PROJECT PITCHFORK / tAngerinecAt – Oberhausen, Kulttempel (13.04.2024)

Fotos: PROJECT PITCHFORK
Project Pitchfork, © Schwarzpixel - Carsten Zerbe
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Sechs Jahre nach der Veröffentlichung der beiden Studioalben Akkretion und Fragment vollendet Elysium die wohlbedachte Trilogie von Project Pitchfork. Solch ein Release musste natürlich gebührend gefeiert werden – schon stand auch eine Tourankündigung ins Haus. Nachdem die Dark Waver bereits im Herbst munter durch das Land tourten – wir berichteten seinerzeit aus Krefeld – standen nun frische Termine an. Uns zog es also diesmal in den Oberhausener Kulttempel. Das Konzert war bereits seit einiger Zeit restlos ausverkauft. Übrigens landete das neue Werk Elysium gerade erst auf Platz #3 der Deutschen Album Charts – in der 35-jährigen Bandgeschichte heimsten Project Pitchfork damit einen Rekord ein. Herzlichen Glückwunsch!

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Bevor wir uns aber der Hauptsact des Abends bevorstehen sollte, haben die Pitchies noch einen Special Guest eingeladen. Diesmal waren tAngerinecAt mit von der Partie. Den meisten Gästen war das ukrainische Duo, das seit 2015 in Wales lebt, noch gänzlich unbekannt. Seit gut zehn Jahren sind die queeren Multiinstrumentalisten Zhenia Purpurovsky und Paul Chilton mit tAngerinecAt aktiv. Zhenia selbst hat als behinderter Geflüchteter mit komplexen Traumata zu kämpfen und lehnt sich lyrisch gemeinsam mit Paul gegen starre Autoritäten, Vetternwirtschaft, Kapitalismus, Kindesmissbrauch und Krieg auf. Wie wirkte sich dies nun live aus? Pünktlich um 20:00 Uhr betraten beide die Bühne. Zhenia begrüßte das Publikum: “We came came all the way from North Wales to see you and the most amazing Project Pitchfork.” Paul trug ein bandeigenes Shirt mit einer orangefarbenen Katze. Da die Bühne bereits mit dem immensen Equipment des Headliners ausgestattet war, platzierten sich die zwei direkt am vorderen Rand – ganz nah an den Gästen.

Paul widmete sich den Keys. Zu einem stapfenden Beat gesellten sich elektronische Klänge. Mit geschlossenen Augen spielte Zhenia eine prachtvolle Drehleier. Something Broke Inside überraschte mit klirrenden Geräuschen von scheinbar zerbrechendem Glas. Mit hoher Stimme sang Zhenia seine Lyrics. Paul schien tief in die Musik versunken zu sein und wippte zwischendurch leicht vor und zurück. Der  mystische Sound von tAngerimecAt erinnerte stellenweise an Filmmusik. Zunächst reagierte das Publikum etwas verhalten, aber sehr höflich. Dunkel und fast schon okkultartig wirkte Anti-Lullaby. Aus dem nichts heraus begann das Duo,  einander zugerichtet zu “tanzen”. Die dazugehörigen Moves wirkten bewusst skurril. Arme wurden in die Luft geschwungen und es schien, als würden die Künstler es darauf anlegen, sich gegenseitig zu schubsen. Allerdings deuteten sie dies nur an. Passend zum Sound von House Of Shards bewegte Zhenia seine Arme ganz abrupt. Dieser Song war melodischer und tanzbarer – auf einmal kam gar Bewegung ins Publikum. Nach der ersten Überraschung gewöhnte man sich also aneinander.

Zu dem Track Molfar stimmte auch Paul gesanglich mit ein. Mit tiefer, getragener Stimme ergänzte they den Gesang. Zhenia sang dazu konträr in einem höheren Tempo und die beiden Stimmen matchten wirklich gut. “We are really happy to be here tonight.” Ermutigt vom Applaus verwies Zhenia auf den Merchstand. Paul machte sich mittlerweile auch locker und erlaubte sich einen Spaß mit dem Stimmenverzerrer. Dieser sorgte direkt für Erheiterung. Für den letzten Song Mass Of The Black Cats begab sich Zhenia noch einmal vertieft in sein Leierspiel, dabei fühlte er sichtlich die entstehende Musik und genoss die letzten Momente des Auftritts. Nach gut 40 Minuten endete der Gig der Weithergereisten. Auch wenn der Sound von tAngerinecAt ungewöhnlich für die Besucher klang. Ein Großteil der Menge fand einen Draht zu dem Duo. Im Nachhinein bescherte man den beiden gar einen Verkaufsrekord am Merchstand. Für satte 600,- € fanden Artikel der Band neue Besitzer. Dementsprechend happy waren Paul und Zhenia nach dem erfolgreichen Gig.

