diesem Mann scheint die Sonne aus dem Arsch! Ich persönlich bin großer Fan und genieße das Set wie Bolle und freue mich, wie locker Lennart das Eastside zu seinem Festival macht. Dabei muss man immer wieder betonen, dass auch wenn er mal eine arrogante Mimik aufsetzen kann, dieser Mann einer der herzlichsten Künstler ist, die ich bisher kennenlernen durfte. Definitiv ein absolutes Highlight an diesem Wochenende!
Aber nicht nur Lennart liefert ab. Martin Weiland im Backround feiert ebenso ab und sorgt mit den Electronics dafür, dass hier eine große Party inkl. Luftballons im Gange ist. Völlig Szeneunüblich fliegen orange Luftballons durchs Publikum und haben sichtlich ihren Spaß daran, mit den Ballons zu spielen. Nach diesem Auftritt werden es alle folgenden Bands extrem schwer haben, das Stimmungslevel auf diesem Niveau zu halten.
DIORAMA
Das irgendetwas nicht stimmt merkt man während der Umbaupause sehr schnell. Der Soundcheck ist im Vergleich zu den anderen Bands extrem lang und wird leider auch dazu führen, dass DIORAMA ihr Set dann auch kürzen müssen, damit die Veranstalter nicht wieder in Zeitnot geraten, wie am Vortag.
Gerade einmal sechs Songs bleiben Torben Wendt und seiner Band, das Publikum für sich zu begeistern. Für mich ist und bleibt Diorama ein Buch mit sieben Siegeln. Die Musik und die Performance sind extrem herausragend. Auf Platte ein nahezu reines Electroprojekt hat es Torben Wendt geschafft, für die Liveperformance eine starke Band aufzubauen. Über die musikalischen Qualitäten von Felix Marc (Frozen Plasma) brauchen wir hier gar nicht groß zu debattieren. Felix ist neben Torben eine sichere Bank auf der Bühne. Torben versteht es auch in der kurzen Zeit alleine durch seine Erscheinung zu begeistern. Mir fehlen die richtigen Worte um zu beschreiben, was ich sehe. Stimmlich ist er auf jeden Fall ebenso wie Felix Marc eine Klasse für sich. Zu Schade, dass es nach Synthesize Me dann schon ein vorschnelles Ende gibt.
Wie die Veranstalter wenige Tage nach dem Festival bereits verkündet haben, hat man Diorama bereits einen Nachholtermin angeboten. Ob das im Capitol in Halle sein wird oder auf dem Eastside 2025, ist allerdings noch offen.
NORTHERN LITE
Zu NORTHERN LITE fehlte mir in den vergangenen Jahren jeglicher Zugang. Ihre ersten Veröffentlichungen habe ich noch in unregelmäßigen Abständen verfolgt, begeistert haben sie mich aber nie wirklich. Von daher gehe ich an diesem Abend mit gemischten Gefühlen in das Set der Band aus Erfurt. Als gegen 21.15 Uhr die ersten Töne des Intros ertönen, zieht schon langsam die Nacht über das Karlsbad und endlich kann auch die Lichttechnik zeigen, was sie kann. Schon am Freitag war ich erstaunt, wieviel Licht es dieses Jahr auf der Bühne gibt. Ist es mehr als vor zwei Jahren? Egal, zurück zu Northern Lite. Ich hatte doch tatsächlich immer noch den Gedanken in mir, dass jetzt eine weitere Electroband auf die Bühne kommt. Doch was Northern Lite da auf die Bühne brachten, war knallharter Rock. Zwar noch mit elektronischen Einflüssen, aber die Rock-Attitüde stand extrem im Vordergrund.
Frontmann Andreas Kubat ist ein wenig in die Jahre gekommen und mit seinen langen Haaren und der Körperfülle hätte ich ihn jetzt nicht als Frontmann der Band ausgemacht. Das Publikum, deutlich besser vorbereitet als ich, ist schon auf die Band abgegangen. Das mittlerweile sehr gut gefüllte Areal feierte den Auftritt ordentlich ab. Vom Handwerk her boten Northern Lite auch mir eine gute Show. Andreas Kubat lieferte stimmlich und auch von der Performance eine gute Show. Er ging auf das Publikum zu und interagierte stark mit ihnen. Ein sehr solides Set, welches mit dreizehn Songs einen guten Querschnitt bot. Ich glaube, ich werde der Band doch noch eine neue Chance geben müssen. Was ich bei so einem verkürzten Set dann aber doch bemängeln muss, Northern Lite haben so einen riesigen Backkatalog. Dann an so einem Abend gleich drei Coverversionen zu spielen, fand ich dann doch ein wenig enttäuschend.