Setlist tAnceringecAt – Oberhausen, Kulttempel (13.04.2024):

01. Ask Owl
02. Something Broke Inside
03. Anti-Lullaby
04. House Of Shards
05. Molfar
06. Mass Of The Black Cats

Weblinks tAnceringecAt:

Homepage: www.tangerinecat.net
Facebook: www.facebook.com/tangerinecatpage
Instagram: www.instagram.com/tangerinecat.music

Um 21:00 Uhr war es dann soweit. Project Pitchfork waren bereit, den ausverkauften Kulttempel in Wallung zu bringen. Im Vorfeld wurde übrigens ein Besetzungswechsel verkündet. Jürgen Jansen, seit 1997 Mitglied der Band, hat die Zusammenarbeit mit den Pitchies beendet. Eine weitere Erklärung gab es bislang nicht. Jürgen hat zudem all seine Beiträge auf seinem Instagram Profil gelöscht. Das neue Gesicht an den Keys war uns bereits bekannt, denn Waik Schöner stand auf der letzten Tour bei dem Special Guest Chemical Sweet Kid an der Gitarre. Fortan unterstützt er also auch die Konzerte von Project Pitchfork. Auf sein Zutun war ich besonders gespannt.

Meeresrauschen läutete den Beginn der Show ein. Dieses war uns längst vertraut, schließlich begegnet uns das klangliche Spiel der Wellen auch regelmäßig auf dem neuen Album. Während sich die anderen Musiker bereits hinter ihren Instrumenten positioniert haben, standen Peter Spilles und seine Partnerin Sue seitlich am Bühnenaufgang. Noch einmal atmete der beliebte Sänger tief durch, ehe das Paar gemeinsam die Stufen erklomm. Auf der gigantischen LED-Leinwand setzten sich die ersten Visuals in Bewegung und zu dem treibenden Neuling Unity startete auch die traumhaft schöne Lightshow von Project Pitchfork. Gemeinsam sang das Paar den ersten Titel und Peter war direkt anzusehen, wie heiß er auf diesen Abend war. Voller Freude strahlte er seine Fans mit leuchtenden Augen an. Auch Waik schien vor Freude fast zu platzen. Seine Augen waren mit schwarzem Kajal umrandet und mit seinem schulterlangen, welligen Haar und seiner überaus positiven Ausstrahlung wirkte er durchaus attraktiv. Nach der gemeinsamen Performance entschwand Sue vorerst von der Bühne.

Timekiller wurde seitens des Publikums mit begeisterten Pfiffen und tosendem Applaus begrüßt. Ungestüm setzte sich die erste Pogowelle in Gang. Mittig vor der Bühne saß allerdings eine junge Frau in ihrem Rollstuhl. Mit aller Kraft versuchte man, die wilde Menge von ihr abzuhalten. Momente, in denen lediglich gehüpft wurde, sorgten für kurzzeitige Entspannung. Doch so konnte es nicht weitergehen. Auch mich erschrak diese rüpelhafte Rücksichtslosigkeit. Vor dem nächsten Song machte Peter eine rettende Ansage: “Wir müssen jetzt eine Lösung finden!” Er erklärte die Situation und bat darum, Platz zu schaffen, damit man die junge Dame seitlich außerhalb der Rangelzone platzieren konnte. Gesagt, getan – “ok, weiter geht’s.” 

Beruhigend breiteten sich die sphärischen Klänge von dem Klassiker Conjure aus dem Jahr 1992 aus. An dem sagenhaften Bühnenbild konnte man sich unterdessen kaum sattsehen. Sue hat sich seitlich der Bühne platziert und schaute sich das Spektakel genüsslich an. Als der stimmgewaltige Chor des Kulttempels beim Refrain mit einsetzte, quittierte Peter seinen Anhängern ein herzliches Lächeln. Während der Sänger zu Titânes ausgelassen tanzte, wurden in der Menge erste aufgeheizte männliche Oberkörper von T-Shirts befreit. Auch bei dem musikalischen Schmuckstück Alpha Omega wurden Erinnerungen wach. Begeistert stimmte die Crowd mit ein: “Small things are big, huge things are small. Tiny acts have huge effects, everything counts.” Peter stellte Achim Färber und Christian Leonhardt an den Drums und natürlich Waik an den Keys vor, der zwischen den beiden Schlagzeugern platziert war.

Schwermütig und bestärkend zugleich wirkte Melancholia vom aktuellen Album. Eine zarte Pianomelodie untermalte die tiefsinnigen Lyrics: “Like a leave on the river like a feather in the wind in the last light of the day I’ll pass away. Let all weights behind and feel these emotions they can not steal.” Am Ende des Lebens gilt es die Seele von lähmendem Ballast zu befreien. Und auch wenn der Körper eines Tages nicht mehr so kann, wie man will – unsere Emotionen und Empfindungen kann uns niemand nehmen. Vor der Bühne wurde es ganz still. Gebannt ließen die Fans Peters Ballade auf sich wirken sie bewegten sich dazu seicht hin und her. Auch die stillen Momente machen schließlich den Erfolg der Pitchfork Konzerte aus. Bei dem Konzert in Krefeld entschwand Peter immer mal kurz von der Bühne, um sich beispielsweise einen Mantel anzuziehen. Dies entfiel diesmal komplett und so schick er auch in seinen Mänteln aussieht – für den Fluss des Konzertes war dies durchaus angenehm. Man blieb komplett im Flow.

Rain erlebten wir also im bisherigen Outfit. Und das Erlebnis war einfach traumhaft schön. Laut und inbrünstig teilte die Crowd die bekannten Zeilen. Auf und vor der Bühne war das pure Glück spürbar. Christian und Waik sangen ebenfalls mit. Alles war gerade eins und klammheimlich breitete sich bei mir ein wohliges Gefühl samt einer Gänsehaut aus. Nachfolgend thematisierte Peter kurz den Weggang von Jürgen Jansen. Mit ernster Miene ergriff er das Wort “ich möchte an dieser Stelle kurz etwas sagen. Wie bemerkt wurde, im Internet gab es einen ziemlichen Sturm. Jürgen Jansen ist nicht mehr dabei und meine Wortwahl dazu war recht knapp gehalten. Das liegt einfach daran, weil jedes weitere Wort Jürgen Jansen schaden würde! Willkommen, Waik!” Kurzzeitig entstand ein allgemeines Gemurmel. The Queen Of Time And Space ließ dieses jedoch zügig verstummen und man beschloss einheitlich, sich lieber dem Konzertgeschehen hinzugeben. Mit anmutigen Armbewegungen begleitete der Fronter die verspielte Melodie. Beschwingt präsentierte er uns das fantasiereiche Märchen über die Königin von Zeit und Raum.

In andere Sphären versetzte uns Volcano. Zu den melodischen Pianoklängen wirkten die Drums besonders energisch. Gegen Ende gesellte sich Sue dazu und gemeinsam sang das Paar die wiederholenden Zeilen: “We can not stop to feel. Therefore we can not sleep. Alive we’re your nightmare. Our dead bodies you can keep.” Der neue Titel Summer Walk erfreute sich seit der Veröffentlichung von Elysium an besonderer Beliebtheit. Da lag es doch nahe, den Frischling ebenfalls in das neue Set einzuweben. Und schon konnten wir uns live an dem mitreißenden Song über das alles vernichtende Armageddon erfreuen. Mit emotionaler Stimme sang Peter seine dramatischen Lyrics, die durchaus mit einer sarkastischen Note versehen waren. “We remain motionless in the armegeddon. Would you like to have a piece of cake to it?” Acid Ocean sorgte daraufhin erneut für Wohlbehagen. Mit seinen Händen schien Peter gute Vibes aus der Luft einzuheimsen. Dann beugte er sich nach vorn. Dabei kam er seinen Fans ganz nahe, einzelne von ihnen sang er direkt an und vermittelte ihnen das Gefühl ein wichtiger Teil vom großen Ganzen zu sein.

Natürlich bekam die Pogo-Meute auch erneut musikalisches Futter dargereicht. So setzte God Wrote einen saftigen Abriss in Gang. K.N.K.A. versetzte uns zurück ins das Jahr 1990 und langsam wurde es nahe der wirbelnden Masse durchaus anstrengend. Doch Erlösung nahte. Der Tanz erschien ebenfalls auf dem aktuellen Album. Die deutschsprachigen Worte standen dem Titel ausgezeichnet. Wir kehrten also zu angenehmen Tanzbewegungen zurück. “Hey-Hey”-Rufe feuerten Peter ordentlich an. Schon hat man alles um sich herum wieder vergessen und war im Sog, den der Song auf einen ausübte, gefangen.

Existence v4.1 brachte die ohnehin aufgeheizte Stimmung vollends zum Kochen. Völlig zügellos gab sich die Fanschar ihrem Verlangen hin, sich allumfassend auszutoben. Welcher Track darf bei einem Konzert der Pitchies niemals mit Abwesenheit glänzen? Beholder! Und der Liebling machte seiner Gute-Laune Garantie erneut alle Ehre. Vereint feierte man den fröhlichen Hit der Band. “Hat heute eigentlich irgendwer Geburtstag?” fragte Peter in die Runde. Aber ja! Christian war der Glückliche, der seinen Ehrentag gemeinsam mit hunderten Fans vollenden durfte. Feierlich übergab ihm der Sänger eine “brennende” LED-Kerze. Höflich verneigte sich das Geburtstagskind vor seinem jubelnden Publikum. “So, einen haben wir noch im regulären Set. Danach müsst ihr euch anstrengen!”