LAIBACH
Eine satte Punktlandung in der Running Order lieferten dann die brachialen Industrial-Rocker von LAIBACH. Man hatte das Gefühl, die Nacht wird beim Intro noch einmal ein paar Nuancen dunkler und kalter Nebel zieht übers Land. Ich gebe zu, man kann Laibach nicht einfach nur gut finden. Diese Band hat schon immer polarisiert. Und sie werden von einer Schublade in die nächste geschoben. Sie haben sich nie davor gescheut, Hakenkreuze zusammen mit Sowjet-Sternen zu verwenden. Die Art, wie Frontmann Milan Fras singt, hat Größen wie Til Lindemann beeinflusst. Die militärischen Anspielungen haben sie immer wieder in die Neo-Faschistische Ecke gedrängt.
Das Set von Laibach ist für mich sehr schwer zu ertragen. Natürlich begleiten sie mich auch schon gut vierzig Jahre, aber ich habe es in all den Jahren nie geschafft, wirklich mal eine Platte komplett durchzuhören. Immer wenn ich das Interesse an diesem Abend verloren habe, haben Laibach mich dann doch wieder eingefangen, sodass ich zumindest mit einem Ohr und den Augen aus der Ferne bei Ihnen war. Höhepunkt waren für mich „natürlich“ Life is Life und auch Sympathie for the Devil die Höhepunkte des Abends. Und doch polarisierten Laibach auch an diesem Abend. Auf dem Backdrop erschienen Bilder von Putin, Hitler und Selenskyj gepaart mit Bomben und Panzern. In welche Richtung das jetzt gehen sollte, war für mich nicht auszumachen. Wurde Putin auf einen Sockel gehoben oder doch als Kriegsverbrecher dargestellt. Die Bildsprache ließ nicht nur mich ratlos zurück. Auch wenn Laibach eine Institution in der Szene sind und es sehr interessant war, mal ein ganzes Set von ihnen zu sehen, war nicht nur ich froh, als sie sich irgendwann von der Bühne verabschiedet haben.
ICON OF COIL
Als der Uhrzeiger schon mächtig gegen halb eins in der Nacht rückte, hatte Jens Domgörgen noch zwei Asse im Hawaihemdärmel für die Besucher. Zuerst verkündete Jens, dass bereits für 2025 das nächste Eastside-Festival in Planung ist und mit SOLAR FAKE, AESTHETIC PERFECTION und THE FOREIGN RESORT schon die ersten Headliner auf dem Plan stehen. Dann präsentiert er die Mitternachtsshow von ICON OF COIL.
Ich weiß ja nicht, was Andy LaPlegua an diesem Abend noch vorhatte, er hatte auf jeden Fall seine Sieben Meilen Stiefel an und stürmte auf der Bühne von links nach rechts, vor und zurück. Wir im Fotograben haben bestimmt allesamt ein Schleudertrauma davongetragen. Es hätte nur noch das Crowdsurfing oder das Erklimmen des Bühnendachs gefehlt. Hätte er das gestartet, hätte es mich nicht mehr wirklich gewundert. Halle wurde von diesem Auftritt noch einmal aus der Reserve gelockt. Es war laut, es war tanzbar, es war Party pur. Hits wie Shelter, Dead Enough For Life oder Floorkiller durften natürlich nicht fehlen. Dabei fällt mir auf, wie zeitlos diese Tracks doch sind. Zu keinem Moment fällt auf, dass einige Tracks zwanzig oder mehr Jahre auf dem Buckel haben. Gerne wieder!
FAZIT
Was soll ich sagen? Meine Erwartungen waren nach dem Eastside 2022 schon recht hochgesteckt. Dass die Veranstalter und die Künstler es aber tatsächlich geschafft haben, das alles zu einem unvergesslichen Wochenende zu machen, dazu gehört schon einiges. Natürlich kann man auch an ein paar Stellen sagen, dass hätte aber besser gemacht werden, aber das sind hier nur Randnotizen. Leider hatten die Veranstalter in diesem Jahr auf ein großes Sonnensegel in der Mitte des Platzes verzichtet. Dieses hätte bestimmt noch einigen mehr Unterschlupf bei dem Regen bieten können aber who cares? Mit der zweiten Auflage hat sich das Eastside Festival etabliert. Wir freuen uns auf das nächste Jahr.
Weblinks EASTSIDE FESTIVAL:
Homepage: www.eastside-festival.de
Instagram: www.instragram.com/eastside_festival
Facebook: www.facebook.com/EASTSIDEopenair