Final Words vollenden nicht nur die letzte Trilogie von Project Pitchfork. Mit seiner bedeutenden Botschaft rundete der Track auch den offiziellen Part ab. Lehrte er uns doch Freude bewusst wahrzunehmen, das Leben zu genießen, ehrliches Lachen zu verschenken und unbeschwert das Tanzbein zu schwingen. Schließlich können wir dem Ticken der eigenen Uhr ohnehin nicht entfliehen. Das Quartett verneigte sich artig vor uns und entschwand für eine klitzekleine Pause in den Backstagebereich.

Erfrischt und wieder adrett hergerichtet kehrten sie für einige Zugaben zu uns zurück. “Wer kennt den Song?” – Souls ließ die Arme der Fans ungefragt in die Höhe recken. Noch einmal genossen wir den einzigartigen Sound, den Project Pitchfork ausmacht. Wie machte sich eigentlich Waik? Er war das ganze Set über absolut präsent. Well done! Den jungen Mann geben wir in dieser Zusammensetzung nie wieder her! In der Menge entdeckte ich plötzlich den Rest der Truppe von Chemical Sweet Kid. Sie waren extra aus Frankreich angereist, um ihren Waik live zu unterstützen – welch zauberhafter Freundschaftsdienst. Ihr Band der Gemeinschaft bleibt also bestehen, so etwas ist in der heutigen Zeit nicht selbstverständlich.

Nachdem Transformation geschmeidige 80er Jahre Vibes versprühte, schalteten die Jungs nochmal einen Gang hoch: Blood-Thirst verlangte uns nochmal alles ab. Es wurde gerockt, was das Zeug hält. Waik headbangte wild und all die positive Energie entlud sich erneut. Um einen letzten Zugabenblock musste man den Headliner nicht lange bitten. “Könnt ihr echt noch?” Learning To Live, DIE brandaktuelle Ode an das Leben durfte keineswegs fehlen. Hier trafen die Pitchies ihre Fans nochmal mitten ins Herz. Ein letztes Mal gesellte sich Sue hinzu. Ihr Gesang schmiegte sich nah an die Stimme ihres Partners heran. Beseelt nahm Peter ihre Hand und gemeinsam streckten sie ihre Arme nach oben. “We are human, we try to give. As bright as the sun, we’re learning to live.” nach dem Song konnte man sich einen kleinen Seufzer nicht verkneifen.

In Krefeld war ich von der Auswahl der finalen Songs überrascht. Zum Abschluss fehlte mir ein wenig dieser aufkeimende Wunsch, dass dieser Abend niemals enden möge. Etwas zu speziell empfand ich den Schluss. Hier blieben keine Wünsche offen! Stapfend und hymnisch zugleich ging es mit Onyx in die vorletzte Runde. Glücklich sprang Peter über die Bühne. “Ein großes Dankeschön an tAngerinecAt. Danke, dass wir bei euch sein durften. Danke, dass ihr gekommen seid. Es war schön bei euch. Letzter Song.” Rescue löste eine euphorische Eskalation aus. Auch Peter verausgabte sich, wie ein junger Hüpfer, als gäbe es kein Morgen. Und Waik? Na er sowieso. So sieht ein gelungenes Finale aus! Danke für die kostbaren Endorphine das war phänomenal. 🙂

Setlist PROJECT PITCHFORK – Oberhausen, Kulttempel (13.04.2024):

01. Unity
02. Timekiller
03. Conjure
04. Titânes
05. And The Sun Was Blue
06. Alpha Omega
07. Melancholia
08. Rain
09. The Queen Of Time And Space
10. Volcano
11. Summer Walk
12. Acid Ocean
13. God Wrote
14. K.N.K.A.
15. Der Tanz
16. Existence v4.1
17. Beholder
18. Final Words
19. Souls (Z)
20. Transformation (Z)
21. Blood-Thirst (Z)
22. Learning To Live (ZZ)
23. Onyx (ZZ)
24. Rescue (ZZ)

Weblinks PROJECT PITCHFORK:

Homepage: www.project-pitchfork.eu
Facebook: www.facebook.com/ProjectPitchfork
Instagram: www.instagram.com/project_pitchfork
YouTube: www.youtube.com/ProjectPitchfork

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